Nach dem Votum der Stadtverordneten von Elsterwerda im Jahr 2020 für die dritte Städtepartnerschaft mit Hostka in Tschechien sollte der Vertrag zeitnah unterschrieben werden. Warum geschieht dies erst jetzt?
Anja Heinrich: Nach den ersten Besuchen in Hostka und Elsterwerda waren sich beide Orte schnell einig, dass eine Partnerschaft das gesellschaftliche Leben zu bereichern vermag und einigten sich auf einen Städtepartnerschaftsvertrag. Durch die Zeit der Pandemie fehlte es an dem dafür würdigen öffentlichen Rahmen. So wird der kommende Bürgerempfang am 2. Juni ein festlicher Anlass sein, die Vertragsunterzeichnung im Beisein von Bürgern unserer Stadt vorzunehmen.
Die ersten Kontakte zu Hostka hatte es bereits in den 1960- und 1970er-Jahren gegeben haben. Noch heute heißt es gerüchteweise, dass das gute tschechische Bier der Grund gewesen sein könnte. Ist da etwas dran?
Anja Heinrich: Wir finden gerade im Bereich ehemaliger Mitarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe noch den einen oder anderen Zeitzeugen früherer Kontakte nach Hostka. Danach verlor sich der Kontakt über Jahrzehnte. Einem schönen Zufall verdanken wir es, dass ich als Bürgermeisterin von den Verbindungen nach Hostka erfahren hatte. Nach ersten Kontakten auf Verwaltungsebene fuhren wir in kleiner Delegation nach Tschechien. Seither halten wir an dem Wunsch einer verbindlichen Städtepartnerschaft fest. Ob das köstliche Bier seinerzeit dazu beigetragen hatte, sich öfter zu besuchen, müssen wir nach Jahrzehnten nicht ausschließen.
Förderrichtlinie in Elsterwerda verabschiedet
Was verspricht sich die Stadt Elsterwerda von der Partnerschaft mit Hostka, einer doch sehr kleinen Stadt mit nur etwa 1200 Einwohnern?
Anja Heinrich: Die Welt wird offener. Unseren Kindern ist es möglich, sich beruflich und privat überall niederzulassen. Dabei sollten wir jedoch unsere unmittelbaren Nachbarn, deren Kultur und Sprache mit sehr viel mehr Beachtung und Wertschätzung bedenken. Hostka ist eine bemerkenswerte Gemeinde mit einem reichen gesellschaftlichen Leben, an dem wir teilhaben und von dem wir partizipieren können. Hinzu kommen die kurzen Wege. In etwa zwei Stunden erreicht man unsere künftige Partnerstadt, was vor allem für Vereine und Bildungseinrichtungen von Vorteil sein kann.Bereits heute haben sich Sportvereine dafür interessiert, Programme und Veranstaltungen gemeinsam mit Hostka ins Leben zu rufen. Es gibt bereits Pläne. Wir werden auch im Bereich der Kultur und Bildung Austauschprogramme umsetzen. Dafür wurde in Elsterwerda bereits im Vorjahr im Stadtparlament eine Förderrichtlinie „Städtepartnerschaft“ verabschiedet, durch die ein reger Austausch zu allen Partnerstädten förderfähig ist. Näheres findet man auf der Homepage der Stadt Elsterwerda.
Elsterwerda hat sich in Vreden präsentiert
Durch die Coronazeit liefen die Städtepartnerschaften auf Sparflamme. Zu dem 600 Kilometer entfernten Vreden gibt es schon sehr lange Kontakte. Was haben diese bisher Elsterwerda und den Einwohnern gebracht?
Anja Heinrich: 1990 wurde durch Bürgermeister Wolf-Dieter Schwarz die Städtepartnerschaft mit Vreden, und 1999 durch Bürgermeister Peter Schwarz mit Naklo nad Notecia in Polen besiegelt. Trotz der Pandemie bestand zu jeder Zeit ein sehr persönlicher und herzlicher Austausch zwischen den Städten und uns Bürgermeistern. Erst im Januar waren Vertreter des Sportvereins Preußen Elsterwerda und eine Delegation der Verwaltung dort zum traditionellen Hallenfußballturnier. Etliche Vereine, darunter die Kleintierzüchter, Chöre und Heimatvereine, sowie Vertreter der Parteien pflegen intensive Kontakte und besuchen sich. In Vreden nahm eine Delegation der Stadtverwaltung mit mir als Bürgermeisterin am Neujahrsempfang teil. Auch auf der Arbeitsebene arbeiten wir eng und konstruktiv. So nahm ich vor wenigen Wochen eine Liveschaltung als Bürgermeisterin wahr und erhielt Gelegenheit, unsere Heimatstadt zur Ausschusssitzung für Städtepartnerschaft und Tourismus im westfälischen Vreden ausführlich vorzustellen.
Welche Aktivitäten sind in der nächsten Zeit geplant?
Anja Heinrich: Vor wenigen Tagen waren Vertreter der Stadt zu Besuch in Vreden. Davor sind Vredner Ratsmitglieder mit der Verwaltungsspitze in Elsterwerda gewesen. Es wird weiterhin eine weitreichende Zusammenarbeit der Fachbereiche unserer Stadtverwaltung geben, als auch eine umfassende Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, Kultur und Bildung.
Im kommenden Jahr werden wir mit einer Delegation einheimischer Unternehmen eine Wirtschaftsreise nach Vreden unternehmen. Zu unseren Festlichkeiten sind unsere Partnerstädte wichtige Ehrengäste. So erwarten wir zum Erntedankfest der Lausitz das Musikkorps der freiwilligen Feuerwehr aus Vreden, auch Ehrengäste aus Hostka und Naklo.
Gäste aus Naklo kommen nach Elsterwerda
Wie schätzen Sie aktuell die Kontakte zu Naklo in Polen ein? Wird es wieder offizielle Besuche und welche von Vereinen geben?
Anja Heinrich: Mit Naklo haben wir ein Konzept für ein mehrjähriges Bildungsprogramm initiiert und dafür sogenannte Erasmusmittel bei der EU beantragt. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, wären wir in der Lage, einen mehrjährigen Schüleraustausch mit professionellen Partnern mehrerer Teilnehmerstaaten anbieten zu können. Für uns als Schulstadt wäre dies ein großartiger Erfolg. Bereits zum Bürgerempfang in wenigen Tagen werden wir Gäste aus Naklo empfangen. Intensive Kontakte werden auch durch das Elsterschloss-Gymnasium gepflegt. Mit Dr. Gustav Bekker haben wir einen Bürger, dessen großes ehrenamtliches Engagement für eine politische Ausgewogenheit, Versöhnung und Erinnerungsarbeit unerlässlich ist.
Mehr als 80 deutsche Städte, deutlich mehr im Westen als im Osten, haben Partnerschaften mit russischen Städten. Durch den Krieg in der Ukraine sind Kontakte jedoch auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt worden. Auch in Elsterwerda war immer mal wieder von einer möglichen Partnerschaft die Rede. Hat sich das für immer erledigt?
Anja Heinrich: Über Bürgermeistergenerationen hinweg galt eine russische Städtepartnerschaft nie als ausgeschlossen, zumal die Sprachbarrieren durch die Biografien der Bürger der neuen Bundesländer als gut überwindbar galten. Der Krieg lässt für derartige Überlegungen derzeit keinen Raum.
Also sollte später noch einmal darüber nachgedacht werden?
Anja Heinrich: Unsere noch junge Geschichte ist geprägt von Kriegen und Auseinandersetzungen. Viele Jahrzehnte haben wir trotzdem in gemeinsamem Frieden gelebt und uns der „Versöhnung über den Gräbern“ gewidmet. Man sollte sich dessen immer bewusst sein, dass Kriege immer politisch motiviert und nicht Wunsch einer Bevölkerung sind. Die Menschen sollten immer bestrebt sein, in Frieden miteinander zu leben. Und aus diesem Gedanken heraus sollte man heute nicht die Städtepartnerschaften von morgen von vornherein ausschließen.