Sachsen ist den RKI-Daten zufolge weiterhin das mit Abstand am stärksten von der Infektionswelle betroffene Bundesland in Deutschland. Sachsen hat als erstes Bundesland jemals bei den Corona-Infektionen die Sieben-Tage-Inzidenz von 1000 überschritten. Am Montag, 29. November meldete das Robert-Koch-Institut einen Inzidenzwert von 1284,8.
Schon zuvor hatte Sachsen einen traurigen Meilenstein erreicht: Noch nie seit Beginn der Pandemie war die Lage in einem Bundesland so gefährlich, wie aktuell in Sachsen. Und auch die Zahlen in den einzelnen Landkreisen steigen weiter schnell. Im Erzgebirgskreis wurde jetzt ebenfalls ein Rekordwert erreicht.

Kommt der Lockdown in Sachsen?

Ob das Erreichen der 1000er-Inzidenz im Freistaat weitere Konsequenzen haben könnte, war zunächst nicht bekannt. Am Mittwochabend berichtete die „Bild“, dass Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) extrem besorgt sei und mit Experten und Politikern im Gespräch über einen harten Lockdown ist. Dem Bericht zufolge würde der Lockdown dann auch Schließungen von Schulen und Kitas beinhalten.
Im Interview mit der Sächsischen Zeitung sagte der Ministerpräsident: „Wir haben in Sachsen als Zahl, die uns leitet, circa 3.000 Betten mit Corona-Patienten. Das ist die Zahl, die wir am 24. Dezember an der Spitze der damaligen Coronawelle hatten.“ Damit wären die Krankenhäuser überlastet. „Unsere Prognose zeigt, dass wir in Sachsen diese 3.000 Betten in den nächsten 14 Tagen erreichen.“ Einen Lockdown kann er deshalb nicht ausschließen. Wenn es in der kommenden Woche nicht einen positiven Effekt gebe, „müssen wir diese Diskussion führen“.
Derweil sieht Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) im Freistaat keine Alternative mehr zu einem harten Lockdown. „Ich halte ihn dringend für notwendig, weil ich keine andere Möglichkeit mehr sehe“, sagte sie am Donnerstag in Dresden. Auch bei einem kompletten Lockdown könne man noch abstufen und etwa die Kitas und Schulen offen halten. Man sei mit Berlin in Kontakt, weil die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichten. Sachsen habe alle Möglichkeiten auf Basis des bestehenden Infektionsschutzgesetzes ausgereizt.
Seit dem 22. November gilt in Sachsen eine Notfall-Verordnung, die einem Lockdown für Ungeimpfte gleichkommt.

Impfen in Sachsen: Lange Warteschlangen für Corona-Impfung

Zudem sieht der Ministerpräsident die langen Warteschlangen vor den Impfstellen mit Sorge. „Auch für mich sind das furchtbare Bilder, die mich sehr ärgern. Im Gesundheitsministerium wird sehr hart daran gearbeitet, die Situation zu verbessern“. Es würden Gespräche mit der Ärzteschaft geführt. „Vom Präsidenten der Kassenärztlichen Vereinigung habe ich die Zusage bekommen, dass sie zwischen hundert- und zweihunderttausend Impfungen pro Woche möglich machen wollen“. Dies könnte schon in dieser Woche beginnen.
Eine generelle Impfpflicht sieht Kretschmer dagegen skeptisch. „Ich persönlich bin in meinem Erleben eher immer derjenige gewesen, der nicht mit Zwang agiert, sondern mit Überzeugung und mit Erkenntnis.“ Ob es bundespolitisch anders entschieden werde, so dass es möglicherweise eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen gebe, bleibe abzuwarten. „Aber ich glaube, es ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft und dafür, dass wir auch nach dieser Pandemie das Vertrauen ineinander haben, besser, wenn wir vor allen Dingen fürs Impfen werben und die Menschen es aus eigener Überzeugung tun.“
Laut Kultusminister Christian Piwarz (CDU) erlaubt die aktuelle Rechtslage keinen kompletten Lockdown. Der Bund habe den Ländern zwar eine Übergangsfrist bis zum 15. Dezember eingeräumt, allerdings hätten Maßnahmen spätestens am 25. November in Kraft treten müssen. Mit diesem Datum hatte die Ampel-Koalition das Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite verknüpft. Jetzt sei es nicht mehr möglich, noch einmal Verschärfungen vorzunehmen, sagte Piwarz. Sachsen habe das mit der aktuellen Notfallverordnung schon getan.

Corona-Krise: Kretschmer will „Bergamo in Sachsen nicht zulassen“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will die vierte Corona-Welle mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Kontrolle bringen. „Wenn wir nächste Woche um diese Zeit feststellen, wir haben immer noch ein solches Infektionsgeschehen, dann werden wir gemeinsam darüber sprechen, was noch mehr notwendig ist - weil wir Bergamo in Sachsen nicht zulassen wollen“, sagte er am Donnerstagabend in einer Online-Diskussion. Kretschmer spielte damit auf die dramatischen Situation in der norditalienischen Stadt Bergamo im Frühjahr 2020 an. Bilder von Militärlastwagen, die massenhaft Särge abtransportierten, lösten damals weltweit Bestürzung aus. Sachsen hatte später als erstes Bundesland auch Patienten aus Bergamo in seinen Krankenhäusern aufgenommen.
„Niemand würde in Deutschland Bilder wie in Bergamo ertragen, auch nicht diejenigen, die jetzt noch der Meinung sind, das ist alles gar nicht so schlimm“, sagte Kretschmer. Man könne die Pandemie nicht einfach laufen lassen. Das, was Sachsen gerade mache, sei notwendig - „und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr“, verteidigte er die aktuellen Einschnitte in dem Bundesland.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, will die vierte Corona-Welle mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Kontrolle bringen. In Sachsen verbreitet sich das Virus derzeit im bundesweiten Vergleich am schnellsten.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, will die vierte Corona-Welle mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Kontrolle bringen. In Sachsen verbreitet sich das Virus derzeit im bundesweiten Vergleich am schnellsten.
© Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Corona in Sachsen: Lage von Woche zu Woche kritischer

Seit Wochen spitzt sich die Corona-Lage in Sachsen immer weiter zu. Am 22. November wurde die sogenannte „Kleeblatt-Konferenz“ aktiviert, die eine Verlegung von Patienten ermöglichen sollte. Zweck dieser Konferenz, die sich täglich oder im Zwei-Tages-Rhythmus austauscht, ist es, eine bundesweite Verlegung von Patienten zu organisieren. Dabei geht es darum, freie Plätze und geeignete Transportmittel zu finden.
Sachsen bildet gemeinsam mit Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin ein „Kleeblatt“ – zuerst sollen Patienten also in die Nachbarbundesländer verlegt werden. Ist das nicht möglich, wird im nächsten Schritt bundesweit verlegt.
Köpping zufolge soll wegen der angespannten Lage in sächsischen Krankenhäusern noch am Donnerstag mit der Verlegung von Patienten in andere Bundesländer begonnen werden. Man habe am Mittwoch 16 Patienten dafür angemeldet, 10 seien für eine sofortige Verlegung geeignet. Für jede weitere Woche seien je 20 Patienten angemeldet worden. Köpping machte keine Angaben dazu, in welche Orte die Betroffenen gebracht werden.

Krankenhäuser in Chemnitz rechnen bald mit Triage

Die Lage in Krankenhäusern vor allem der Region Chemnitz spitzt sich nach Experteneinschätzung dramatisch zu. Als „katastrophal“ charakterisierte der ärztliche Direktor des Klinikums Chemnitz, Ralf Steinmeier, am Freitag die Situation. „Die Belegung mit Covid-19-Patienten stößt an die Grenzen des am Klinikum Machbaren.“ Krankenhauskoordinator Michael Albrecht vom Uniklinikum Dresden warnte davor, dass Krankenhäuser und Kliniken in Sachsen zusammenbrechen. Einer Prognose zufolge könnte Mitte kommender Woche zunächst die Region Chemnitz Intensivpatienten nicht mehr versorgen.
„Aus den Erfahrungen im letzten Winter wissen wir, dass wir ab einer Zahl von 420 Intensivpatienten nur noch 14 Tage Zeit haben, bis die Krankenhäuser und Kliniken in Sachsen zusammenbrechen“, sagte er laut einem Online-Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Am vergangenen Mittwoch habe die Zahl schon bei 428 gelegen. Übernächste Woche werde die Zahl einer noch moderaten Prognose zufolge in Sachsen bei 689 liegen.