Thorben und Xaver sind stolz. Ihre Glaskunst gehört zu den Ausstellungsstücken der neuen Sonderschau „Gravur/modern“ im Glasmuseum Weißwasser. Die beiden haben wie ihre Mitschüler und Mitschülerinnen einen weiten Weg auf sich genommen. Die jungen Männer sind Auszubildende am Staatlichen Berufskolleg Glas, Keramik, Gestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen in Rheinbach (früher Glasfachschule Rheinbach). Als Auszubildende hatten sie im Jahr 2022 die Chance, am 8. Internationalen Symposiums für graviertes Glas im Kamenicky Senov in Tschechien (vormals Steinschönau) teilzunehmen.
Toll sei es, welche Möglichkeiten der Werkstoff biete, um ihn gestalten zu können, finden die Lernenden. Dass ihnen später mal viele Türen offen stehen, davon sind ihre Lehrer überzeugt. Die Glasindustrie brauche Fachleute. Deutsches Knowhow sei bei Kirchenfenstersanierungen in Korea genauso gefordert, wie beim Bau einer Glasdecke für Apple in den USA.

Kunst des Glasmachens lässt Weißwasser wachsen

Dass es ohne Kamenicky Senov keine Glasfachschule in Rheinbach gegeben hätte, wird am Rande klar. Sudetendeutsche Glasmacher und das Fachpersonal der damaligen Glasfachschule in Steinschönau wollten nach der Flucht in Folge des Zweiten Weltkrieges die Kunst des Glasmachens erhalten.
Die Kunst des Glasmachens hat Weißwasser wachsen lassen. Wie groß die Glasindustrie hier einst war, überrascht selbst die Gäste aus Rheinbach. Das haben sie so noch nicht gewusst.
Vor 150 Jahren hat in Weißwasser alles seinen Anfang genommen. Und ein Heidedorf quasi in eine völlig andere Umlaufbahn katapultiert. Struppige Heide, einfach gebaute Häuser und gerade mal 600 Einwohner. Das war Weißwasser im Jahr 1873.
Dort, wo Weißwassers erster Glasofen stand, sieht man heute verfallene Mauern und üppig wucherndes Grün. Wer sehen will, wie die Gelsdorfhütte einmal ausgesehen hat, sieht sich am besten das Modell der Station Weißwasser an, das in den zwei neugestalteten Räumen zur Stadtgeschichte im Glasmuseum zu sehen ist.

Wo in Weißwasser alles angefangen hat

Am 10. Februar 1873 wurde in der damaligen „Glasfabrik Weißwasser Zwahr, Neubauer & Co“ der erste Glasofen entfacht. Sie hielt nur drei Jahre durch, dann ging den Investoren vermutlich durch zu wenig Wissen die finanzielle Kraft aus. Mit Wilhelm Gelsdorf betritt danach einer der ersten bekannten Namen, der immer mit Weißwasser und dem Glasmachen verbunden sein wird, den Ort des Geschehens. Aus Tschernitz stammend, hatten ihn seine Wanderjahre ins Glatzer Land verschlagen.
„Dort musste er zu einigem Wohlstand gekommen sein, denn 1877 kaufte er die erste Glashütte Weißwasser und kam – gemeinsam mit 26 Glasmacherfamilien – nach Weißwasser“, berichtet Christine Lehmann, die Leiterin des Glasmuseums. Die Fachkräfte haben zusammen mit dem Chef die Hütte wieder schnell in gesundes Fahrwasser gebracht.
Das bleibt auch anderen nicht verborgen. Der zweite wichtige Pionier kommt nach Weißwasser: Joseph Schweig. Er gründet vier weitere Glashütten. Und es sollte weitergehen. Kein Wunder also, dass ein Reiseführer von 1908 Weißwasser als Beispiel beschreibt, wo man die amerikanische Entwicklung in Sachen Industrialisierung innerhalb weniger Jahrzehnte erleben kann. Denn relativ schnell werden aus hunderten Einwohnern zehntausend und aus dem verschlafenen Heidedorf, eine Gemeinde, die sich an die dritte Stelle in der preußischen Oberlausitz geschoben hat, erinnert Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext).
Und es geht noch weiter. „Joseph Schweig ist es zu verdanken, dass Weißwasser 1924 mit seinen elf Glashütten, 36 zum Teil zehnhäfigen Öfen und sechs Wannen als bedeutendster glaserzeugender Ort der Welt galt.“
150 Jahre Handwerk – das Glasmuseum lädt zu einer Sonder-Ausstellung ein
Glas aus Weißwasser
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Weißwasser

Ein bisschen Wehmut stellt sich in Weißwasser ein

„Auch wenn wir in unserer Stadt nicht immer mit allen zufrieden sind, nicht alles harmonisch erscheint“, sollte man den Tag gemeinsam feiern, „erinnert er, wo wir herkommen“, findet Christine Lehmann.
Spätestens hier zieht bei dem einen oder anderen etwas Wehmut durchs Gemüt, wohl wissend wie groß Weißwassers Glasindustrie mal war, dass es auch hier eine Glasfachschule gegeben hat. Dennoch spielt Glas weiterhin eine große Rolle in Weißwasser. Stölzle Lausitz, Telux und SpiegelArt halten die Fahne auch mit ihren Innovationen hoch.
Um so trauriger ist es, dass kein Vertreter dieser Firmen der Einladung zur Ausstellungseröffnung gefolgt ist, findet Christine Lehmann. Auch die Stadträte glänzen bis auf eine Person durch Abwesenheit.

Die Ausstellung

Das Glasmuseum Weißwasser ist für das 8. Internationale Symposium des gravierten Glases, den der gleichnamige Verein sowie die Glasfachschule in Kamenicky Senov ausgerichtet haben, Projektpartner.
Die Glasarbeiten wurden von Teilnehmern aus Litauen, Lettland, Bulgarien, Mazedonien, Finnland, Brasilien, Rumänien und Deutschland angefertigt.
„Gravur/modern“ ist bis zum 4. Juni zu folgenden Öffnungszeiten zu sehen: Dienstag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 13 bis 17 Uhr.