Es war schon fast ein Horrorvideo, das die beiden Dekra-Mitarbeiter da im Atelier des Kulturzentrums Gleis 3 in Lübbenau immer wieder zeigten. In Superzeitlupe sah man, wie ein Pkw mit Tempo 60 mit einem Fahrrad kollidiert, wie sich die lebensgroße Radfahrerpuppe über Motorhaube und Frontscheibe abrollt, der Kopf gegen die Dachkante prallt. Der Crash-Test-Dummy verdreht sich danach im Flug, sodass der Kopf auch noch auf der Straße aufschlägt.
Eine eindringlichere Werbung für das Tragen eines Helms beim Radfahren konnten sich die anwesenden Zuschauer wohl kaum vorstellen. Doch was der Kfz-Sachverständige Marcel Bogen nach der Vorführung des Videos, das in der Indoor-Crash-Test-Anlage der Dekra in Neumünster gemacht wurde, vermittelte, war kaum weniger alarmierend. Vor allem für Senioren, die ein E-Bike haben oder mit dem Gedanken spielen, eins zu erwerben oder zu verschenken.
Mit schockierenden Zahlen und Fakten über Fahrradunfälle wartete Marcel Bogen von der Dekra in Lübbenau auf.
Mit schockierenden Zahlen und Fakten über Fahrradunfälle wartete Marcel Bogen von der Dekra in Lübbenau auf.
© Foto: Daniel Preikschat
Laut dem Dekra-Verkehrssicherheitsreport unterschätzen ältere Menschen die enormen Beschleunigungs- und Bremsleistungen der Pedelecs nach wie vor, so Bogen. Gut die Hälfte der E-Bike-Fahrer, die im Jahr 2019 in Deutschland bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen, waren 75 Jahre oder älter. Dabei wurden 2019 insgesamt mehr als doppelt so viele E-Bike-Fahrer verletzt oder getötet (10.623) als 2017 (5.115).
Überrascht zeigten sich die Senioren in Lübbenau, dass nur außerorts meistens Kollisionen mit Pkws zu tödlichen Unfällen führen. Innerorts war es häufiger so, dass Radfahrer durch Stürze ohne Pkw-Kollision getötet wurden, also sozusagen ohne Fremdeinwirkung an zumeist unübersichtlichen Verkehrsbereichen.

E-Bikes in Lübbenau: Experte warnt eindringlich vor Gefahren

Bogen erklärte, warum Senioren beim Fahren von E-Bikes so aufpassen müssen: Ohne sich groß anstrengen zu müssen, können sie auf diesen Fahrrädern, die deutlich schwerer sind als herkömmliche Räder ohne Antrieb, Tempo 25 fahren. Gleichzeitig ist bei älteren Menschen die Gefahr aber viel größer, sich bei Unfällen schwer zu verletzen.
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Wer nach einem Sturz keine sichtbare Verletzung hat, aber Schmerzen verspürt, sollte sich unbedingt ärztlich untersuchen lassen, riet der Fachmann. Einblutungen im Gehirn können noch Tage nach einem Unfall zum Tod führen, so Marcel Bogen. Er rate Senioren dringend, beim Radfahren Helm zu tragen. Besser die Frisur sei ruiniert als die Gesundheit, hieß es an die Adresse gerade der Seniorinnen.

E-Bikes in Lübbenau: Helme – lästig oder cool?

Eine Auswahl an Helmen mitgebracht hatten an diesem Tag der Verkehrssicherheit in Lübbenau zwei Fahrradhändler. Zwischen 40 Euro und 170 Euro, sagte Michael Metzdorf, bewegen sich die Preise. Hoher Tragekomfort, geringes Gewicht, schickes Design, Lüftung und Visier ließen sich die Hersteller nun mal bezahlen. Doch auch Kollege Marko Vogl kann das Tragen eines Helms nur empfehlen. Mehrere Kunden berichteten ihm schon von Fahrradunfällen, die für sie nur deshalb glimpflich ausgingen, weil sie Helm trugen.
Fahrradhändler Marko Vogl (l.) und Michael Metzdorf.
Fahrradhändler Marko Vogl (l.) und Michael Metzdorf.
© Foto: Daniel Preikschat
Gerade Senioren, für die laut Dekra das Tragen eines Helms besonders wichtig wäre, sträuben sich jedoch am meisten, auch einen aufzusetzen, so beide Händler. Jüngere Fahrer hingegen, gerade auch Kinder, können sich mit Helmen durchaus anfreunden. Für manch einen gehören coole Helme zum Live-Style. Einige Modelle verfügen über LED-Bänder, Positionsleuchten, Blinker und können per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden. „Die ältere Generation“, sagt Metzdorf, „ist mit Fahrradhelmen nicht aufgewachsen, für sie sind sie oft gewöhnungsbedürftig.“

E-Bikes in Lübbenau: Kinder besorgt um ihre Eltern

Bodo Schütte, der mit Ehefrau Ingrid aus Senftenberg zum Tag der Verkehrssicherheit für Radfahrer nach Lübbenau gekommen ist, erzählt: „Ein Bekannter hat mir geraten, einen Fahrradhelm zu tragen.“ Erst habe er das abgelehnt. Fahrradhändler Metzdorf erlebt immer wieder, dass sich Senioren den Helm nicht selbst kaufen, sondern deren Kinder, die um die Sicherheit ihrer Eltern besorgt sind.
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Metzdorf und Vogel weisen gerade ältere Käufer auch auf die Unfallgefahr beim Fahren von E-Bikes hin. Sie wiegen acht Kilogramm mehr als ein herkömmliches Rad, erreichen aber mit viel weniger Muskelkraft Tempo 25. Das mache viel aus.
Auf Gefahren und Schutzmaßnahmen hinzuweisen, sei genau der Sinn des Aktionstages, sagt Kerstin König vom Lübbenauer Seniorenbeirat, der mit der Stadt Lübbenau, der Awo und dem Kulturzentrum Gleis 3 die Veranstaltung organisiert hatte. Wer Glück hatte, konnte dabei einen Fahrradhelm auch gewinnen. An der Tombola teilnehmen durfte allerdings nur, wer zuvor die Teststrecke abgefahren war. Mitglieder MC Lübbenau hatten die Hindernisse aufgebaut.
Die AWO bietet in Lübbenau eine Fahrradselbsthilfewerkstatt an.
Die AWO bietet in Lübbenau eine Fahrradselbsthilfewerkstatt an.
© Foto: Daniel Preikschat
Sicherheit vor Diebstahl und vor einer Panne hingegen boten die Fahrrad-Codierung der Polizei und die Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt der Awo. Die Werkstatt kann kostenlos immer donnerstags vor dem Awo-Bildungszentrum in der Alexander-von-Humboldt-Straße besucht werden.