Keine Impfpflicht für Pflegekräfte und Krankenhauspersonal im Kreis Bautzen? Der Landkreis Bautzen hat nach Äußerungen des Vize-Landrats Udo Witschas (CDU) klargestellt, dass die berufsbezogene Impfpflicht für Pflegekräfte und Krankenhauspersonal auch dort gelten wird. Die Landesdirektion Sachsen habe mit Blick auf Einträge in den sozialen Medien gebeten, die Aussagen Witschas’ einzuordnen, teilte das Landratsamt am Dienstag, 25. Januar, mit. Die durch den Bundestag beschlossene Impfpflicht werde umgesetzt – allerdings stehe die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle, hieß es.
Geprüft werde stets im Einzelfall. Witschas habe die Sorge vieler Beschäftigter entkräften wollen, dass für sie am 16. März automatisch ein Beschäftigungsverbot gelte. Der Rede seien Gespräche mit Vertretern von Kliniken, Wohlfahrtsverbänden und Rettungsdiensten vorausgegangen.
Vize-Landrat Witschas hatte am Montagabend vor Teilnehmern einer Corona-Demonstration in Bautzen gesagt: „Wenn Sie mich danach fragen, was das Gesundheitsamt des Landkreises Bautzen machen wird ab dem 16.3., dann werden wir, unser Gesundheitsamt, unseren Mitarbeitern im Landkreis Bautzen in der Pflege und im medizinischen Bereich kein Berufsverbot aussprechen.“ Ein Video davon kursiert inzwischen in den Kanälen der rechtsextremen „Freien Sachsen“.
Witschas fühlt sich nach Aussagen zur Impfpflicht falsch verstanden
Der Vize-Landrat Witschas fühlte sich am Dienstag mit Blick auf seine Aussage vom Vortag falsch verstanden. Es stehe außer Frage, dass der Landkreis als untergeordnete Behörde das Infektionsschutzgesetz einhalte, sagte der CDU-Politiker am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Landkreis könne das Gesetz als untergeordnete Behörde auch nicht außer Kraft setzen. „Aus den Gründen der Versorgungssicherheit, die müssen wir gewährleisten, können wir mit dem Datum 16.3. aus der heutigen Sichtweise kein Betretungsverbot aussprechen und damit wollten wir den Mitarbeiterinnen die Angst nehmen.“
Das Personal in der Pflege sei ohnehin schon knapp, sagte Witschas. Weitere Ausfälle könnten aus seiner Sicht dafür sorgen, dass die Belastung für die verbliebenen Mitarbeiter weiter steige. Daher hätten er und Landrat Michael Harig (CDU) sich die Frage gestellt, wie man mit dem Fall einer berufsbezogenen Impfpflicht ab dem 16. März umgehe. „Wir hatten auch die Angst, dass wir in einen Pflegenotstand kommen, wenn wir da zusehen, dass sich die Mitarbeiter aus Ängsten heraus zum 16.3. krank schreiben lassen oder selbst aus übereiltem Handeln kündigen. Das würde unser Pflege- und medizinischer Bereich nicht ohne weiteres verkraften.“
Neben Witschas äußert auch der Görlitzer Landrat Lange Bedenken hinsichtlich der Impfpflicht
Am Montag sind nach Polizeiangaben 2150 Teilnehmer bei drei angemeldeten Demonstrationen in der Bautzener Innenstadt unterwegs gewesen. Die Stimmung ist Beobachtern zufolge aufgeheizt. Gerade auch deshalb, weil in Anzeigenblättern in der Oberlausitz hunderte Stellenanzeigen von vermeintlichen Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen geschaltet worden waren, die offenbar gefälscht wurden.
Auch im Nachbarkreis Görlitz zeigte sich Landrat Bernd Lange (CDU) besorgt davon, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu Versorgungsproblemen führen könnte, wenn Angestellte ihren Job nicht mehr ausübten.
Landesregierung Sachsens kritisiert Bautzens Vize-Landrat Witschas
Die schwarz-grün-rote Koalition in Sachsen verurteilte Witschas' Äußerungen. Wirtschaftsminister und Vizeregierungschef Martin Dulig (SPD) nannte dessen Verhalten „inakzeptabel“. Es dürfe nicht zugelassen werden, „dass zu einem Rechtsbruch aufgerufen wird“, sagte Dulig am Dienstag in Dresden. Der stellvertretende Ministerpräsident sagte nach einer Kabinettssitzung, dass das Verhalten des Kommunalpolitikers inakzeptabel sei. Man dürfe nicht zulassen, dass zu einem Rechtsbruch aufgerufen werde - darin sei sich die Koalition einig.
„Herr Witschas belügt die Menschen. Er belügt die Menschen, indem er ihnen suggeriert, als könne er entscheiden, eine gesetzliche Regelung anzuwenden oder auch nicht“, sagte Dulig weiter. Witschas spiele mit Akzeptanz und dem Vertrauen, das gerade in diesen Zeiten so bitter notwendig sei. „Deshalb verurteilen wir das Verhalten von Herrn Witschas auf das Schärfste.“ Laut Angaben des Innenministeriums wurde Landrat Michael Harig (CDU) von der Landesdirektion zu einer Stellungnahme zu den Aussagen seines Stellvertreters aufgefordert.
Auch Landesgesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) sagte: „Grundsätzlich hat sich jeder Landrat an Recht und Gesetz zu halten.“ Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei ein Bundesgesetz. Versorgungssicherheit heiße nicht nur, dass Personal in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen da sein müsse, sondern dass die Bewohner auch „sicher“ sein müssten. Jedoch könnten eben auch Infektionen von Geimpften übertragen werden, was Kritiker dagegen dieses Argument ins Feld führen.
Aus Sicht des Bautzener Oberbürgermeisters Alexander Ahrens (SPD) waren die Aussagen des Vize-Landrats „nicht vertrauensbildend“. Man könne inhaltlich über eine Impfpflicht diskutieren. Witschas habe sich jedoch ohne Not eindeutig positioniert. „Es ist sachlich falsch, was er sagt“, sagte Ahrens. Die Aussagen seien eine klare Ankündigung, geltendes Recht zu brechen.
Der Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion für Regionalentwicklung, Thomas Thumm, hingegen sagte am Dienstag, dass alle Landkreise nach dem Vorbild des Landkreises Bautzen von der Durchsetzung der Impfpflicht absehen sollten. Schon ein Verlust von fünf bis zehn Prozent der Pflegekräften führe zu einem gravierenden Versorgungsnotstand.
Bautzener Landrat Michael Harig in Landesdirektion einbestellt
Das Land arbeite ferner an einem Erlass, in dem „Ermessensspielräume“ geregelt würden, die ein Landrat dann prüfen könne, sagt Köpping in Dresden. Der Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) wurde demnach in die Landesdirektion einbestellt, welche die Rechtsaufsicht hat, um dort Stellung zu nehmen.
Zuvor hatte Harig, der im Sommer nicht mehr als Landrat bei der anstehenden Wahl antritt, in einem Brief an den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) gefordert, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht verschoben oder komplett aufgehoben werden solle. „Gesetzliche Regelungen sollten nur dann getroffen werden, wenn deren Umsetzung machbar und damit verbundene Ziele erreichbar sind. Beides ist nicht gegeben“, schrieb Harig in dem am Montag veröffentlichten Brief.
Wirksamkeit der Impfung wird nicht bezweifelt
Zugleich betonte Michael Harig, damit solle die Wirksamkeit der Impfung als Instrument der Pandemiebekämpfung keinesfalls in Zweifel gezogen werden. Die Gesundheitsämter müssten jedoch bei der Umsetzung der Impfpflicht Rücksicht auf die Versorgungssicherheit der zu pflegenden und zu betreuenden Mitmenschen nehmen. Angesichts der ohnehin angespannten Personallage in der Pflege sei selbst ein Verlust von rund zehn Prozent durch die Impfpflicht nicht zu kompensieren.
Unterstützung erhielt Harig am Dienstag von der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag. Alle Landkreise sollten von der Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen absehen, betont Landtagsfraktionssprecher Thomas Thumm (AfD).
In Bautzen gehen Kritiker der Corona-Impfung und der Corona-Einschränkungen wie an vielen anderen Orten Sachsens und in anderen Bundesländern seit Wochen auf die Straße. Dabei kam es auch schon zu Angriffen auf Polizisten.
In Sachsen sind derzeit nach Angaben von Gesundheitsministerin Petra Köpping nur rund 65 Prozent der etwa 300.000 Arbeitskräfte im medizinischen und pflegerischen Bereich geimpft. Darüber hatte sich Köpping bereits in der Vergangenheit besorgt gezeigt.
Kritisches Echo aus den Parteien zu Witschas Impfpflicht-Äußerungen
Linken-Bundestagsabgeordnete Caren Lay, die den Kreis Bautzen in Berlin vertritt, verurteilt die Aussagen des Vize-Landrates in Bautzen, der Gerüchten zufolge selbst die Nachfolge von Michael Harig bei der Landratswahl antreten wolle und im März nominiert werden soll. Witschas sei „praktisch einen Bund mit den rechten Demonstranten eingegangen“, so Lay. Die Görlitzer Landtagsabgeordnete Franziska Schubert (Grüne) nennt es einen „Rechtsbruch mit Ansage“. Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz nennt den gesamten Vorgang in Bautzen „eine Steilvorlage für Querdenker“.
Bundestag diskutiert heute über Corona-Impfpflicht
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen zeigt sich zuversichtlich hinsichtlich einer breiten Einigung zur Impfpflicht im Bundestag. Er sei optimistisch, dass die Argumente der Befürworter so gewichtig seien, dass sie am Ende überzeugen könnten, sagte Dahmen der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Der Bundestag diskutiert heute, am Mittwoch (26.01.), im Rahmen einer Orientierungsdebatte erstmals über die Impfpflicht.
Dahmen befürwortet eine allgemeine Impflicht ab 18 Jahren, sieht aber "große Übereinstimmung" mit dem Vorstoß des FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann, der ein Modell zur Impfpflicht ab 50 vorgeschlagen hat. Dahmen sprach dabei von den möglichen Sanktionen zur Durchsetzung der Impfpflicht und der Frage eines Impfregisters, dessen Einführung zur Durchsetzung der Impfpflicht er nicht befürwortet. Bei der Frage, ob die Impfpflicht auf eine bestimmte Altersgruppe beschränkt werden solle oder nicht, müsse aber geklärt werden, ob die jeweilige Regelung verhältnismäßig und wirkungsvoll sei.
Ablehnend äußerte sich Dahmen zu dem Vorschlag Ullmanns, die Impfpflicht mit einer Beratungspflicht zu verbinden. Er bezweifle, dass dies den gewünschten Erfolg bringt, sagte der Grünen-Politiker. Ausgeweitet und intensiviert werden sollten stattdessen freiwillige Angebote und der generelle Anspruch auf Beratung.