Es ist eine Gewissensfrage: Soll die klamme Stadt Cottbus die Brache an der Stadtpromenade kaufen? Und das auch noch zu einem überzogenen Preis? Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) ist bereit, diesen Schritt zu gehen. Das bringt erstmals seit langem das Stadtparlament in Zugzwang.
Bisher hatten die Abgeordneten in der jahrelangen Misere stets mit dem Finger auf das Rathaus gezeigt. Nun fürchten die Lokalpolitiker, dem viel gescholtenen Investor den Abgang aus Cottbus zu vergolden. Und entscheiden sich doch zähneknirschend genau dafür.

Vom einstigen Stolz der Bezirksstadt zur Brache

Eigentlich kennen die Stadtverordneten die Meinung der Cottbuser. Kaum einer kann den Zustand der Stadtpromenade ertragen. Dabei war sie einst der ganze Stolz der Bezirksstadt. Nicht umsonst steht das Ensemble aus den 1970er-Jahren unter Denkmalschutz.
Doch die Hälfte davon ist verschwunden, weil sie seit den 1990er-Jahren ungenutzt nur noch vor sich hin gammelte. An ihrer Stelle steht heute ein uninspirierter Zweckbau. Die Pläne waren hochfliegend. Die Einkaufspassage sollte einen Anbau erhalten. Dafür wurden die schönsten Bilder gemalt. Doch den ungezählten Ankündigungen seit dem Jahr 2008 folgten nie die Bagger. Stattdessen wuchert die Brache.

Cottbus bezahlt einen alten Fehler mit fünf Millionen Euro

Die Cottbuser sind von diesem Zustand genervt – freundlich ausgedrückt. Doch bislang hatten weder die Stadt, noch das Parlament eine Handhabe. Denn das Grundstück gehört der EKZ Stadtpromenade Cottbus GmbH. Gekauft hatte es deren Partnergesellschaft Gepro Bau GmbH im Jahr 2006 von der Treuhand. Die Stadt Cottbus erstickt damals fast am eigenen Schuldenberg und lässt eine Vorkaufsoption ungenutzt verstreichen. Ein Fehler.
Diesen Fehler bezahlt Cottbus nun teuer: mit 5,1 Millionen Euro. Das Stadtparlament stimmt am Mittwoch in einer eilig anberaumten Sondersitzung dem Vorstoß von Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) zu. Die städtische Immobiliengesellschaft GWC soll die EKZ GmbH samt Grundstück zu kaufen. In fünf Jahren – so der kühne Plan – will die Stadt Gesellschaft und Grundstück von der Gebäudewirtschaft zurückkaufen. Dafür gibt es den Segen vom städtischen Oberfinanzer Markus Niggemann (CDU). Der Kämmerer versichert: „Aus heutiger Sicht bin ich sehr optimistisch, dass Cottbus das Grundstück dann zurückkaufen kann.“
Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) setzt sich mit seinem Vorstoß zur Cottbuser Stadtpromenade durch.
Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) setzt sich mit seinem Vorstoß zur Cottbuser Stadtpromenade durch.
© Foto: Michael Helbig

GWC-Chef: Der Preis ist leistbar

Den Abgeordneten ist klar, dass es sich bei den 5,1 Millionen Euro um einen politischen Preis handelt, der wenig mit dem eigentlichen Wert des Grundstücks zu tun hat. Der Eigentümer pokert. Die gegenseitige Abneigung zwischen dem Geschäftsführer der EKZ GmbH und dem Stadtparlament versteckte zuletzt keine der beiden Seiten.
Allein deshalb hegen viele Abgeordnete Bedenken. Daran ändert auch die Garantie von Sebastian Herke nichts. Der technische Geschäftsführer der GWC betont die gleichermaßen hohe Bonität und Eigenkapitalquote der kommunalen Gesellschaft. „Der Kauf ist leistbar.“ Doch aus wirtschaftlicher Sicht sei das Grundstück für die GWC nicht attraktiv.

Zahlt Cottbus letztlich 900 Euro für den Quadratmeter?

Genau das lässt die Kritiker aufhorchen. Die größte Gegenwehr kommt von den Konservativen. Joachim Käks hatte selbst jahrelang den Posten von Sebastian Herke bei der Gebäudewirtschaft inne, bis er im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen seinen Posten zur Jahrtausendwende verliert. Der CDU-Mann rechnet vor, dass ein realistischer Preis für das Grundstück auf Grundlage des Bodenrichtwertes von 430 Euro je Quadratmeter bei gut drei Millionen Euro läge. Zu den geforderten 5,1 Millionen Euro kommen nach seinen Worten noch bis zwei Millionen Euro obendrauf für den nötigen Abriss. Damit klettere der Kaufpreis letztendlich auf einen Quadratmeterpreis von 900 Euro. „Dieser Preis ist durch nichts untersetzt oder begründet.“
Dagegen erinnert Matthias Loehr an die Fehler der Vergangenheit. Dazu gehörte eben nicht nur der verpasste Kauf des Grundstücks im Jahr 2006 durch die Stadt, sondern auch die Verlängerung des Bebauungsplans für das Grundstück im Jahr 2015 durch das Parlament. „Uns gefällt diese Variante auch nicht“, gibt der Fraktionschef der Linken zu. Doch den hohen Preis müsse die Stadt nun angesichts fehlender Alternativen zahlen. Für die Grünen hat die Entscheidung gar historische Tragweite. Hans-Joachim Weißflog erklärt: „Nach 34 Jahren können wir über die Brache oder das Filetstück mitentscheiden.“

Die Entscheidung im Cottbuser Stadtparlament fällt deutlich aus

Zwischen diesen Argumenten hin- und hergerissen befragte die Wählergruppe Unser Cottbus (UC) gar die Cottbuser. In einer kurzfristig online gestellten Umfrage auf Facebook wollten sie sich ein Bild von der Meinung ihrer Wählerschaft machen. Die Antwort ist freilich nicht repräsentativ, aber deckt sich letztlich fast mit dem Ergebnis im Stadtparlament. Bei sechs Enthaltungen entscheiden sich 29 Abgeordnete für den Kauf und zwölf dagegen.
Damit kann Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) in die Verhandlungen mit der EKZ GmbH gehen. Nach dem Kauf soll auf dem Grundstück zügig Ordnung geschaffen werden. Vor der Abstimmung hatte das Stadtoberhaupt die Parlamentarier noch einmal beschworen: „Am heutigen Tag haben wir endlich die Chance mitzuentscheiden. Das wollen die Cottbuser seit langer Zeit.“
Wie es auf der Brache weitergehen soll, ist Thema einer neuen Debatte.