- Wie sieht die Corona-Situation aktuell in Sachsen aus?
- In einer Online-Konferenz kamen dazu am Donnerstagabend Experten aus verschiedenen Gebieten zusammen
- Michael Kretschmer, Sachsens Ministerpräsident wollte in dem Rahmen keine Entwarnung geben
- In keinem anderen Bundesland haben die Sterbefälle so stark zugenommen wie im Freistaat
Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sieht erste kleine Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie - gibt aber keinerlei Entwarnung. Die Erfolge seien nicht so, wie sie sein müssten, um die Krankenhäuser zu entlasten, sagte er am Donnerstag in einer Online-Konferenz. Die Zahl der knapp 9000 Neuinfektionen am Donnerstag sei um etwa 3000 niedriger als vor einer Woche. Dennoch sei sie noch immer um den Faktor zehn zu hoch. Kretschmer verglich die Lage im Freistaat mit der in Bayern und Österreich, wo im November zur etwa gleichen Zeit starke Einschränkungen erlassen wurden. „Unsere Maßnahmen haben nicht so gewirkt wie in Bayern und Österreich“, räumte der Ministerpräsident ein.
Youtube Die Online-Konferenz zur Corona-Lage in Sachsen
Eckart von Hirschhausen warnt vor Long Covid
Für das Impulsreferat hatte Kretschmer den Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen geladen. Er sprach sich dafür aus, Long Covid – die Langzeitfolgen einer Covid-Erkrankung – stärker in den Blick zu nehmen. Long Covid sei immer noch ein blinder Fleck, der Fokus liege auf der aktuellen Pandemie-Welle. Doch hinter jeder lauten Welle gebe es eine stille Welle. „Es gibt viele, die nicht wirklich genesen.“ Nach Schätzungen habe jeder zehnte Erkrankte mit Spätfolgen zu kämpfen. Auch junge Menschen und Kranke mit einem leichten Verlauf seien betroffen. Long Covid sei nicht nur eine Lungenerkrankung - auch andere Organe und das Hirn seien betroffen.
Hirschhausen warb eindringlich für das Impfen und warnte vor Falschinformationen. „Jeder hat ein Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten.“ Einzelschicksale seien für Menschen viel wichtiger als Statistiken. Menschen, die gegen alles sind, werde man aber nicht erreichen. Die seien aber in der Minderheit. Es sei wichtig, mehr die „schweigende Mehrheit“ zu Wort kommen zu lassen.
Klinikum in Sachsen kurz vor der Triage
Marcel Koch, Geschäftsführer des Erzgebirgsklinikums, berichtete von der dramatischen Situation an den vier Standorten des Klinikums. Vor wenigen Tagen habe man kurz vor der Triage gestanden - der Situation, bei der Mediziner wegen knapper Ressourcen entscheiden müssen, wem zuerst geholfen wird. Man habe diesen Zustand nur deshalb nicht erreicht, weil Patienten auf der Intensivstation gestorben sind.
Wegen Corona: Bundesweit stärkster Anstieg der Sterbefälle in Sachsen
In keinem anderen Bundesland ist die Zahl der Sterbefälle während der Corona-Pandemie so stark gestiegen wie in Sachsen. Im Zeitraum vom Pandemiebeginn im März vergangenen Jahres bis zum Februar dieses Jahres starben im Freistaat 65 649 Menschen, wie aus am Donnerstag veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervorgeht. Im Vergleich zum Zeitraum von März 2019 bis Februar 2020 waren es demnach 10 464 Tote mehr. Die Zahl der Sterbefälle erhöhte sich damit um 19 Prozent.
„Von März 2020 bis Mitte November 2021 sind in Deutschland mehr Menschen verstorben, als unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre“, sagte der Vizepräsident des Amtes, Christoph Unger, in Wiesbaden. Die Corona-Pandemie habe zu einer sogenannten Übersterblichkeit geführt.
2020 starben bundesweit fünf Prozent mehr Menschen als 2019. Allein aufgrund der Alterung der Bevölkerung wäre nur ein Anstieg der Sterbefallzahlen um zwei Prozent zu erwarten gewesen. Betrachtete man die ersten zwölf Monate der Pandemie - März 2020 bis Februar 2021 - starben sogar 7,5 Prozent mehr Menschen als im Vorjahreszeitraum.
Die Todesursachen-Statistik gibt Aufschluss, wer 2020 an und wer mit Corona gestorben ist. Laut Destatis starben knapp 40.000 Menschen an Covid-19 als Grundleiden, bei gut 8000 war Covid-19 als Begleiterkrankung auf der Todesbescheinigung verzeichnet.