Wer viele Jahre gearbeitet, aber stets wenig verdient hat, soll von 2021 an eine Grundrente bekommen, die über der Grundsicherung im Alter liegt. Darauf haben sich Union und SPD am Sonntag verständigt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zufolge muss niemand dafür einen Antrag stellen. Der individuelle Zuschlag wird mit Hilfe der Finanzämter von der Rentenversicherung ausgerechnet und von 2021 an automatisch ausgezahlt. Viele Details sind noch offen.
Wer bekommt die Grundrente?
Wer 35 Jahre lang Beiträge gezahlt hat und eine Rente bekommt, die geringer oder kaum höher ist als die Grundsicherung im Alter, kann künftig auf eine Grundrente hoffen. Zu den Beitragsjahren zählen Kindererziehungszeiten, die Pflege von Angehörigen und Krankheitszeiten. 85 Prozent der Grundrentner werden voraussichtlich Frauen sein. Im Osten werden anteilig mehr Rentner und Rentnerinnen von dem Zuschlag profitieren als im Westen.
Wie hoch ist die Grundrente?
Der Zuschlag wird individuell berechnet und kann zwischen wenigen Euro und etwa 400 Euro im Monat liegen. Die Berechnung ist kompliziert und richtet sich nach den selbsterworbenen Rentenansprüchen und der aktuellen Lebenssituation. Im Kern werden für den Zeitraum der 35 Jahre die durch die Beiträge in dieser Zeit erworbenen Entgeltpunkte aufgewertet. Sie sind entscheidend für die Höhe der eigenen Rente und damit auch der Grundrente. Das Bundesarbeitsministerium hat errechnet, dass eine Friseurin mit eine Rente von knapp 530 Euro im für sie günstigsten Fall auf knapp 935 Euro Grundrente kommen kann.
Die durchschnittliche Grundrente liegt schätzungsweise zwischen 70 und 80 Euro im Monat. Das ergibt sich aus den vereinbarten Gesamtausgaben von 1,5 Milliarden Euro im Jahr und der Zahl von 1,5 Millionen möglichen Grundrentnerinnen und -rentnern. Es stünden also für jede Person rein rechnerisch 1.000 Euro im Jahr zur Verfügung. Über die tatsächliche Höhe der individuellen Grundrente sagt das aber nichts aus.
Was schmälert die Grundrente und wer bekommt sie nicht?
Minijobberinnen und -jobber bekommen den Zuschlag nicht, weil ihre Rentenbeiträge unter der festgelegten Mindesthöhe für die Grundrente liegen. Wer neben der gesetzlichen Rente andere Einkünfte hat, bekommt die Grundrente ebenfalls nicht, wenn diese zu hoch sind.
In der Praxis dürfte dafür der Freibetrag für Ehepaare von 1.950 Euro im Monat entscheidend werden. Wenn ein Paar zusammen höhere Einkünfte hat, wird alles über 1.950 Euro auf die Einkünfte der grundrentenberechtigten Person (in der Regel die Frau) angerechnet und mindert die Grundrente - um welchen Prozentsatz ist noch offen. Bei entsprechend hohen Einkünften fällt die Grundrente ganz weg. Die Einkommensprüfung und -anrechnung soll verhindern, dass die vielzitierte Zahnarztgattin mit kleiner eigener Rente trotz hoher Einkünfte des Paares zusätzlich eine Grundrente bekommt.
Zu den Einkünften zählen das zu versteuernde Einkommen, der steuerfreie Anteil der gesetzlichen Rente und Kapitalerträge. Wie Kapitallebensversicherungen einbezogen werden, ist noch offen.
Wie viel darf man dazuverdienen?
Für Singles gilt ein Freibetrag von 1.250 Euro im Monat (für Paare 1.950 Euro). Ein alleinlebender Rentner, der Anspruch auf die Grundrente hat, kann also im Jahr bis zu 15.000 Euro zu versteuerndes Einkommen dazuverdienen. Auch ein selbstbewohntes Haus schmälert die Grundrente nicht.
Was verbessert sich für Grundsicherungs-Empfänger?
Rentnerinnen und Rentner, die auf die Grundsicherung im Alter (im Durchschnitt rund 800 Euro im Monat) angewiesen sind, sollen ebenfalls profitieren. Sie sollen künftig bis zu 212 Euro von ihrer eigenen Rente behalten können.
Schmälert die Grundrente das Wohngeld?
Die Koalition will für Wohngeldempfänger einen Freibetrag einführen, damit die Grundrente nicht vollständig als Einkommen zählt und das Wohngeld entsprechend schmälern würde.
Wie sehen die Reaktionen in Brandenburg und Sachsen aus?
Bei der Brandenburger Linken herrscht Skepsis. „Die Richtung stimmt, aber damit wird das Grundübel nicht an der Wurzel gepackt“, teilte Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg am Montag in Potsdam mit. Die Altersarmut als gesellschaftliches Problem bleibe bestehen. „Denn viele Brandenburgerinnen und Brandenburger kommen auf Grund ihrer gebrochenen Erwerbsbiografien gar nicht auf 35 Beitragsjahre.“
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat den Kompromiss begrüßt. „Das freut mich sehr - und vor allem rund 1,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner, die bundesweit künftig eine zumindest etwas höhere Rente bekommen werden.“ Davon könnten vor allem Ostdeutsche profitieren.
Sachsens SPD-Landesvorsitzender Martin Dulig hat den Grundrenten-Kompromiss der Koalitionsspitzen auf Bundesebene begrüßt. Die Grundrente sei eine „vernünftige Einigung“ und ein „wichtiger sozialpolitischer Meilenstein“, sagte der Politiker am Montag in Dresden. Nun gebe es mehr Gerechtigkeit für die Rentner, gerade auch in Ostdeutschland. „Im Osten haben viele Menschen besonders lange gearbeitet, haben aber wegen niedriger Löhne und häufigerer Arbeitslosigkeit oft deutlich geringere Rentenansprüche und erhalten so nur Geld aus der Grundsicherung.“
Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie begrüßen die Einigung der Koalitionsparteien im Streit um die Grundrente. "Menschen müssen sich auf das Kernversprechen verlassen können, nach jahrzehntelanger Einzahlung in die Rentenversicherung eine Absicherung im Alter zu erhalten, die ihrer Lebensleistung gerecht wird", sagte der Präsident des katholischen Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher