Vier Mal schon sei er in Cottbus gewesen, erzählt der ukrainische Regisseur Antonio Lukich bei der Eröffnung im Staatstheater - und in diesem Jahr dann zum ersten Mal in Venedig. Sein Film „Luxembourg, Luxembourg“, der im September beim Filmfest am Lido in der Reihe Orizzonti lief und nun die diesjährige Festivalausgabe in Cottbus eröffnen darf, ist ein Film über das Reisen - auch wenn es eher eine Reise zu sich selbst ist.
Reisen hatte schon der Dresdner Musiker Felix Räuber (“Polarkreis 18“) bei der Eröffnung thematisiert, auch wenn es in seinem Fall eine Reise durch die Lausitz ist. Anlässlich von zwei Episoden zum Doku-Serie „Wie klingt Heimat?“ in der er sich auf die Suche nach den Klängen der Lausitz macht, hat er neue Songs geschrieben, die er gemeinsam mit lokalen Akteurinnen und Akteuren präsentiert.
„Finally Home“ ist einer der Titel. Und auch Gerhard Gundertmann kommt mit dem unveröffentlichten „Lied der Raumschiffe und Kosmonauten“ zu Gehör, und dazu gibt es Bilder aus Hoyerswerda. Und auch wenn sich in früheren Jahren schon mehr Politiker auf den Weg nach Cottbus gemacht hatten als allein Wirtschafts-Staatssekretär Hendrik Fischer, hieß es im vollbesetzten Staatstheater endlich wieder: Willkommen auf dem Raumschiff Filmfestival.
Eine Reise im Volvo nach Luxemburg
Das bietet mit 219 Filmen aus 48 Produktionsländern wieder einmal die Chance für weite Reisen in Gedanken. Und auch die beiden Zwillingsbrüder Kolya und Vasya, die im Zentrum des autobiografisch geprägten Films von Antonio Lukich stehen, kommen tatsächlich irgendwann nach Luxemburg, in Kolyas altem Volvo, auf den er so stolz ist und mit dem man aber leider in Luxemburg nirgendwo einen Parkplatz bekommt. Aber in der malerischen Kleinstaat-Kapitale sehen sie nicht viel mehr als ein tristes Krankenhaus, und ein Restaurant, in dem die Kellner hingebungsvoll „O sole mio“ schmettern. Und Doris Majdanuk, die Festivaldolmetscherin, die auch den Eröffnungsabend übersetzt, hat einen denkwürdigen Auftritt als Konsulatsangestellte.
Eine Komödie hatte Bernd Buder, der Cottbuser Festivalprogrammchef, versprochen, auch wenn der Regisseur vorsorglich von einem „sehr langweiligen Film“ tiefgestapelt hatte. Das war „Luxembourg, Luxembourg“ nun allerdings beides nicht, weder der ultimative Gute-Laune-Film zum Festivalauftakt noch in irgendeiner Weise langweilig – auch wenn man ihm anmerkt, wie sehr der Regisseur seine Charaktere liebt und wie ungern er sich von ihnen trennt.
Die Geschichte der beiden ungleichen Brüder, der eine ordnungstreuer Polizist, der andere Kleinganove mit Talent zu alltäglichen Katastrophen und Missgeschicken, ist ein anrührendes Brüder-Freundschaftsdrama, in dem über das, was am allerwichtigsten ist, am besten überhaupt keine Worte verloren werden, auch wenn die Tonspur Kolyas Dauermonolog wiedergibt. Wenn am Ende das Rätsel um den verlorenen Vater aufgelöst wird, ist das weder ein Happy End noch eigentlich überhaupt ein Ende.
Aber, das macht der Abspann mit einem Dank an den Vater des Regisseurs und die herzzerreißende bosnische Musik, die auch im Film von Kassette erklingt deutlich, es ist eine Art von Frieden, die Kolya findet, mit sich, und mit seiner Familie. Und das ist viel mehr, als die Ukraine aktuell erhoffen kann. „Eine Erinnerung an ein Land, das noch existiert“, hat Lukich sene Filmbotschaft genannt.
Dass das 32. Festival des Osteuropäischen Films mit einem ukrainischen Beitrag eröffnet – das ist in der aktuellen politischen Situation so naheliegend wie verständlich – dem ukrainischen Filmschaffen ist am Freitag ein ganzer Tag mit 13 Beiträgen gewidmet, Ukranische Geflüchtete haben an diesem Tag die Möglichkeit, die Filme mit Vorlage ihres Reisepasses umsonst zu sehen. Bernd Buder würdigt das Land als „eines der kreativsten Filmlandschaften Europas“.
Gleichzeitig passt es zu einem Festival, das immer gern den Focus auf bislang unterschätzte Filmländer gelegt hat, das in diesem Jahr noch einmal das traditionell immer starke rumänische Filmschaffen in den Vordergrund hebt und auch das Nachbarland Polen wieder mit besonderer Aufmerksamkeit bedenkt. Und wer hätte gedacht, dass sich der neue Festivalschwerpunkt Ecoeast, der speziell Filme zu ökologischen Themen und Nachhaltigkeit ins Programm rückt, ausgerechnet mit einem starken Georgien-Anteil aufwarten würde?
Schwieriger Umgang mit russischen Filmen
Filme über Russland werden gezeigt, von russischen Filmschaffenden aber nicht - bis auf eine Dokumentarfilmerin. So läuft im Programm der laut Buder unabhängige Dokumentarfilm „The Case“ der russischen Regisseurin Nina Guseva über eine Menschenrechtsanwältin, die einen Anti-Putin Demonstranten verteidigt. Buder macht klar: „Es ist überhaupt nicht an der Zeit, russisches Kino zu feiern.“ Die Entscheidung dafür sei im Team eindeutig gewesen. Gleichwohl macht Buder keinen Hehl daraus, dass die Einschätzung als Kulturinstitution nicht einfach gewesen sei. Immerhin werde ein Land boykottiert, das Festival verstehe sich andererseits nach wie vor als Ort des Dialogs. Widersprüche aushalten, das könne man von den Filmen lernen, und „reden, reden, reden“. Dazu wird in den nächsten Festivaltagen jede Menge Gelegenheit sein. (mit dpa)
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