Es sind Jugendliche, wie es sie wohl zu allen Zeiten und überall auf der Welt gibt. Sie feiern und testen ihre Grenzen aus, sie ver- und entlieben sich, sie suchen nach Sinn oder auch nur nach dem eigenen Stil. In „Metronom“ kann man ihnen dabei zusehen, wie sie sich durch diese aufregende und schwierige Lebensphase am Ende der Schulzeit kämpfen, im Bukarest des Jahres 1972. Der Film läuft auf dem Filmfestival Cottbus im Hauptwettbewerb für lange Spielfilme.

Feindbild westliche Musik

Die Besonderheit in „Metronom“ sind natürlich die politischen Vorzeichen, unter denen die vorgestellte Clique rumänischer Jugendlicher erwachsen wird. Denn wer in dem sozialistischen Land unter Diktator Nicolae Ceausescu nur etwas zu laut westliche Popmusik hört, wer sich in privaten Zirkeln trifft und feiert, wer dabei in alkoholgeschwängerter Stimmung auch nur systemkritische Witze erzählt, der kommt allzu leicht mit der gefürchteten Securitate in Berührung. Und schon kann ein gerade erst erträumter Lebensweg im Verhörzimmer zu Nichte gemacht werden.
Empfohlener Inhalt der Redaktion

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich diesen mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt

Sie erklären sich damit einverstanden, dass Ihnen externe Inhalte von Youtube angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.

Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Offiziere des rumänischen Staatssicherheitsdienstes nutzen die emotionalen Schwächen und die mangelnde Erfahrung der vermeintlichen Delinquenten schonungslos aus, die ziehen alle Register auf der Skala aus roher körperlicher Gewalt und psychologischem Druck auf der einen Seite bis hin zu verlockenden Versprechungen auf der anderen.

Eine Romanze unter widrigen Umständen

Regisseur Alexandru Belc, Jahrgang 1980, erzählt von dieser Zeit am tragischen Beispiel eines jugendlichen Paares, das durch die politischen Umstände auseinandergetrieben wird. Der Film, um es vorwegzunehmen, entlässt seine Protagonisten aber keineswegs aus der Verantwortung für ihr eigenes Schicksal. Es geht hier auch um Moral, Vertrauen, Aufrichtigkeit und integeres Verhalten.
Ana (Mara Bugarin) und Sorin (Serban Lazarovici) sind dieses komplizierte Schülerpaar, das eigentlich noch ganz am Anfang steht. Doch Sorin will das Land Richtung Westen verlassen, er sitzt praktisch schon auf gepackten Koffern. Ana ist verzweifelt, sie sucht Rat bei einer Freundin, sie zieht sich zurück, und sie versucht mit allen Mitteln, Sorin ein Bekenntnis zu dieser Beziehung zu entlocken.
Die Beziehung von Sorin (Serban Lazarovici) und Ana (Mara Bugarin) wird inszeniert als ein einziger langer und schmerzvoller Abschied.
Die Beziehung von Sorin (Serban Lazarovici) und Ana (Mara Bugarin) wird inszeniert als ein einziger langer und schmerzvoller Abschied.
© Foto: Pyramidefilm
Das Bindeglied in ihrem Freundeskreis ist die Musik: Ana, Sorin und ihre Freunde hören verbotenerweise Ausstrahlungen von „Radio Free Europe“, sie schwärmen für Led Zeppelin, Jimi Hendrix, Janis Joplin und die Doors. Als reales Vorbild für den Film diente die Geschichte des rumänischen Radiomoderators Cornel Chiriac (1942-1975), der sein Land verließ und von München aus für „Radio Free Euroe“ gen Osten sendete.
Der Musik wird hier eine revolutionäre Kraft zugeschrieben. Doch diese Vorliebe wird sie, wie angedeutet, auch in Bedrängnis bringen. Und plötzlich geht es für diesen Kreis von Freunden darum, wer Haltung zeigt und wer mit Blick auf den eigenen Vorteil andere verrät.

Authentisches 70er-Jahre-Flair

Regisseur Belc arbeitet mit sehr guten Darstellern und einem sorgsam umgesetzten Produktionsdesign. Die Szenerien verströmen sozialistisches, osteuropäisches 70er-Jahre-Flair pur. An den Straßenszenen mit allgegenwärtigen Dacia-Autos und den Interieurs mit schummerigen, entsättigten Farben kann man sich ebenso wenig sattsehen wir an der Kleidung der Protagonisten.
Wettbewerbsbeitrag "Chleb I Sól" erzählt von Rechtsextremismus in Polen
Filmfestival Cottbus 2022
Wettbewerbsbeitrag „Chleb I Sól“ erzählt von Rechtsextremismus in Polen
Cottbus
Mit der von Mara Bugarin gespielten Ana ist eine glaubwürdige Figur entstanden, die den Heldinnen legendärer anderer Coming-of-Age-Filme in nichts nachsteht – und auch schon rein äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Sophie Marceau in dem französischen Klassiker „La Boum – Die Fete“ von 1980 hat. Fast möchte es so scheinen, als habe Belc sich jenen Streifen zum Vorbild genommen, um quasi einen Gegenpart über das Aufwachsen in der unfreien Hälfte Europas zu erschaffen. Dafür spricht auch die Anlage der Handlung mit einer großen Feier als zentralem Element. „Metronom“ ist ein starker Film über das Heranwachsen unter menschenfeindlichen Bedingungen.
„Metronom“, RO/FR 2022, 102 Minuten, Donnerstag (10.11.), 22 Uhr, Stadthalle, Freitag (11.11.) 10 Uhr, Weltspiegel Saal 2; Infos: www.filmfestivalcottbus.de