Satire an: Kaum hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz in den Urlaub verabschiedet, wird sein Appell für mehr Toleranz und Respekt für unterschiedliche Lebenswege und mehr Gelassenheit im Umgang miteinander südlich von Berlin auf eine harte Probe gestellt. Eine Löwin durchstreift Wälder und Wiesen rund um Kleinmachnow, und setzt an zum Sprung in die Hauptstadt.
Michael Grubert, Bürgermeister der Gemeinde Kleinmachnow, äußert vor laufender Kamera, dass er sich durchaus vorstellen könne, wie manch Berliner und Brandenburger nun denke: „Ja, klar, das reiche Kleinmachnow wieder – gut möglich, dass da jemand eine Löwin hält“.
Der Ruf der Wildnis: Gut gebrüllt, Löwe!
Als ernstzunehmende Indizien werden eine (!) umgestürzte Mülltonne und mehrere ramponierte Autos gedeutet. Ein formvollendeter Jaguar fiel der vermeintlichen Löwin dabei offensichtlich nicht zum Opfer. Ein kampfbetont-nächtlicher Raubkatzenjammer vor der eigenen Haustür hätte die stolzen Besitzer der Nobel-Karossen mit Sicherheit aus dem Schlafsessel gerissen.
Apropos: Die mutmaßliche Löwin soll zudem eine waschechte Wildsau gerissen und komplett verspeist haben. Ein derart blutrünstiges Schauspiel hinterlasse für gewöhnlich Spuren. Nur eben nicht in Kleinmachnow, befürchten Skeptiker. Und auch sonst finden sich weit und breit kein verletzt verendeter, einheimischer Schwarzkittel oder andere bedauernswert schweinische Überreste. Da hat das Schwein wohl Schwein gehabt. Denn vorsätzlich lupenreine Tatortreinigung kann man selbst Raubkatzen trotz nachgesagter Reinlichkeit beim besten Willen nicht unterstellen.
Löwen-Apotheken geraten ins Visier der Suchtrupps
Ungeklärt ist bislang, ob möglicherweise einer der angrenzenden „Löwen-Apotheken“ in Spandau, Reinickendorf, Friedrichshain oder Potsdam das Maskottchen/Hauskätzchen in der Nacht zum Donnerstag abhandengekommen ist.
Schadenfrohes Schulterzucken bei den Berufskollegen in der „Elefanten-Apotheke“ Adlershof: „Augen auf bei der Namensgebung und den damit verbundenen Konsequenzen prestigeträchtiger Tierhaltung“, kichert man sich ins Fäustchen. Denn sollten sich statt Simba, Nala oder Elsa ein sechs Tonnen schwerer Dumbo, Jumbo oder Benjamin-Blümchen mal aus dem Staub gen Süden machen, dann fiele das in den verkehrsberuhigten Zonen der Hauptstadt schon auf. Und die Besitzerin des benachbarten Porzellanladens wäre zweifelsfrei die Erste, die Alarm schlagen würde.
Auch die im Zuge der Ereignisse eilig gegründete „Vereinigung der nach der auf dem afrikanischen Kontinent beheimateten Tierwelt benannten Apotheken in Deutschland“ (kurz: VAKTAD) meldet sich zu Wort und kommt zu dem Schluss, dass die in Berlin und Brandenburg gehaltenen 23 Löwinnen und Löwen vorwiegend während der Sommermonate infolge übermäßig klimatisierter Büro-, Geschäfts-, Wohn- oder Praxisräume das Weite suchten: „Den Tieren ist schlichtweg zu kalt daheim“.
Rätselraten und Schnitzeljagd in Berlin dauern an
Die Medien springen buchstäblich mit tierisch-gefährlichem Halbwissen auf den Löwen-Express auf: Mikrofon schwingende Moderatoren (m/w/d) geben nach wiederholtem Einspielen ein und derselben Videosequenz mit sonnigem Gemüt und wachsender Begeisterung an, dass da wirklich eine echte Löwin zugange sei.
Als reine Spekulation werten hingegen diverse Fachleute, dass das plötzliche Auftauchen der mutmaßlichen Löwin mit einer Bekanntgabe Sebastian Krumbiegels (Die Prinzen) zusammenhängen könnte, in der es heißt, dass der Sänger den von einer Hilfsorganisation mit Sitz im baden-württembergischen Leonberg ausgelobten „Löwenherz-Preis“ nicht annehmen wolle. Beim „Löwenherz-Preis“ handelt es sich jedoch keinesfalls um eine „wilde Großkatze“, die nach der Annahmeverweigerung des „Prinzen“ wegen Unzustellbarkeit „einfach mal so frei gelassen“ werde.
Astrologen aus der Lausitz wiederum verweisen darauf, dass sich das Sternzeichen des Löwen erst ab 23. Juli im Kalender offenbare. Folglich zeige sich die Löwin von Kleinmachnow auch frühestens an diesem Tag. Zweifelsohne habe man in Südbrandenburg Erfahrungen mit Wildtieren und wisse, wie der Hase läuft: „Wenn der Löwe weit weg ist, spielt sich der Wolf gern als Löwe auf, lautet ein altes ägyptisches Sprichwort“, so die Sterndeuter.
Mehrere Promis äußerten vor Jahren schon Bedenken wegen frei laufender Raubkatzen
Ex-Bundestrainer Joachim „Jogi“ Löw zum Beispiel erklärte, er höre seit Bekanntwerden der Suchaktion zwischen den Nachrichten ausschließlich den Tokens-Klassiker „The Lion Sleeps Tonight“. Wie zuletzt 2010 habe er diesbezüglich unverzüglich „einen Teil der Mannschaft per SMS informiert, weil alle ja im Moment an verschiedenen Orten dieser Welt in Urlaub sind. Ich weiß nicht, ob ich wegen der Zeitverschiebung einige geweckt habe im Schlaf“, so Löw und summt beruhigend vor sich hin: „Nah dem Dorfe, dem friedlichen Dorfe, da schläft ein Löw‘ heut‘ Nacht ...“.
Von ganz weit oben auf ihrer Wolke sitzend, blicken die seligen Raubkatzenkenner Siegfried & Roy auf das aktuelle Geschehen in Brandenburg: „Wenn man mit Löwen und Tigern schläft, braucht man nicht viele Kissen. Ihre Bäuche sind genauso bequem“, meint Roy Horn. Und Siegfried Fischbacher kontert die Frage, ob es sich bei der mutmaßlichen Löwin nun auch tatsächlich um eine Löwin handeln könne, ebenso charmant wie diplomatisch: „Um den Glauben an etwas in anderen zu wecken, muss man zuerst selbst daran glauben“.
Last but not least: TV- und Leinwand-Legende Klaus Löwitsch („Peter Strohm“). Der knallharte Ermittler hat vor weit mehr als 20 Jahren schon diesen passenden Kommentar testamentarisch hinterlegt: „Im Augenblick habe ich den Eindruck, dass zugunsten immer schneller werdender technologisch-elektronischer Fernseh-Highways unser ganzes Kulturgut in den Orkus geht.“ Wie Recht er hat. Menschen, Tiere, Sensationen, Einschaltquoten, Klickraten, Follower – nur das zählt. Ein Stück vom Kuchen ist nicht genug. Es geht immer um den Löwenanteil.
Freizeit-Tipps für ein gelungenes Löwen-Wochenende
Am besten, man gönnt sich am Wochenende einen gegrillten Wildschwein-Spieß samt Extra-Portion Löwen-Senf und begibt selbst auf die Suche. Zum Beispiel nach einem Getränkefachhändler, der braungebrannte 0,5-Liter-Glasmantelgeschosse der Marke Löwenbräu im Sortiment führt. Und dann heißt es: Ab auf die Couch und die „König der Löwen“-DVD in den Player geschoben! Oder alle Staffeln der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ geglotzt. Alternativ bietet sich natürlich auch ein Familienausflug ins naheliegende Löwenberger Land nördlich der Hauptstadt an.
Chancengleichheit für alle beim Löwen-Roulette
Renate Schmidt (SPD) formulierte einst treffsicher: „Der bayerische Löwe setzt zwar immer noch zu gewaltigen Sprüngen an, doch in Bonn landet das gute Tier allenfalls noch als Bettvorleger des Kanzlers“. Man darf also gespannt sein, was Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub in Bonn, äh: Berlin, im heimischen Schlafzimmer erwartet.
So viel aber steht fest: Die Chancen, ob die Region Berlin-Brandenburg zum Lieblingsrevier einer echten Löwin wird oder nicht, stehen noch 50/50. (Stand: Freitag, 21. Juli 2023, 13 Uhr)
Falls es eine Löwin gibt, ist der Osten Deutschlands dem Rest der Bundesrepublik in puncto Artenvielfalt, Diversität, Ansiedlungsattraktivität und Toleranz um Meilen voraus.
Und falls nicht, dann knüpft Löwen-Geschichte zumindest nahtlos an ähnlich tierische Lachnummern an, für die Berlin-Brandenburg bislang in den Schlagzeilen stand. Stichwort: BER (sprich: „Bär“) und Wahl (sprich: „Wal“). Satire aus!