Das zweite Wochenende hintereinander wird für Anke Hanusch aus Schleife arbeitsreich. Wobei sie die Metiers spielerisch wechselt. War sie am letzten Märzwochenende im Sorbischen Kulturzentrum Schleife beim traditionellen Markt mit dem Ostereierverzieren beschäftigt, wird sie nur eine Woche später im wahrsten Wortsinn ihre Berufung präsentieren. Beide Male lässt sie sich auf die Finger schauen. Beide Male geht es um Leidenschaften, die sie bereits ein Leben lang begleiten.
Das Ostereierverzieren wird den Schleif‘schen schließlich in die Wiege gelegt. Noch nicht ganz so lange, aber auch schon jahrzehntelang, begleiten Anke Hanusch Bücher. „Ich habe wie ein Berserker gelesen“, erzählt sie. Als es um ihre Berufsfindung ging, hat sie sich in verschiedenen Praktika ausprobiert. Bei der Buchbinderei Gotzmann in Weißwasser konnte sie erste Erfahrungen sammeln. Später landete sie beim Schnuppern in einer Verwaltung im Archiv und hatte dort wiederum mit vielen und alten Büchern zu tun.

Anke Hanusch zieht es zum Handwerk

„Eine Arbeit am Computer kann ich nicht“, erzählt die 38-Jährige. Da werden sie und ihre Hände nicht warm. Ganz anders beim Handwerk. „Das liegt mir“. Wenn wundert es also, dass sie ihr Unternehmen BuchbinderEi nennt.
Dorthin lädt sie nun ganz offiziell ein, und das im Rahmen der Europäische Tage des Kunsthandwerks, die vom 31. März bis 2. April 2023 stattfinden. An allen drei Tagen kann man bei Anke Hanusch vorbeischauen.
Während dieser Tage der offenen Tür feiert sie quasi auch das einjährige Bestehen ihrer Werkstatt. Denn seit gut einem Jahr ist sie zurück in der Lausitz, in ihrem geliebten Schleife. Nach Gesellenjahren in Wermsdorf, Australien, Dresden, Bielefeld und Leipzig sowie ihrem Meisterabschluss hat sie im April 2022 eine eigene Werkstatt eröffnet. Viele alte Bücher, die sie hier repariert, sind älter als sie selbst: „Mir wurde schon eine Bibel anvertraut, die bereits vor 35 Jahren einmal repariert wurde“, erzählt die Buchbindemeisterin. „Nun war es wieder nötig, Risse zu schließen, den Vor- und Nachsatz und den Rücken zu erneuern sowie die Bindung neu zu heften und den Einband auszuwechseln.“ Dabei arbeitet sie vor allem mit Handwerkzeugen wie Falzbein, Schere, Skalpell sowie Nadel und Faden. „Die Buchbindernadeln sind etwa sechs Zentimeter lang. Sie haben ein größeres Öhr als andere Nadeln, um mit unterschiedlichen Fadenstärken arbeiten zu können. Diese wiederum richten sich nach der Papierbeschaffenheit“, beschreibt Anke Hanusch das Handwerkszeug, mit dem sie die aus einzelnen Papierbögen bestehenden Lagen eines Buches zu einem Buchblock zusammenheftet.

Warum die Buchbinderin aus Schleife, mit besonderem Papier arbeitet

Einen Blick auf ihre Werkzeuge, Materialien und Vorgehensweisen beim Reparieren können Interessierte in der Werkstatt, Friedensstraße 69 wagen. „Ich möchte aber auch zeigen, was Buchbinderinnen für Einzel- und Sonderfertigung herstellen können: nämlich Alben, Hochzeits- und Gästebücher, Präsentationmappen, Kartonagen wie Schuber oder Schachteln und vieles mehr – alles ganz individuell und nach Kundenwunsch“, so die Handwerkerin.
Dafür greift sie unter anderem auf selbst hergestellte Bunt-, Marmor- und Kleisterpapiere zurück. Sehr gerne nutzt sie auch japanisches Chiyogami-Papier. „Das ist zwar sehr teuer, lässt sich aufgrund seiner hohen Qualität aber sehr gut verarbeiten“, so die Buchbindemeisterin. Das Papier wird aus Kozofasern hergestellt. Die Muster lassen es besonders toll aussehen, kommt Anke Hanusch ins Schwärmen.
Ihre eigene Werkstatt, das war lange der Wunsch der Schleiferin. Noch lässt sie die Auftragslage nicht davon leben. Deshalb ist die Hochschule Anhalt in Dessau ihr zweites Standbein. Im Fachbereich Design arbeitet sie in der grafischen Werkstatt mit Studenten zusammen. Dort zeigt auch, wie aus vielen Lagen ein Buch wird. In ihrer Werkstatt in Schleife hat sie die Bücher dann wieder ganz für sich.

Europäischen Tage des Kunsthandwerks: 60 Teilnehmer aus Ostsachsen

● Neugierige haben vom 31. März bis zum 2. April die Möglichkeit, Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen.
● Im Rahmen der Europäischen Tage des Kunsthandwerks öffnen rund 60 Handwerker aus Ostsachsen ihre Werkstätten und Ateliers.
● Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, erläutert: „Die Europäischen Tage des Kunsthandwerks bieten den Besuchern die Gelegenheit, die unverwechselbare Handschrift der regionalen Kreativszene kennenzulernen. Wer Lust hat, sich selbst einmal in einem Handwerk auszuprobieren, dem bieten viele der teilnehmenden Kunsthandwerker auch dazu die Möglichkeit.“
● Eine Übersicht aller Teilnehmer aus der Region und deren Öffnungszeiten finden Interessenten unter https://dresden.kunsthandwerkstage.de