Von Regina Weiß
Die Augen fangen an zu schimmern. Dann rollen die Tränen. Es sind Tränen der Erleichterung, wird es später heißen. Neben den vielen Menschen, die die Mühlroser Gaststätte „Zur Erholung“ am Donnerstagvormittag bevölkern, sind auch ganz viele Emotionen mit im Saal. Dort geht es um vier Unterschriften und einen Vertrag doch es geht um viel mehr.
Zwei Stunden hat Trebendorfs Bürgermeister Waldemar Locke (CDU) gerade mal geschlafen. Der Mühlroser ist sehr aufgeregt, als er im Saal ans Mikro tritt. So lange die Heimat da ist, spürt man sie kaum, sagt er. Doch in der Ferne werde einem erst bewusst, was Heimat wirklich bedeute.
Mühlrose hat mit und von der Braunkohle gelebt
Seit 1377 sind Menschen in Mühlrose seßhaft. Slawische Siedler ließen sich nieder, nichts ahnend, was sich unter ihren Häusern und Feldern befindet Braunkohle. Diese hatte zu DDR-Zeiten zwei Teilortsumsiedlungen zur Folge.
50 Jahre hat der Tagebau Nochten er wurde 1969 aufgeschlossen das Leben der Menschen beeinflusst. Sie haben mit und von der Kohle gelebt und wurden von ihr beeinflusst. Erst Bergbauschutzgebiet, dann Förderdorf, dann doch wieder Umsiedlung ein Auf und Ab.
2008 folgte schließlich der Ratsbeschluss zur Umsiedlung. Keiner hat jedoch ahnen können, wie sich alles wie Gummi hinziehen sollte. Die zehnjährige Hängepartie erzeugte laut Waldemar Locke Hoffnung, Enttäuschungen und Wut. Für die meisten Mühlroser war es dann auch eine Erleichterung, als die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) am 14. Februar 2019 verkündet hat, dass Mühlrose umgesiedelt wird.
Mühlrose werde kein Hambacher Forst zwei
Wer von weiter weg kommt, kann das vielleicht gar nicht verstehen, so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Mühlrose werde kein Hambacher Forst zwei. So wie die Menschen es vor Ort wollen, so wird es am besten, unterstreicht der Ministerpräsident (MP) seinen Standpunkt zur Umsiedlung, die von der Mehrheit im Ort getragen wird.
Es gehöre außerdem zur Entscheidung der Leag, das Teilfeld Mühlrose für den Kohleabbau in Angriff zu nehmen, dass das Unternehmen dies auch bis 2038 tun kann. Wir brauchen die Leag und die Kohleverstromung, unterstreicht Kretschmer und bekommt dafür einen lauten Beifall von allen im Saal.
Das Datum 31. Dezember 2038 das die Kohlekommission als Ausstiegsdatum empfiehlt sollte laut MP auch bindend sein. Man brauche die Zeit für den Strukturwandel, sprich Infrastruktur etc., aber auch um eine wettbewerbsfähige Energieversorgung aufzubauen. Und auch die Leag wolle sich weiterentwickeln, weiß Kretschmer um Pläne aus dem Aufsichtsrat.
Mühlroser als neue Nachbarn willkommen
Das, was 2011 schon einmal gesagt wurde, habe heute weiter seine Gültigkeit, formuliert es Schleifes Bürgermeister Reinhard Bork (parteilos) Die Mühlroser sind uns als neue Nachbarn willkommen. Sie geben zwar ihre Heimat Mühlrose auf, bleiben aber zum großen Teil der Heimat in Form des Schleifer Kirchspiels treu.
Zum guten Miteinander gehöre aber auch, dass man die ernst nimmt, die nun anderer Meinung sind. Das lange Warten habe sie enttäuscht und dazu geführt, dass sie nicht weg wollen. Laut Bork habe aber keiner von außerhalb das Recht, die Mühlroser Entscheidungen zu bewerten. Erst recht nicht jene, für die der Strom anonym aus der Steckdose kommt.
Leag-Vorstand zur Mühlrose-Umsiedlung
Helmar Rendez, Vorstandsvorsitzender der Leag, gibt zu, dass er den Mühlrosern die Entscheidung gern eher mitgeteilt hätte. Doch das Unternehmen sei nicht frei von politischen Rahmenbedingungen. Die Ungewissheit hat nun ein Ende, sagt Rendez.
Doch es ist ein Ende für einen Neuanfang. Die Mühlroser ziehen mit ihren Erinnerungswerten um. Aber es ist nicht die Glocke, die die Geschichte weiter schreibt, sondern es sind die Mühlroser selbst, so Rendez weiter.
Eine wesentliche Etappe sei nun abgeschlossen. Nun gelte es, die Festlegungen umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Der erste Schritt für den Neuanfang wird dann vierfach besiegelt.
Mühlrose-Vertrag regelt die Umsiedlung
Helmar Rendez, Bergbauvorstand Uwe Grosser sowie die Bürgermeister Waldemar Locke und Reinhard Bork unterzeichnen den Vertrag.
Der Mühlrose-Vertrag regelt in einem Teil I die private Entschädigung für die Umsiedler und enthält in einem Teil II alle kommunalen Regelungen. Dazu gehört die Entschädigung des kommunalen Eigentums des Ortsteiles Mühlrose für die Gemeinde Trebendorf sowie den Ausgleich für die zukünftige kommunale Entwicklung.
Außerdem geregelt sind die Errichtung kommunaler Bauten am Ansiedlungsstandort in Schleife sowie die Aufnahme und Integration der Umsiedler des Ortsteiles Mühlrose in die Gemeinde Schleife. Was sich dahinter für Summen verbergen, will das Unternehmen auf RUNDSCHAU-Nachfrage nicht preisgeben.
Mühlrose-Umsiedlung Bestandteil des Braunkohlenplans
Die Umsiedlung von Mühlrose ist Bestandteil des im Jahr 2014 genehmigten Braunkohlenplans für den Tagebau Nochten. Bis 2024 soll sie abgeschlossen sein. Ab den 2030er-Jahren soll die Kohle unter Mühlrose abgebaut werden. Diese werde laut Rendez für das Kraftwerk Boxberg gebraucht.
Für Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion die Linke im Sächsischen Landtag, stehen alle Zeichen dagegen, dass das Sächsische Oberbergamt die Abbaggerung überhaupt genehmigen kann.
Die gegenwärtig gültige Abbau-Rahmenbetriebsplanung im Tagebau Nochten (ohne Mühlrose) ist bis 2026 befristet. Die bergrechtlichen Grundlagen für den Abbau von Mühlrose und weiteren 145 Millionen Tonnen Braunkohle sind nicht vorhanden gegenwärtig läuft die vorgelagerte Scoping-Phase, in der die Inhalte der Umweltprüfung abgestimmt werden. Dem Ergebnis des Genehmigungsverfahrens darf nicht vorgegriffen werden, da die Gesamtsituation weniger eindeutig ist als noch vor Jahren, begründet sie.