Von Rainer Könen
Wer in Hoyerswerda lebt, der hat keine Chance. Ihm kann man nicht entgehen. Wer schon eine lange Weile in dieser Stadt lebt, und das dürfte sicher auf den Großteil der mehr als 30 000 Einwohner zutreffen, ist irgendwann, irgendwo schon mal auf ihn getroffen. Vielleicht im Zeißiger Waldbad, im Allee-Restaurant, im Bowling-Center. Im Jugendklubhaus Ossi oder sonst wo in der Stadt. Jedenfalls dort, wo man sich amüsieren will.
Wo er ist, ist Discotime. Dann kann man sich Roland Wehner nähern ohne ihm nahezukommen. Es reicht, wenn man der Musik zuhört, die er auflegt. Aber nicht nur, besser wäre es, sich auf die Tanzfläche zu begeben. Andernfalls wäre ein Mann wie Roland Wehner etwas gekränkt. Ist ja schließlich sein Job, die Tanzfläche zu füllen. Wehner sieht sich als einen DJ aus Leidenschaft. Einer, der das Musikauflegen als Hobby betrachtet, eine Freizeitbeschäftigung, um anderen einen schönen Abend zu schaffen, wie er das beschreibt. Ist ja die eigentliche Antriebskraft eines DJs, Menschen aus ihrem beruflichen Alltag abzuholen, sie zu entstressen und in einen Entspannungsmodus zu überführen. Wehner kann das, und dazu greift er in die Vergangenheit von Rock, Pop oder Schlagermusik. Unternimmt mit seiner Musik aus den 70er und 80er sozusagen einen Angriff auf die fehlerlos kühlen Digitalproduktionen der heutigen Zeit, die meist so gleich, so unterschiedslos klingen.
Wenn er Musik auflegt, lautet sein Credo: Bei mir sollen die Leute entspannen, zur Ruhe kommen, erzählt er. Aber geht das, wenn er Glamrock, kernigen Rock oder gereifte Schlagermusik aus den 80ern auflegt? Natürlich. Die gegenwärtige Zeit sei doch so verwirrend, so unruhig, da sehne man sich nach Halt, nach Ruhepolen. Damit kann er dienen. Wehner ist ein wandelndes Musiklexikon. Ich kenne tausende von Titeln. Alles ist abgespeichert, nicht nur in seinem Computer, auch in seinem Kopf. Auch die tollen Auftritte von Slade, Rubettes oder Sweet, bekannte Gruppen, die er nach Hoyerswerda geholt hat. Als vor zwanzig Jahren die Band Alphaville im Jugendklubhaus Ossi gastierte, er gerät ins Schwärmen, wow, da seien unfassbar viele Besucher ins Hoyerswerdaer Jugendklubhaus geströmt. Ja, das Ossi, dort arbeitete Wehner von den 80ern bis Mitte der 90er Jahre, als Jugendclubhausleiter. Startete er dort sein DJ-Dasein. Mit Kinderdisco-Veranstaltungen ging es los, so der gebürtige Hoyerswerdaer. Und merkte rasch, was bei den Kids ankommt: Die kann man am besten mit einem Mix aus Musik, Tanz und Spielen unterhalten.
Wenn er gelegentlich mitbekommt, dass man ihn als Legende, als Kult-DJ bezeichnet, wehrt er erst mal ab. Ich bin doch bloß einer von vielen in der hiesigen DJ-Szene. Doch es schmeichelt ihm schon, wenn er erfährt, dass man es schätzt, wie er sein DJ-Dasein ausfüllt. Seine Oldie-Partys, mit denen er in den Nachwendejahren im Ossi startete, die Schlagerevents im Zeißiger Waldbad oder im Hoyerswerdaer Bowling-Center. Und dann diese Gruppen, die man zu Vorwendezeiten nur aus dem Radio kannte: Rubettes, Lords oder Suzi Quatro. Sicher, alle hatten ihre beste Zeit lange hinter sich, als er sie nach Hoyerswerda holte. Aber auch das muss man erst schaffen, findet er. Boney M. und Gary Glitter, die hätte er auch gerne in Hoyerswerda auftreten lassen. Leider nicht geklappt. Er hat viel erlebt bei diesen Veranstaltungen. Er wolle nicht ins Detail gehen, nicht alles gehöre in die Öffentlichkeit. Aber mit Künstlern, auch den extrovertierten, kann er wohl umgehen. Meistens jedenfalls. Als er damals die Gruppe Sweet für ein Event im Zeißiger Waldbad verpflichtete, wäre er jedoch fast verzweifelt. Wollten die doch, als sie den Auftrittsort sahen, sogleich wieder abreisen. Der Grund: Denen war die Bühne zu klein. Nur mit Hilfe des Managers, der konnte im Gegensatz zu mir gut englisch sprechen, so Wehner, habe man die aber überreden können, zu bleiben. Den schwedischen Popsänger Harpo, Moviestar ist sein bekanntester Song, hatte er auch mal engagiert. Ich musste den am Bahnhof abholen, so Wehner. Mit der Verständigung sei es zwar schwierig gewesen, dennoch habe er sich mit dem Weltstar der 70er Jahre, den er zum Essen nach Hause einlud, gut verstanden.
Seit den 80er Jahren legt er Musik auf. Es hat sich vieles verändert seither. Künstler, Musikrichtungen, Ausstattung. Auch das Publikum habe sich verändert, sei anspruchsvoller geworden. Stichwort Digitalisierung im Alltag. Er registriert das. Jedoch: Ich arbeite mit geistig-behinderten Menschen zusammen, da kommt es auf andere Dinge an, auf Zuwendung, auf Empathie, meint Wehner, der bei der Lebenshilfe als Betreuer tätig ist. Er ließ sich zur Vorwendezeit zum Diplom-Kulturarbeiter ausbilden, hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Generationen auf die Tanzfläche gelockt. Kinderdisco, Ü-50-Tanznachmittage, Oldiepartys, er ist überall da, wo die Menschen in Stimmung gebracht werden wollen.
Wehner befindet sich im 65. Lebensjahr, was man ihm nicht ansieht. Aber im kommenden Jahr fängt für Hoyerswerdas Kult-DJ ein neuer Lebensabschnitt an. Ich gehe in den Ruhestand. Langweilig wird es ihm keineswegs werden: Ich habe einige Ideen. Einen modernen Seniorenklub in Hoyerswerda zu eröffnen, wäre so eine. Aber eigentlich fühlt er sich zirkusreif. Einen Discoabend im Zirkuszelt, mit Artisten und Tieren, so was wolle er auf jeden Fall mal auf die Beine stellen. Es gastierten ja häufig zirzensische Unternehmen in der Stadt. Die werde er aufsuchen, darauf vertrauend, dass die Zirkusleute offen sind für seine Ideen. Wäre definitiv was anderes, die Hoyerswerdaer zu einer Oldieparty in die Manege zu locken. Womit feststünde, dass man sogar im Zirkus einem Mann wie Roland Wehner nicht entkommen kann. Aber, seien wir doch mal ehrlich, wer will das schon.
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