Knallrote Erdbeeren machen sich auf dem Windelpo von Michel breit. Wahlweise auch Affen, Häschen oder Kolibris. Das ändert sich bei jeder neuen Windel: Denn Familie Sägner aus Trebendorf (Spree-Neiße) nutzt für ihren vier Monate alten Sohn keine Wegwerfwindeln á la Pampers und Co., sondern Stoffwindeln.
„Ich hatte schon, bevor Michel unterwegs war, eine Werbung über Stoffwindeln gesehen – das hat mich überzeugt“, berichtet Madeleine Sägner (31). „Und wir fahren bisher gut damit.“ Damit gehören sie zu der steigenden Zahl an Familien, die Stoffwindeln wieder entdecken, aber immer noch zu den Exoten: „Im Geburtsvorbereitungskurs waren wir die einzige von elf Familien.“
Sägners wollten vor allem keine Müllberge produzieren. Pro Baby wird mit 4000 bis 6000 Windeln gerechnet, bis es trocken ist – das macht bei Wegwerfwindeln rund eine Tonne Müll. Zudem hatten sie die Preise abgeschreckt. Studien ergaben, dass Wegwerfwindeln bei sechsmal Wickeln am Tag – gerechnet auf zweieinhalb Jahre – mit 0,20 Cent pro Stück reichlich 1000 Euro kosten. Rechne man die Müllgebühren dazu, je nach Kommune unterschiedlich, komme man auf rund 1500 Euro.

Belasten Stoffwindeln die Umwelt weniger?

„Und die Starterpakete der Stoffwindeln kosten bei 20 Stück rund 400 bis 500 Euro“, so Madeleine Sägner. Denn mit den Mulltüchern von früher, über die eine wasserdichte Gummihose gezogen wird, haben die heutigen Stoffwindeln nicht mehr viel zu tun. Es gibt verschiedene ausgetüftelte Systeme mit diversen Stoffeinlagen und bunten Überhosen. Daher rührt auch der recht hohe Preis von 25 bis 30 Euro pro Windel. Einige Landkreise, allerdings nicht in der Region, zahlten Prämien an Eltern, wenn sie Stoffwindeln verwenden, berichtet Madeleine Sägner.
Doch was ist mit dem Waschen? An diesem Punkt scheiden sich die Geister. Denn die Kosten für Wasser, Strom und Waschmittel kommen hinzu und drücken die Umwelt-Bilanz. Eine Studie von 2008 hatte ergeben, dass bei zweieinhalb Jahren Wickeln die Stoffwindeln durch das Waschen mit 570 Kilogramm Kohlendioxid eine etwas höhere CO2-Emission haben als Wegwerfwindeln mit 550 Kilogramm. Doch dies wurde mit Waschmaschinen mit Energieeffizienzklasse B sowie Trocknern berechnet.
Eine neuere UN-Studie kommt zum Ergebnis, dass Stoffwindeln, wenn sie Wasser sparend in modernen, energieeffizienten Waschmaschinen gewaschen, an der Luft getrocknet und für möglichst viele Kinder verwendet werden, die Umwelt weniger belasten als Einwegwindeln.

Das Waschen der Windeln ist für Trebendorfer Gewohnheit

Familie Sägner verwendet zudem ein besonders sensitives Waschmittel ohne Enzyme und Parfüm, damit Michels Haut geschont wird. „Die Wegwerfwindeln riechen richtig chemisch“, nennt Mario Sägner (33) einen weiteren Kritikpunkt. Die Stoffwindeln seien frei von Chemikalien. „Und sie können für ein zweites Kind verwendet werden“, sagt Madeleine Sägner, die gerade in Elternzeit ist und sonst bei der Leag arbeitet.
Doch was ist mit dem Wasch-Aufwand? „Das ist Gewohnheitssache. Anfangs hatten wir 20 Windeln, da mussten wir jeden zweiten Tag waschen“, berichtet Mario Sägner, der nach einem Monat Elternzeit nun wieder beim Landkreis Spree-Neiße als Außendienstmitarbeiter für Pegelnetz arbeitet. „Dann haben wir noch zehn Windeln dazu gekauft, nun waschen wir jeden dritten Tag.“ Er hänge nach der Arbeit auch mal die Windeln auf und „bastele“ sie zusammen.
Denn Sägners haben sich für ein All-in-one-System entschieden: In einer wasserdichten Außenhülle ist eine saugende Innenschicht fest vernäht, die fürs Waschen herausgeholt und danach wieder hineingesteckt werden muss. Hinzu kommt eine weiche Vlieseinlage, die Michels „Geschäft“ auffängt. Für die Nacht gibt es noch eine extra Stoffeinlage, Booster genannt. Gewaschen wird alles.
Familie Sägner aus Trebendorf hat sich für das All-in-one-System entschieden: In der wasserdichten Außenhülle ist eine saugende Innenschicht fest vernäht (unten). Für die Nacht gibt es eine zusätzlich saugende Booster-Einlage (Mitte). Das weiche Vlies (oben) wird in die Windelhose gelegt und nimmt das "Geschäft" des Babys auf.
Familie Sägner aus Trebendorf hat sich für das All-in-one-System entschieden: In der wasserdichten Außenhülle ist eine saugende Innenschicht fest vernäht (unten). Für die Nacht gibt es eine zusätzlich saugende Booster-Einlage (Mitte). Das weiche Vlies (oben) wird in die Windelhose gelegt und nimmt das „Geschäft“ des Babys auf.
© Foto: Steffi Ludwig
So wird die saugfähige Innenschicht in die Windelhose gesteckt.
So wird die saugfähige Innenschicht in die Windelhose gesteckt.
© Foto: Mario Sägner

Nachteil der Stoffwindeln: Müssen unterwegs mitgenommen werden

Die Windeln seien recht dicht, bei einem großen „Geschäft“ könne es wie bei Wegwerfwindeln aber auch mal überlaufen. Allerdings könne man die „Stoffis“ unterwegs nicht einfach wegschmeißen, sondern müsse die vollen Windeln mitnehmen – dafür gebe es eine extra Tasche, Wetbag genannt. Auch im Urlaub sei man auf eine Waschmaschine angewiesen, doch da stehe erstmal keiner an.
Eine weitere Familie, die Stoffwindeln nutzt, wohne ein paar Häuser weiter. Ansonsten kennen die Trebendorfer niemanden. Erfahren sie gelegentlich Kritik für ihre Stoffwindeln? „Nein, eher Bewunderung wegen der zusätzlichen Arbeit“, meint Mario Sägner schmunzelnd.
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So sieht eine Cottbuser Hebamme das Windelthema

Nach Auskunft der Cottbuser Hebamme Carmen Gennermann verwenden etwa zehn Prozent „ihrer“ Familien – also die sie vor, während und nach der Geburt betreut – Stoffwindeln. Auch Familie Sägner gehört dazu. „Aus meiner Sicht können die Familien etwas für die Umwelt tun, wenn sie drei Jahre Stoffwindeln verwenden anstatt Wegwerfwindeln“, so Carmen Gennermann. „Ich kämpfe auch dafür, dass die Babys mit normalen Waschlappen anstelle von Wegwerf-Feuchttüchern gewaschen oder abgeputzt werden.“ Babys seien zudem nur begrenzt auf durchschnittlich drei Jahre „undicht“, während das bei vielen älteren Menschen, die gewindelt werden müssen, länger sei. Deshalb seien bei diesen Wegwerfwindeln angebrachter, da das Waschen von Stoffwindeln von Altenpflegern nicht verlangt werden könne.
Bei den Stoffwindeln für Babys gibt es verschiedene Varianten: Bei der All-in-one-Variante ist eine saugende Innenschicht in einer wasserdichten Außenhülle fest vernäht. Gewaschen wird die komplette Windel. Bei All-in-two-Windeln wird in den meisten Fällen nur die Einlage gewaschen, die wasserundurchlässige Überhose nicht. Bei All-in-three-Windeln gibt es eine Außenhülle aus Stoff und wasserundurchlässiger Innenschicht. Darüber kommt eine saugfähige Einlage. Hier werden je nach Verschmutzung nur einzelne Teile gewaschen. Zudem gibt es noch Höschenwindeln, über die eine Überhose gezogen werden muss.