Fast 70 Zuhörer sind in den Sitzungssaal des Rathauses in Mühlberg gekommen. Der fortschreitende Kiesabbau in ihrer Region beschäftigt die Einwohner – vor allem die aus Mühlberg, Burxdorf, Neuburxdorf und Altenau. Vor ihren Haustüren wird Mutterboden abgetragen, entstehen Löcher in der Landschaft und nachfolgend Seen. Und dann?
Während die einen von entstehenden Wasserparadiesen schwärmen, die Seen als Grundlage für möglichen touristischen Aufschwung sehen, beklagen die anderen den Verlust wertvoller Böden, werden Grundwasserabsenkungen befürchtet. Bürger glauben: Wenn der Kies rausgeholt ist, sind die Unternehmen weg. Und dann? Dazu kommt das normale Tagesgeschäft: Lkw, die über Straßen donnern, Tag und Nacht hupende Lokomotiven an unbeschrankten Bahnübergängen.
Elbe-Elster-Landrat Christian Heinrich-Jaschinski (CDU) hat in Abstimmung mit der Verbandsgemeinde Liebenwerda zu diesem Forum geladen. Mit Sebastian Fritze, Präsident des Landesbergamtes Brandenburg, und den Unternehmensvertretern der Kiesabbauer Elbekies und Berger Rohstoffe sind profunde Gesprächspartner zugegen.
Nachdem der Präsident mit kurzem Blick aufs Organigramm seiner Behörde Verständnis heischend aufzeigt, wie vielfältig das Aufgabenprofil seiner Behörde ist, fasst er sich bei der Schilderung der Abbausituation kurz.
Die Kies-Abbaugebiete und Zahlen sind hinlänglich bekannt. Elbekies buddelt im Werk II mit Süderweiterung und plant den Neuaufschluss im sogenannten Werk V und auf einer Fläche in Richtung Neuburxdorf. Für beide Vorhaben laufen noch die Genehmigungsverfahren.
Berger Rohstoffe darf den Kiesabbau im Raum Altenau um beträchtliche 132 Hektar erweitern, dazu einen Gleisanschluss bauen. Das alles ist bereits wasserdicht, weil mit einem Planfeststellungsbeschluss abgesegnet. Zudem will Hülskens Liebersee im benachbarten Sachsen seine Anbauflächen erweitern und zudem künftig in der ehemaligen Zuckerfabrik Brottewitz auf die Schiene verladen. Auch bei Koßdorf wollte ein Unternehmen Kies abbauen. Weil Unterlagen fehlen, ist eine zwischenzeitliche Bewilligung widerrufen worden. Insgesamt werden in den nächsten Jahren damit mehrere Millionen Tonnen Kies im Raum Mühlberg gefördert.
Mühlberg war und bleibt Kiesabbaugebiet
Sebastian Fritze und der Landrat stellen klar: In Mühlberg ist seit Jahrzehnten hochwertiger Kies gefördert worden und wird weiter aus der Erde geholt werden. Aber: Noch nie zuvor seien die Abbauvorhaben so massiv mit Umweltverträglichkeitsprüfungen begleitet worden. In aller Deutlichkeit erklärt der Präsident des Bergamtes, was nicht Aufgabe seiner Behörde sei – nämlich öffentliche Straßen zu beaufsichtigen, Bahnübergänge zu überwachen, Handlungen außerhalb des Bergbaubetriebs vorzunehmen, Aufgaben der Landes- und Regionalplanung und der Flurbereinigung zu übernehmen. „So sehr ich Verständnis für ihre Sorgen habe, da sind der erste Ansprechpartner Ihre Kommunen und der Landkreis“, sagt er den Einwohnern.
Er fordert Kommunalvertreter und Bürger auf, bereits im Vorfeld von wirtschaftlichen Entwicklungen aufzuzeigen, was die Region will. Eine Mitarbeiterin seines Hauses ergänzt: „Dazu gibt es das Mittel der frühzeitigen Beteiligung. Wir fordern sowohl Unternehmen, als auch Kommunen immer wieder dazu auf, rechtzeitig den Bürgern Planungen zu erläutern und bereits da eigene Ansprüche oder Bedenken anzumelden.“
Dünne Aussagen aus der Verwaltung
Schnell wird deutlich: Daran krankt es in Mühlberg. Zwar sei bereits vor Jahren in Mühlberg ein Papier mit dem sperrigen Namen „Beteiligungsorientiertes Strukturentwicklungskonzept“ erarbeitet worden, über den Stand der Umsetzung bleiben die Aussagen der 1. Beigeordneten Hannelore Brendel allerdings äußerst dünn.
Einwohner und Gästen reagieren verschnupft beziehungsweise fragen kritisch nach: Rick Schulz aus Mühlberg: „Wie werden denn die Anregungen der Bürger verarbeitet?“ Claudia Sieber aus dem Blickwinkel der Verbandsgemeinde Liebenwerda. „Sind Prioritäten bei der Umsetzung des Konzeptes gesetzt?“, Sonja Käseberg aus Borschütz: „Wir bringen uns immer wieder ein, hören aber keine Antworten.“ Cornelia Mattauch und Frank Gaunitz aus Burxdorf: „Hinsichtlich unserer Straße werden die Schilderungen der Bürger nicht ernst genommen. Herr Landrat, schauen Sie sich das mal selbst an“ Claus-Peter Grobe aus Altenau: „Weshalb nutzt die Kommune nicht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Generationengerechtigkeit, um Kiesabbau verträglicher zu gestalten?“ Ilka Trabandt aus Mühlberg: „Weshalb wird der Kiesabbau in der Region nicht insgesamt betrachtet und bedeutet der Mensch gar nichts?“
Frage: Wie steht es um geplante Vorhaben? Antwort: Keine
Hannelore Brendel kann mit konkreten Festlegungen – weder zu lange diskutierten Radwegen, zu einer möglichen Regattastrecke, zur Erweiterung von Badeangeboten, zu einem zusätzlichen Campingplatz, zu touristischen Wanderwegen um die Seen, etc. – nicht aufwarten.
Dabei signalisieren die Elbekies-Vertreter nochmals: „Mit uns kann man reden.“ Elbekies-Werkleiter Ralf Göhringer ist es dann auch, der am Ende die erfreulichste Nachricht des Tages überbringt: „Wir sind intensiv mit der Bahn zur Lösung des Problems der unbeschrankten Bahnübergänge im Gespräch. Im September/Oktober soll es einen Vorort-Termin geben.“ Auch die Landwirtschaft wolle zur Lösung beitragen. Gemeinsam werde geprüft, ob wirklich alle sechs unbeschrankten Übergänge zwischen Mühlberg und Neuburxdorf benötigt werden.
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