Sechs Tore beim 11:0-Sieg ihrer Mannschaft im Pokal gegen Spremberg, und auch eine Woche später traf sie in der Liga beim 7:4 gegen denselben Gegner viermal. Ganz klar, Nicole Kämeling ist eine verdiente Sportlerin der Woche. Seit 2014 geht die 25-jährige Gubenerin für die Fußball-Frauen von Energie Cottbus auf Torejagd. Aktuell wohnt die Erzieherin in Potsdam, auch ohne Training aber versetzt sie die gegnerischen Abwehrreihen in Angst und Schrecken.

Frau Kämeling, Sie sind 2018 mit 29 Toren Torschützenkönigin geworden und 2019 mit 34 Toren. Freut man sich da überhaupt noch über ein Spiel mit sechs Treffern?

Kämeling Klar. Tore werden nicht zur Selbstverständlichkeit. Ich gehe eigentlich in jedes Spiel mit dem Anspruch, mindestens ein Tor schießen zu wollen. Deshalb sind sechs Tore in einem Spiel schon etwas Besonderes. Ich muss aber auch sagen, dass ich richtig gute Pässe kriege von den Mädels. In unserem Team stimmt‘s einfach, alle wissen, wo sie hinlaufen müssen. Es macht Spaß.

Ist es Ihr erklärtes Ziel, die Torjägerkanone in der Kreisliga auch ein zweites Mal zu verteidigen?

Kämeling Das ist eigentlich nicht der Ansporn, mit dem ich in eine Saison gehe. Es passiert einfach. Aber wenn ich irgendwann merke, dass ich gut treffe und vorne liege in der Wertung, möchte ich natürlich dort bleiben. Es dürfen aber gerne auch mal andere Torschützenkönigin werden. Die Beste gewinnt.

Ein gutes Stichwort. Zwischen 2015 und 2017 sind Sie mit Energie dreimal in Serie Kreismeister geworden. Vergangenes Jahr wurden Sie nun von Leuthen/Oßnig abgelöst und in diesem Jahr ist der sächsische Serienmeister Lok Schleife auf der Bildfläche erschienen. Nerven Sie neue Rivalen oder freuen Sie sich über größere Konkurrenz?

Kämeling Ich kann da nur für mich sprechen, aber ich finde es gut. In den letzten Jahren gab es mit Wacker Ströbitz, Viktoria Cottbus und Leuthen immer die gleichen Mannschaften, die oben dabei waren. Aktuell ist die Liga sehr durchgemischt, wie ich finde. Ich denke, wir stehen vor einer ganz, ganz spannenden Saison, in der ich Viktoria und Schleife als Favoriten ansehe. Ich bin gespannt, wer sich Meisterschaft und Pokal krallen wird.

Der Frauenfußball an sich kämpft nach wie vor um Aufmerksamkeit in der Welt. Wie wohltuend sind da Nachrichten, dass in England und Spanien teilweise 60 000 Zuschauer zu Erstliga-Spielen gehen? Und warum ist sowas in Deutschland nicht möglich?

Kämeling Das ist eine gute Frage, die ich auch nicht wirklich erklären kann. Womöglich ist der Frauenfußball für Deutschland nicht attraktiv genug. 2011 bei der Heim-WM habe ich damals einen großen Boom wahrgenommen. Doch davon ist leider nicht viel geblieben.

Ärgert Sie das als Amateurfußballerin oder findet man sich irgendwann damit ab?

Kämeling Ich habe Verständnis dafür, dass im Männerfußball mehr Geld im Umlauf ist. Aber die Relationen stimmen nicht mehr und das ärgert mich schon. Vor allem wenn man sieht, wie wenig selbst unsere Profispielerinnen für ihren Sport bekommen, obwohl sie das Gleiche leisten. Es gab ja damals beim WM-Sieg das berühmte Kaffeeservice. Das ist eine Ungerechtigkeit.

Wie wichtig sind dann Persönlichkeiten wie die amerikanische Weltmeisterin Megan Rapinoe, die gegen Donald Trump aufbegehrt und dem Frauenfußball ein Gesicht und eine Stimme gibt?

Kämeling Total wichtig. Ich finde es gut, dass sie sich nichts vorschreiben lässt – auch nicht vom US-Präsidenten. Der Frauenfußball braucht mehr Aufmerksamkeit und Werbung, da helfen solche Typen. Es wäre auch toll, wenn die Sportschau Zusammenfassungen der Frauen-Bundesliga ausstrahlt. Denn bis jetzt geht die Liga in Deutschland komplett unter.

Mit Nicole Kämeling
sprach Steven Wiesner