Zu zwei bemerkenswerten Siegen innerhalb von vier Tagen ist der Senioren-Radsportler Hartmut Stenzel vom RSV Peitz gesprintet. In St. Johann in Tirol holte er sich in der offenen Klasse zunächst den Weltpokal. Und mit dem Weltmeistertitel im Straßenrennen machte der 72-Jährige den Doppel-Triumph schließlich perfekt. Gegen die harte internationale Konkurrenz hat unser Sportler der Woche mit Erfolg „was ganz Verrücktes ausprobiert“.

Herr Stenzel, in St. Johann ist Ihnen ein außergewöhnlicher Doppelerfolg gelungen. Schildern Sie doch mal die entscheidenden Momente in diesem zweiten Rennen.

Stenzel Ich hatte schon bei der Startaufstellung mitgekriegt, dass der eine tschechische Fahrer mit dem Belgier quatschte. Nach etwa 20 Teilnahmen kennt man sich ja schon. Und so kriegte ich mit, dass die so fahren wollten, dass ich am Ende nicht auf dem Treppchen stehe.

Die haben Ihnen das Leben also ordentlich schwer gemacht über die 40 Kilometer?

Stenzel Die haben ständig attackiert. Und ich war immer wieder gezwungen, die Löcher zuzufahren.

Und trotzdem hatten Sie am Ende noch genug Power. Da hat sich das Training offenbar ausgezahlt.

Stenzel Seit Ende März bin ich ungefähr 15 Rennen gefahren, um für diesen Jahreshöhepunkt gerüstet zu sein. Da es hier nicht so viele Senioren-Rennen gibt, war ich gezwungen, mich in der Jedermann-Szene mit Jüngeren zu messen. Das hat mich sehr gefordert. Da geht‘s über das normale Maß hinaus. Ich hab das aber bewusst gemacht, um die Rennhärte zu bekommen für mein langfristiges Ziel, in St. Johann erfolgreich zu sein.

Zurück zu dem Rennen dort: Wie war das dann dort auf den letzten Metern?

Stenzel 2000 Meter vor dem Ziel fuhr ich an der Spitze einer etwa 17-köpfigen Gruppe. Keiner wollte vorbeifahren. Alle haben auf meinen Antritt gewartet. Da hab ich mir gedacht: Ich mache jetzt mal was ganz Verrücktes und ziehe den Spurt schon 1000 Meter vor dem Ziel an. Das ist eigentlich nicht die beste Strategie, um zu gewinnen. Aber das war ein Überraschungsmoment, keiner hatte damit gerechnet.

Und Sie sind tatsächlich durchgekommen.

Stenzel Ich habe ein Loch von 20, 25 Metern gerissen. 100 Meter vor dem Ziel habe ich mal nach hinten geguckt, da kam keiner so richtig ran. Und mit zwei, drei Radlängen Vorsprung habe ich dann gewonnen – einer meiner schönsten Erfolge.

Da dürften sich auch Ihre Radsport-Kollegen vom RSV Peitz riesig gefreut haben.

Stenzel Denen habe ich das vor allem zu verdanken. Mit ihnen habe ich mich systematisch auf diesen Höhepunkt vorbereiten können. Jeden Mittwoch haben wir unsere 80 bis 100 Kilometer abgespult.

Am Stück?

Stenzel Ja, freilich, das ist unser Trainingsprogramm. Alle sind mit Freude dabei. Insgesamt erfordert es eine strenge Disziplin, um auf das notwendige Niveau zu kommen. Da muss ich auch meiner Frau sehr danken, die diese ganze Vorbereitung erdulden musste. Sie hat da großes Verständnis.

Lassen Sie es nach diesen beiden Siegen in Tirol jetzt international ruhiger angehen?

Stenzel Tja, mehr geht ja eigentlich nicht für mich nach diesem Doppelpack. Aber ich werde wohl trotzdem wieder hinfahren. Es gibt da in St. Johann nämlich auch Vintage-Rennen. Da sind nur Stahlräder von vor 30, 40 Jahren startberechtigt, nur altes Material, alte Trikots und Sturzkappen. Das wäre was – wenn ich mir was zusammenschrauben kann.

In die Radler-Rente wird es für Sie also nicht so schnell gehen.

Stenzel Solange meine Gesundheit mitspielt und die Knie mitmachen, fahre ich weiter. Es gilt der alte Spruch: Wer rastet, der rostet. Noch rostet bei mir nichts.

Mit Hartmut Stenzel
sprach Mirjam Danke