Von Jan Dirk Herbermann

Der Weltklimarat schlägt einmal mehr Alarm: Das Expertengremium warnt in einem Sonderbericht, dass die Erderwärmung immer mehr die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung gefährdet. Dürren, Hitzewellen, Sandstürme, heftige Niederschläge und die Erosion von Böden verschlechtern und zerstören landwirtschaftliche Nutzflächen – und lassen so die weltweiten Ernteerträge schrumpfen. Dieses Szenario skizzieren die Wissenschaftler in ihrem Report „Klimawandel und Land“, den sie am Donnerstag in Genf vorstellten.

Der indische Umweltwissenschaftler Priyadarshi Shukla, Co-Vorsitzender einer der Arbeitsgruppen des Expertengremiums der UN, sagte der RUNDSCHAU, dass sich die Verbraucher auf steigende Preise, eine sinkende Qualität und Störungen in den Lieferketten einstellen müssen. „Und gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung weiter“, unterstrich Shukla. Die UN beziffern die Zahl der Hungernden heute auf mehr als 820 Millionen Menschen. Andererseits gehen viele Erdenbewohner äußerst unverantwortlich mit Lebensmitteln um. Ein ganzes Drittel der produzierten Nahrung geht verloren oder wird weggeschmissen – so steht es in dem Bericht des Klimarates.

Der Druck auf die Lebensmittelversorgung wird besonders drastisch in armen Ländern in Afrika, Asien, der Karibik und Lateinamerika zu spüren sein, hielt der Rat fest. Den Angaben nach leben bereits 500 Millionen Menschen in Regionen, in denen sich Wüsten ausbreiten. Die Fachleute warnten vor einem Teufelskreis. Die Erderwärmung beeinträchtige die Anbaumöglichkeiten auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen und lasse die Produktivität sinken. Dadurch würden auch die Fähigkeiten der Oberflächen und Gewächse eingeschränkt, das klimaschädliche Karbondioxid zu absorbieren. „Natürliche Bodenprozesse absorbieren nahezu ein Drittel der Emissionen von Karbondioxid“, unterstrich der britische Energieexperte Jim Skea, ein Co-Vorsitzender einer der Arbeitsgruppen.

Gleichzeitig verlangen die Fachleute eine radikale Wende in der Landwirtschaft. Denn der Agrarsektor, die Forstwirtschaft und andere Formen der Bodennutzung in ihrer bisherigen Form sind laut dem Bericht für den Ausstoß fast eines Viertels der klimaschädlichen Treibhausgase verantwortlich. Eine nachhaltige und an ökologischen Kriterien orientierte Anbauweise müsse zum Durchbruch kommen. „Die bereits benutzte landwirtschaftliche Fläche könnte die Menschheit ernähren und genügend Biomasse für erneuerbare Energien bereitstellen“, betonte der Ökologe Hans-Otto Pörtner vom Alfred Wegener Institut in Bremerhaven. Einen Aufruf, den Fleischkonsum aus umweltschädlicher Massentierhaltung einzuschränken oder gar einzustellen, wollte der Klimarat allerdings nicht machen. „Der Weltklimarat gibt keine Empfehlungen zur Ernährungsweise der Menschen“, unterstrich Energieexperte Skea.

Laut dem Sekretariat des Weltklimarates in Genf trugen 107 Autoren zu dem Bericht bei, die zusammen mehr als 7000 wissenschaftliche Schriften auswerteten. Der Weltklimarat rüttelte in den vergangenen Jahren mit seinen düsteren Berichten über die Folgen der Erderwärmung immer wieder die Öffentlichkeit wach. Für seine Verdienste erhielt das Gremium, das vom Umweltprogramm und der Weltwetterorganisation der UN gegründet wurde, 2007 zusammen mit dem Ex-US-Vizepräsidenten Al Gore den Friedensnobelpreis.