Von Mathias Puddig
Nein, nach Klimaschutz sieht es im Duisburger Westen wirklich nicht aus. Dutzende Meter ragen die Hochöfen auf dem Gelände des traditionsreichen Thyssenkrupp-Stahlwerks in die Höhe. Und was oben rauskommt, macht das Stahlwerk laut Umweltbundesamt zur größten Dreckschleuder der deutschen Industrie. Klimaschädlicher sind nur noch die großen Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen und in der Lausitz.
Trotzdem soll genau hier einer der Schlüssel für die CO2-neutrale Zukunft liegen. Wir wollen bis 2050 klimaneutral wirtschaften, verspricht Guido Kerkhoff, Vorstandsvorsitzender bei Thyssenkrupp. Und er weiß, dass das ohne Forschung nicht gehen wird. Erfindergeist ist ein wichtiger Pfeiler der Klimapolitik. Allein das Bundesforschungsministerium (BMBF) investiert bis 2025 rund 300 Millionen Euro. Dazu kommen Mittel von der EU und aus den Ländern. In Berlin haben die drei großen Universitäten und die Charité angekündigt, ein neues Forschungszentrum für Klimaneutralität zu gründen.
Und die Forschung ist nötig. Die Bundesregierung will bis 2050 weitgehend klimaneutral wirtschaften. Doch schon die Klimaziele für 2030 werden nicht erreichbar sein, ohne dass die Schwerindustrie einen signifikanten Beitrag leistet. Wurden 2014 noch 890 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, soll die Emission um 350 Millionen Tonnen reduziert werden. Allein das Duisburger Werk bläst jährlich etwa 20 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft aber Thyssenkrupp will bis 2050 die Null erreichen.
Laut Thyssenkrupp-Chef senke der Konzern bereits den Ausstoß von Klimagasen. Dafür wird derzeit in einem Hochofen schrittweise eine Wasserstoffroute eingeführt, durch die bei der Stahlproduktion kein Kohlendioxid mehr entstehen soll. Um die vollständige Dekarbonisierung der Industrie gehe es dem Konzern aber nicht.
Die Vermeidung von Emissionen bleibe zwar oberstes Ziel. Kerkhoff: Gleichzeitig wird akzeptiert, dass es unvermeidbare Emissionen gibt und dass diese sich verwerten lassen. In Duisburg wird im Moment erforscht, wie klimaschädliche Gase aus dem Stahlwerk in nützliche Chemikalien umgewandelt werden können. 2018 ist es erstmals gelungen, aus Hüttengasen Methanol und Ammoniak zu gewinnen. Methanol lässt sich zu Kraftstoff weiterverarbeiten, Ammoniak zu Kunstdünger. Carbon2Chem heißt das Projekt, bis 2030 soll das Verfahren im großen Stil verfügbar sein.
Die Bundesregierung unterstützt zunächst mit 60 Millionen Euro. Forschung und Innovation sind Grundvoraussetzungen, wenn wir wirksam und glaubwürdig Klimapolitik betreiben wollen, erklärte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei einer Werksbegehung.
Sollte Carbon2Chem erfolgreich sein, wird sich dieser Effekt noch vervielfachen. Denn weltweit hat das Unternehmen mehr als 50 weitere Stahlwerke ausgemacht, die die Technologie eins zu eins übernehmen können. Dazu kommen andere Branchen wie die Müllverbrennung und die Kalkherstellung, die die Technologie ebenfalls einsetzen könnten. Wir führen bereits Gespräche mit Interessenten aus verschiedenen Regionen und Industriezweigen, sagt Kerkhoff. Als weltweit tätiges Industrieunternehmen haben wir einen besonders großen Hebel, Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken. Nur: Ausreichen wird auch das nicht.
Lange gehörte Thyssenkrupp zu den Konzernen, die für ihren ökologischen Fußabdruck und den Umgang damit in der Kritik standen. Endlich fängt auch die Stahlindustrie an, sich beim Klimaschutz nicht länger auf falschen politischen Anreizen wie Gratis-Emissionsrechten oder niedrigen Industriestrompreisen auszuruhen, sagt der Greenpeace-Energieexperte Niklas Schinerl. Doch um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist Klimaneutralität bis 2050 zu spät.