Der Transatlantikexperte Dr. habil. Markus Kaim forscht ein Jahr lang als Fellow der Zeit-Stiftung und des GMF in Washington D.C. Wie sieht er den Syrien-Vorstoß von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)? Die RUNDSCHAU sprach mit ihm.
Herr Kaim, bedeutet der Vorstoß der Ministerin einen Paradigmenwechsel?
Kaim Nein. Wir haben seit der Sicherheitskonferenz 2014 so etwas wie einen Konsens, dass Deutschland mehr internationale Verantwortung übernimmt. Und es gab auch in den letzten Jahren immer wieder Überlegungen zu einer Syrien-Mission. Zuletzt vor einem Jahr zum Schutze von Idlib für den Fall eines Chemiewaffeneinsatzes.
Kramp-Karrenbauer will, dass daraus nun konkretes Handeln wird.
Kaim Grundsätzlich ist die Bereitschaft zum Engagement in der deutschen Politik immer gut. Nur: Ich sehe keine Initiative, geschweige denn einen Plan, allenfalls so etwas wie eine Idee. Bisher haben wir nur Schlagworte. Was ist zum Beispiel gemeint mit internationaler Sicherheitszone? Mit Russland und der Türkei zu reden, klingt gut aber über was? Ist die Nato angesprochen oder eine Art Koalition der Willigen? Das ist alles offen.
Die Ministerin argumentiert, sie wolle das mit den Partnern abstimmen.
Kaim Man muss doch eine Vorstellung davon haben, was man will. So ein Militäreinsatz ist immer nur so gut wie sein politisches Ziel. Will man eine humanitär inspirierte Mission oder klassisches Peacekeeping oder Raum für politische Verhandlungen?
Ohne militärischen Einsatz wird es nicht gehen, oder?
Kaim Nein. Der militärische Aufwand bemisst sich natürlich am Ziel der Mission. Die Details müssen dann die Militärs erarbeiten, wenn der Auftrag steht. Aber in beiden genannten Fällen reden wir über die Entsendung von Bodentruppen.
Wäre für Deutschland ein Einsatz ohne UN-Mandat möglich?
Kaim Wenn ich die Opposition wäre, würde ich bei einem Beschluss ohne UN-Mandat sofort nach Karlsruhe ziehen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich den deutschen Einsatz im Kampf gegen die Terrororganisation IS auch ohne UN-Mandat bestätigt. Hintergrund war dabei aber der terroristische Angriff auf den EU-Staat Frankreich Ende 2015, deswegen lässt sich das nicht auf diesen Fall übertragen. Also ist der UN-Sicherheitsrat gefragt, und damit hat Russland einen Hebel in der Hand.
Welcher Rahmen kollektiver Sicherheit ist denn in diesem Fall gefragt: UNO, Nato oder EU?
Kaim Das ist eine wichtige Frage, deswegen verstehe ich nicht, dass die Antwort der Ministerin bislang aussteht. Die Nato ist natürlich die wichtigste Militärorganisation, aber dort sitzen die Türken mit am Tisch. Da haben wir also die nächste Veto-Macht.
Mit Markus Kaim
sprach Ellen Hasenkamp