Pro
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett – aus dem Filmtitel von 1962 ist Kult geworden, nicht zuletzt wegen des Schlagers von Bill Ramsey.
Na, erklingt der schon in Ihrem Kopf? Keine Sorge, da haben sie eine Weile etwas von.
So wichtig der Krimi der Mimi war, so wichtig ist auch der TV-Krimi am Sonntagabend. Nicht, weil die Filme in der ARD cineastische Meisterwerke wären, nicht weil sich die Drehbuchschreiber im Zurschaustellen ihrer Kreativität Woche für Woche übertrumpfen würden. Tatort und Polizeiruf gehören einfach genau dahin, wo sie sind, auf die Schwelle zwischen ruhigem Sonntag und geschäftigem Wochenstart, dahin, wo der Abschluss des Wochenendes liegt, während der Sonntagsbraten noch schwer im Magen liegt, dahin, wo man sich seelisch wieder auf den Montagmorgen, den frühen Wecker, das karge Schnellfrühstück vor dem Arbeitsstart vorbereitet.
Tatort ist im Grunde so etwas wie Weihnachten, wenn Oma Jahr für Jahr ihren Braten serviert. Oder wie der Geburtstag, an dem es Jahr für Jahr den gleichen Kuchen gibt. Oder Ostern, wenn es Opa Jahr für Jahr ein bisschen zu gut gemeint hat, wenn er das Osterkörbchen für den Enkel bestückt hat. Der Krimi aber kommt jede Woche. Mal ist er schmackhaft wie der Sonntagsbraten, mal auch weniger umwerfend wie die Schoko-Ostereier mit Cremefüllung. Aber: Auf den Sonntagskrimi ist Verlass. 90 Minuten Berieselung. Herrlich.
50 Jahre Tatort Das sind die Top- und Flopteams der LR-Tatotprofis
Tatort ist im Grunde so etwas wie das Dschungelcamp für Denkende. Da erschreckt man fast, wenn es mal wirklich spannend wird. Darauf kommt es nicht mal an. Auf den Sonntagskrimi kann man sich verlassen. Egal wo man gerade ist, egal wie viel Stress der Montag bringen wird, egal, wie schief der Haussegen nach einem kompletten Wochenende hängen mag.
Darum geht’s. Wahrscheinlich auch den neun Millionen Zuschauern, die der Tatort oder der Polizeiruf Woche für Woche vor die Flimmerkiste lockt. Bei aller Netflixerei, bei aller Amazonia, bei aller Mediathekitis. Tatort ist TV, so wie die Tagesschau. Nix Neues, dafür vielleicht sogar umso wichtiger.
Contra
Tatort, Polizeiruf, Morden im Norden, Spreewaldkrimi & Co. haben bei mir keine Chance. Dabei gab es mal eine Zeit, da sah es so aus, dass aus mir mal ein echter Krimifan wird. Die Verantwortung dafür trägt meine leider viel zu früh verstorbene Tante Inge. Der kleine Daniel verbrachte regelmäßig ein paar Wochen seiner Sommerferien bei seiner Oma. Und im selben Haus wohnte eben diese besagte Tante mit ihrem Mann. Und die liebte Krimis. Egal ob in Buchform oder eingepfercht zwischen Tagesschau und Tagesthemen. Während Oma am Abend vor einer Unterhaltungssendung vor sich hin schlummerte, drücke Tante Inge immer zielgenau die Taste an ihrem Fernseher (und viele Tasten hatten die früher nicht), hinter der sich ein Krimi versteckte. Und ich durfte mitgucken. Am meisten mochte sie die Geschichten von Edgar Wallace. Und so gruselte ich mich mit ihr beim Grünen Bogenschützen und dem Hund von Baskerville durch meine Kindheit.
Und dann passierte .... nichts. Wann, wo und warum meine frühe Begeisterung für Krimis verloren ging, weiß ich nicht. Aber als Erwachsener schleicht sich weder ein Krimi in Buchform noch ein Tatort oder Polizeiruf auf dem Bildschirm in den Abend. Ich brauche diese Geschichten mit mordenden Nachbarn, schießenden Geschäftspartnern, gewalttätigen Eheleuten und blutrünstigen Serientätern nicht. Der Nachrichtenalltag, den ich davor in 15 Minuten Tagesschau erlebe, ist oft gruselig genug. Ich kann verstehen, wenn viele Krimifans die Fälle schauen, um miträtseln zu können. Wer war es denn nun? Sind die Kommissare auf der richtigen Fährte? Warum ermitteln sie denn nicht mal in diese Richtung? Und ist der Mörder nicht immer der Gärtner? Mir ist das egal. Wenn ich rätseln will, nehme ich das Smartphone und spiele Quizzduell. Nur wenn sich ein alter Edgar-Wallace-Film ins TV-Programm verirrt, dann könnte ich immer noch schwach werden.
Alles RUNDSCHAU-Artikel rund um das Thema „50 Jahre Tatort“ finden Sie gesammelt in unserem Dossier hier.