Von Silke Halpick
Zwei große Komponisten, die von der Musikgeschichte stiefmütterlich behandelt worden sind, erklingen beim Karfreitagskonzert in der Cottbuser Kreuzkirche: Telemanns Der Tod Jesu und Jan Zelenkas Missa Santi Josephi waren in Cottbus noch nie im Konzert zu erleben, wie Christian Möbius, Leiter der Singakademie Cottbus, betont. Der Kammerchor der Singakademie, das Bach Consort sowie die Solisten Theresa Suschke, Rahel Brede, Matthias Bleidorn und Nils Stäfe bringen die Stücke in historischer Aufführungspraxis zu Gehör.
Mit Karfreitag eng verbunden ist Telemanns Kantate aus dem Jahr 1755. Schon im Vorspiel werden die Zuhörer sofort hinein in das Mysterium um Passion, Kreuzigung und Auferstehung Christi geführt. Es ist ein sehr emotionales Werk mit bemerkenswert abwechslungsreicher Musik, sagt Möbius. Das Oratorium entstand etwa zur gleichen Zeit wie das gleichnamige Werk von Carl Heinrich Grauns. Beiden Komponisten diente dasselbe Libretto von Karl Wilhelm Ramler als Vorlage, sie tauschten sich sogar miteinander aus. Doch Telemann führte es zuerst auf, erzählt der Chordirektor.
Telemann war der berühmteste und erfolgreichste Komponist seiner Zeit. Als städtischer Musikdirektor, Chef der Oper und Betreiber eines Eigenverlages bewältigte er ein enormes Arbeitspensum, sagt Möbius. Seine Werke seien in ganz Europa begehrt gewesen, auch an den Höfen der Könige. Allerdings geriet er später als sogenannter Vielschreiber in Verruf. Schon mehr als 25 Jahre ist es her, dass zuletzt ein Telemann-Oratorium in Cottbus erklang.
Selbst die Bürger Hamburgs hatte den Komponisten in ihr Herz geschlossen, plaudert Möbius weiter. Denn nachdem dessen Frau das gesamte Vermögen durchgebracht und mit einem schwedischen Offizier durchgebrannt war, sammelten sie auf einem Benefizkonzert Geld für ihn, um die Schulden zu begleichen. Telemann kaufte sich nach der Scheidung einen Garten und züchtete Blumen. Er bekam Blumensamen von Künstlerkollegen aus aller Welt geschickt, erzählt Möbius schmunzelnd.
Von Zelenkas Messe zu Ehren des Heiligen Joseph schwärmt der Leiter des Bach Consorts als ein prächtiges und von Fröhlichkeit getragenes Werk, das einfach hervorragend zum Osterfest passe. Komponiert wurde es für ein großes Orchester. Zelenka griff erstmals in einem geistlichen Werk überhaupt den Opernstil aus Cleofide von Johann Adolf Hasse auf, der ihn sehr beeindruckt hatte. Zelenka wurde als böhmischer Bach bezeichnet, berichtet Möbius. Doch trotz seines Talents sei ihm der Aufstieg zum Hofkapellmeister in Dresden immer verwehrt geblieben. Ein Schicksal, an dem er letztlich zerbrach, sagt er. Zelenkas Nachlass wurde 200 Jahre lang in einem Schrank verschlossen. Selbst Telemann, der vom Hof Noten erwerben wollte, habe eine Abfuhr erhalten.
Beim Karfreitagskonzert kommen traditionell wieder zahlreiche historische Instrumente zum Einsatz, darunter Barocktrompeten, Naturhörner oder eine Theorbe, eine Laute mit stark verlängertem Hals. Dem Bach Consort, das aus Musikern des Philharmonischen Orchesters besteht und von Christian Möbius geleitet wird, ist es ein ganz besonderes Anliegen, die jahrhundertealten Kompositionen auch auf Instrumenten, wie sie damals existierten, zu Gehör zu bringen.
Auf das Wiedersehen mit Solistin Thea Suschke freut sich der Musikdirektor ganz besonders. Die Sopranistin mit der für Barockmusik besonders geeigneten schönen Stimme begleitete die Sinfonischen Chöre aus Cottbus und Dresden sowie den Bachchor Eisenach bereits beim Luther in Worms-Projekt vor zwei Jahren. Damals gingen alle zusammen sogar auf USA-Tournee.
Anfang Juli werden der Sinfonische Chor und der Bachchor Eisenach wieder auf der Bühne stehen: zum Sonderkonzert Die Schöpfung von Joseph Haydn. Haydn wertete in dem Oratorium die Rolle des Chors gegenüber den Solisten deutlich auf, was sich als ein wegweisender Schritt für die Entwicklung des Chorgesangs im 19. Jahrhundert erwies. Schon die Uraufführung der Schöpfung war ein sensationeller Erfolg, der bis heute andauert.