Von Christian Köhler

Gespannt warten rund 200 Besucher vor dem Bahnhof in Weißwasser. Mit Musik und Trommeln der Lebenshilfe Weißwasser wird die Aufmerksamkeit der Gäste auf die Künstler gelenkt. Prompt stoppt die Musik. Wilhelm Wagenfeld tritt auf – und begrüßt, wie sollte es anders sein – Ernst Neufert.

Beide stehen für das Bauhaus, für Bauhaus in Weißwasser. Er, Neufert, der Architekt, er, Wagenfeld, der Designer. „Wir haben ein Jahr lang intensiv gearbeitet, geprobt, uns in die Geschichte der Stadt hineingearbeitet“, ruft Wagenfeld den Leuten zu und sagt: „Und ich will nicht nur auf meine Lampe reduziert werden.“ Neufert, der einst den Industriebau auf Wagenfelds Wunsch in Weißwasser errichtet hat, sagt: „Weißwasser steht für Bauhaus, aber wir brauchen einen neuen Gebrauch der Stadt. Wir müssen uns fragen: Wer will ich sein in Weißwasser?“

Für die Besucher hat sich anschließend die Möglichkeit geboten, an Orte zu kommen, die sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Mit Theater, Witz aber auch mit Geschichte haben die Künstler – und das sind nicht irgendwelche, sondern zum Großteil Weißwasseraner – von ihrer Stadt erzählt, vom Bauhaus, der Architektur, der Industrie, von Aufstieg und Niedergang.

„Ich denke, der Auftakt ist gut gelungen“, resümiert Professor Holger Schmidt, Vorsitzender des Neufert-Bau-Vereins. „Es ist nicht ganz so einfach, das Thema künstlerisch zu verpacken, aber der Ansatz, die Bürger mit einzubeziehen, zeigt, dass es die Menschen interessiert, was in ihrer Stadt gewesen ist und was kommen wird.“

Niemand sonst könnte das wohl besser erzählen als Uli Teichert, der einst im ehemaligen Spezialglaswerk Telux gearbeitet hat. Heute begrüßt er die Besucher als „Glaskalfaktor“. Lässt sie mit Schürzen und Handschuhen einen Rundgang durch das einstige Osramwerk spazieren.

In der ehemaligen Glasfachschule halten unterdessen Ernst Neufert und Wilhelm Wagenfeld Vorlesungen, setzen sich auch mit der Geschichte der Stadt sowie des Bauhauses auseinander. Denn die Geschichte der Architekturschule ist nicht frei von Widersprüchen. Zwar ist das Bauhaus 1933 unter dem Nationalsozialismus zur Auflösung gezwungen worden, die Ideen aber lebten fort – auch während des Dritten Reiches. Allein die Vorstellungen von Neufert selbst wurden von den nationalsozialistischen Machthabern geschätzt und gefördert.

Dass sich die Künstler um das Team von Stefan Nolte, dem künstlerischen Leiter des Projektes „Modellfall Weißwasser – Das Masz aller Dinge“, mit Licht und Schatten des Bauhauses beschäftigen und die Geschichte der Stadt zusammen mit den Einheimíschen erzählen, stößt beim Publikum auf große Resonanz. „Es ist wirklich sehr interessant, was es in Weißwasser zu sehen gibt“, sagt Bernd Schmidt, der mit seiner Familie aus Berlin angereist ist. Als Bauhaus-Stadt habe er Weißwasser nicht gekannt, „aber in der Stadt sind Brüche und Geschichte sichtbar, wie kaum irgendwo anders.“ Architekt Roland Ladusch aus Weißwasser ist begeistert: „Ich denke, die Veranstaltung ist eine rundum gelungene Sache.“

Da passt es auch, wenn Elvira Slawinski im Volkshaus-Garten singt, Petra Greiner die Besucher durch einige Räume des Volkshauses führt. Und Jelena und Alexej Schmidt vom Verein „Wir sind wir“ den Besuchern ein Begrüßungsständchen singen und den Weißwasseranern und ihren Gästen zurufen: „Sie und ich sind schließlich die Lausitz von morgen“

Fotos vom Straßentheater zum Bauhaus-Jahr in Weißwasser gibt es unter www.lr-online.de/bilder

Der stadtchor auf Besichtigung in der Telux.

Bildergalerie Der stadtchor auf Besichtigung in der Telux.