Von Rüdiger Hofmann
Die These klingt heftig, die Renate Künast auf Gut Ogrosen in einer Diskussion unter Biolandwirten, Politikern und Ernährungsräten fallen lässt. Unser Ernährungssystem ist gescheitert, sagt die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin. Was sie meint, ist der Raubbau an der Natur und die Profitgier von Unternehmen, die weltweit die billigsten Rohstoffe aufkaufen. Außerdem sind wir Verbraucher überfettet und überzuckert.
Bedenklich äußert sich Künast auch über Werbung, die in der Ernährungswirtschaft gezielt gegenüber Kindern eingesetzt wird. Kinder lieben Geschichten, und sie werden durch geschickte Marketingaktionen immer häufiger in die Irre geführt, wenn es um Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln geht. Ein Zuhörer aus dem Publikum ergänzt: Es ist nicht gerecht, dass ich einen Hochschulabschluss brauche, um im Supermarkt die Inhaltsstoffe in den Lebensmitteln zu verstehen.
Viel Zündstoff also in der Diskussionsrunde in Ogrosen, die vom Kreisverband Bündnis 90 / Die Grünen einberufen wurde. Zentrale Fragen wie Kann ich mir Fleisch noch leisten?, Ist es möglich, mit nachhaltiger Landwirtschaft die wachsende Bevölkerung zu versorgen? oder Gefährdet der Klimawandel unsere Nahrungsmittelproduktion? konnten zumindest in Ansätzen beantwortet werden.
Besorgniserregend sind die immer größer werdenden Betriebsstrukturen, sagt Heiner Lütke Schwienhorst - auch im Hinblick auf die Erweiterungspläne der naheliegenden Schweinemastanlage Tornitz. Hier muss es künftig einen Deckel geben, vor allem aus ästhetischen Gesichtspunkten.
Rahel Volz von der Werkstatt für sozial-ökologischen Wandel befindet sich beim Aufbau eines Ernährungsrates. Dabei geht es ihr um eine umfassende Ernährungsstrategie von der Lebensmittelerzeugung über die Verpflegung in Kitas und Schulen bis zur Akzeptanz beim Endverbraucher. Wir müssen das Bewusstsein der Leute schärfen für gesunde und regionale Produkte. Dem Verbraucher sollten die Konsequenzen seines Handelns klargemacht werden, was zum Beispiel passiere, wenn man jeden Tag Fleisch esse. Die Jugendlichen müssen lernen, wo das Essen eigentlich herkommt, sagt Stefan Schön von Bündnis 90/Die Grünen. Und dass eine 100 000-Liter-Kuh nicht artgerecht ist.
Apropos Kühe: Landwirt Heiner Lütke Schwienhorst führte im Vorfeld der Diskussionsrunde über seinen Biohof in nunmehr dritter Generation. Seit 1991 ist der Betrieb auf ökologischen Landbau umgestellt. Mit dem Milchschafhof Schafgarbe und dem Ziegenhof am Gut Ogrosen bildet er die ökologische Höfegemeinschaft Gut Ogrosen. Dort leben etwa 120 Milchkühe und deren weibliche Nachzucht mit 120 Tieren. Sie gehören der Rasse Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind an.
Die gewonnene Milch verarbeiten wir in der hofeigenen Käserei zu handwerklich hergestellten Milchprodukten, den Großteil aber liefern wir an die Gläserne Molkerei in Münchehofe, sagt Heiner Lütke Schwienhorst. Seit Mai 2018 haben wir durch den Bau unserer Heutrocknungshalle die Möglichkeit, unsere Kühe neben der Weide nur noch mit Heu zu füttern und auf Silage zu verzichten. Somit kann die Milch als Heumilch vermarktet und verarbeitet werden, so Lütke Schwienhorst. Neben den Milchkühen gibt es noch rund 30 Schweine, die als Ferkel vom Milchschafhof Schafgarbe bezogen werden. Sie leben in einem mit Stroh eingestreuten Offenstall und verwerten die eiweißreiche Molke, die bei der Käseherstellung anfällt.
Insgesamt werden auf Gut Ogrosen 420 Hektar Acker und Weiden bewirtschaftet. Grundlage für die Versorgung der Kühe mit Grobfutter (Gras) sowie der gesamtbetrieblichen Fruchtfolge bildet ein Kleegras-Luzerne Gemisch, das auf etwa 170 Hektar der Betriebsfläche angebaut wird. Der Anbau von zweijährigem Feldfutter mit Klee und Luzerne ist der Schlüssel für eine fruchtbare und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft, so Lütke Schwienhorst. Zum einen werde exzellentes Futter erzeugt, zum anderen werde der Boden ganz natürlich ohne synthetische Dünger mit dem wichtigen Pflanzennährstoff Stickstoff angereichert.