In Fetzen schält sich die alte, verwitterte Dispersionsfarbe von den Friedenstauben und musizierenden Jungpionieren mit ihren Blechtrommeln ab. Trotz ihres Alters sind die verblassten Farben der denkmalgeschützten Wandfliesen im Treppenhaus der Neuen Oberschule in Hoyerswerda noch gut zu erkennen.
Vorsichtig tupft Restauratorin Sigrun Freund von der gleichnamigen Firma „Restaurierung Farbdesign Freund“ aus Doberschau bei Bautzen über die Verunreinigungen. Ihr Wattepfropf ist nur mit destilliertem Wasser getränkt. „Das ist das beste Reinigungsmittel überhaupt“, sagt sie. Selbst die hartnäckigen, schwarzen Edding-Schmierereien lassen sich damit entfernen.
Zeitgeschichte pur
Fliese um Fliese arbeitet sich Sigrun Freund bis zum Ende der Sommerferien am 28. August durch mehr als 400 Gipsintarsien. Jede einzelne ist ein Unikat. „Der Künstler Kurt-Heinz Stieger fertigte die Gipsplatten 1958 in seinem Atelier“, erzählt sie. Erst als die kunstvollen Kacheln bereits an der Wand angebracht waren, trug er den schützenden Dispersionslack auf.
Jetzt, über 60 Jahre später, stehen Baugerüste vor den beiden, circa zweieinhalb mal sechs Meter großen Wandbildern. „Das ist wirklich Zeitgeschichte“, sagt Restauratorin Freund über die historischen Motive. In mühevoller Detailarbeit haucht sie der sozialistischen Kunst wieder Leben ein.
Gemälde mit Friedenstauben werden restauriert
Bis zum Start des neuen Schuljahres 2020/21 sollen die Jungen Pioniere und Friedenstauben denkmalgerecht restauriert sein – und die Schüler auf dem Weg in die neuen Fachräume für Biologie, Chemie und Physik grüßen. Nicht nur die beiden besonderen Wandbilder, auch das denkmalgeschützte Gebäude von Hoyerswerdas Neuer Oberschule kann wohl heute durchaus als einzigartig bezeichnet werden.
Wie Bauingenieur Thomas Gröbe vom Planungsbüro Bauhoys bestätigt, wurde der einstige Prototyp der Schulneubauten in der ehemaligen DDR nur dreimal gebaut. „Neben Hoyerswerda auch in Mecklenburg-Vorpommern und Halberstadt“, sagt er. Die pavillonartig mit drei Seitenschiffen konstruierte Neue Oberschule in der Claus-von-Stauffenberg-Straße ist die letzte fast vollständig erhaltene dieses Typs. „Nur die Sporthalle fehlt.“
Hohe Kosten durch Denkmalschutz
Wirtschaftlich sei der Schulbau damals sehr aufwendig gewesen. Die Schule wurde mit einer Kostenüberschreitung von 25 Prozent realisiert. Auch jetzt, bei der Sanierung, greift Hoyerswerda tief in die Tasche. Ein intensiver Kostenfaktor bei der Sanierung sei die Einhaltung der Auflagen vom Denkmalschutz.
Immerhin, die Instandsetzung des Schulbaus exklusive der Sporthalle kostet mehr als zwölfeinhalb Millionen Euro. Allerdings wird die Herrichtung des öffentlich genutzten Denkmalschutzobjektes sehr großzügig gefördert, weil der Schulbau „Teil eines Stadtgefüges“ ist. „So könnten beispielsweise Bücherei oder Mensa nach Schulschluss an Dritte vermietet oder die Aula auch außerschulisch für Vorträge genutzt werden“, sagt Bauingenieur Kröbe.
Vandalismus, Feuchtigkeit und Nässe sorgen für Schäden
1958 als Ernst-Schneller-Schule eröffnet und nach der Wende in Konrad-Zuse-Gymnasium umbenannt, stand das Gebäude seit etwa 2004 leer. Irgendwann war das Dach undicht, die Regenleitungen defekt und die Fenster eingeschlagen. Die Elektroleitungen wurden gestohlen, Heizkörper entwendet. Vandalismus, Feuchtigkeit und Nässe forderten ihren Tribut.
Doch inzwischen ist der Lack wieder dran. Die Malerarbeiten sind längst abgeschlossen. Befunde der alten Farben wurden fachmännisch entnommen und diese wieder neu aufgelegt, und die Fassade originalgetreu restauriert. Vom Pavillon und der Aula bis zu den Treppenhäusern und dem Foyer erstrahlen die Wände in den vier typischen Bauhausfarben Rot, Ocker, Blau und Anthrazit.
Auch die Türen sind wieder schick. Während die Außentüren nach altem Muster neu aufgebaut wurden, hat man die inneren, doppelten Pendeltüren vorm Foyer als Windfang restauriert. „Der alte Lack wurde entfernt, Schadstellen ausgebessert und Sicherheitsglas eingesetzt“, erklärt Bauingenieur Kröbe. Selbst die alten, verrosteten Griffe wurden erneuert, also blau lackiert und teils verchromt.
Neue Sicherheitsauflagen verlangen Anpassungen
Sogar der historische Trinkbrunnen wurde wieder original nachgefertigt. Wie Architekt Jens Nixdorf vom Architektenbüro Gattas erklärt, bleibt das Becken mit den blauen Fliesen aber trocken. „Das Wasser fließen zu lassen, wäre wegen der Hygienevorgaben zu aufwendig gewesen.“ Damit die Schüler in den Pausen dennoch ihre Kehlen benetzen können, werden sowohl im Alt- als auch im Neubau der Schule zwei neue Trinkbrunnen gebaut.
Nur das historische Geländer konnte aus baurechtlichen Gründen nicht erhalten werden. Die Sicherheitsauflagen wurden im Laufe der Jahre strenger. Während eine Geländerhöhe von 90 Zentimetern damals noch zulässig war, sind heute 1,10 Meter vorgeschrieben. Auch die Abstände der Geländer-Streben haben sich verändert. Damit dort kein Kinderkopf durchpasst, dürfen zwölf Zentimeter nicht überschritten werden.
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