Zu Ostern herrscht in Wittichenau eine ganze besondere Atmosphäre. Diese lässt sich kaum in Worte fassen, man muss sie persönlich miterleben. Den Höhepunkt bilden die Prozessionen der Kreuz- beziehungsweise Osterreiter. Sie reiten am Vormittag des Ostersonntages von Wittichenau nach Ralbitz.
Im Gegenzug schickt das rund zwölf Kilometer entfernte Dorf eine Prozession nach Wittichenau. Dabei wird die Auferstehung des Herrn, also die Osterbotschaft, singend und betend verkündet. Beide Prozessionen dürfen sich nie begegnen. Am Nachmittag und frühen Abend kehren Pferde und Reiter wieder in ihre jeweiligen Heimatorte zurück.
Die Wittichenauer Prozession gliedert sich traditionell in einen deutschen und in einen sorbischen Teil. Nach Angaben von Prozessionsleiter Steffen Kobalz werden in diesem Jahr um die 340 Reiter teilnehmen. Zum Vergleich: Vor zwölf Monaten waren es 355 Reiter, ausschließlich Männer. Die jüngsten Reiter sind zwischen 14 und 15 Jahre alt und an ihren grünen Kränzchen zu erkennen.
Wer der älteste Wittichenauer Kreuzreiter ist
Im deutschen Teil der Wittichenauer Prozession ist Horst Dutschmann zum 60. Mal dabei und somit ältester Teilnehmer. Sein Schwiegersohn Christoph Schimann reitet zum 40. Mal mit, ebenso wie Joachim Wowtscherk, teilt Steffen Kobalz mit. Jubilare, die das 25. Mal mitreiten, sind am silbernen Kränzchen zu erkennen. Wer zum 50. Mal dabei ist, darf ein goldenes Kränzchen tragen.
Während die österlichen Reiterprozessionen im Jahr 2020 vom Landkreis Bautzen aufgrund der Corona-Pandemie komplett abgesagt wurden und im darauffolgenden Jahr unter verschiedenen Beschränkungen wieder stattfinden durften, gibt es dieses Jahr keinerlei Auflagen. Allerdings müssen sich die Reiter mit einem anderen Problem auseinandersetzen. So wird es immer schwieriger, die entsprechenden Pferde zu bekommen. Die Pferdehaltung in der Region geht zurück.
Deshalb werden die Rösser im Umkreis von 100 bis 150 Kilometern ausgeliehen. Diese müssen kurz vor Ostern nach Wittichenau gebracht und nach den Prozessionen wieder in ihre Heimatorte zurücktransportiert werden. Das sei ein nicht zu unterschätzender Aufwand, bekennt Steffen Kobalz.
Günstiger verhalte es ich indes mit den Ausrüstungen, welche die Kreuzreiter zu Ostern benötigen. Diese würden schließlich größtenteils in den Familien weitervererbt. Somit entfalle in der Regel die jährliche Neubeschaffung.
Tipps vom Prozessionsleiter für Zuschauer
Die Prozessionen werden von Tausenden Gästen entlang der Plätze, Straßen und Wege verfolgt. Aber wo befinden sich die günstigen Standorte? Wäre Prozessionsleiter Steffen Kobalz Zuschauer, so würde er den Wittichenauer Markt als Standort bevorzugen. „Man sollte bereits am Ostermorgen zu Beginn der Prozession vor Ort sein. Dann bekommen die Zuschauer ganz besonders die Osterfreude zu spüren“, rät der Wittichenauer Unternehmer.
Zeitiges Kommen sichert gute Plätze. Der Beginn der Prozession ist gegen 9.25 Uhr. Parkflächen sind entsprechend ausgewiesen. Diese können aber erfahrungsgemäß schnell knapp werden. Die Ralbitzer Reiter treffen circa 12.15 Uhr in Wittichenau ein. Sie reiten dann um 15 Uhr wieder ab. Die Wittichenauer kommen gegen 18 Uhr heimwärts. Die Ankunft der Reiter wird durch Glockengeläut angekündigt. Anfangs- und Endpunkt der Prozessionen sind die jeweiligen Kirchen.
Was die Gäste in Wittichenau noch beachten sollten
Wichtig zu wissen ist, dass sich die Besucher der Prozessionen ruhig verhalten und genügend Abstand zu den Pferden halten. Das Kreuz- beziehungsweise Osterreiten ist ein rein religiöser Brauch. Kommerz rund um die Prozessionen suchen Gäste vergebens. Das war immer so und werde auch immer so bleiben, betont Steffen Kobalz.
Was für ihn persönlich das Kreuzreiten bedeutet, formuliert der Wittichenauer so: „Die besten und schönsten Dinge auf der Welt kann man halt nicht sehen oder hören. Man muss sie mit dem Herzen fühlen. Das ist für mich die traditionelle Kreuzreiterprozession am Ostersonntag. Ich freue mich und bin stolz über jeden jungen Mann, der diese jahrhundertealte Tradition fortführen möchte.“
Einst wurde von Wittichenau nach Hoyerswerda geritten
Bereits seit dem Jahr 1541 reiten die Wittichenauer alljährlich am Ostersonntag nach Ralbitz, um die Botschaft von der Auferstehung des Herrn zu verkünden, heißt es von der katholischen Pfarrgemeinde St. Mariä Himmelfahrt im Elsterstädtchen. Im Gegenzug reiten die Ralbitzer Reiter nach Wittichenau. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts waren die Wittichenauer dagegen nordwärts unterwegs. Sie besuchten damals die Partnergemeinde Hoyerswerda. Durch die Reformation wurde Hoyerswerda allerdings evangelisch, während Wittichenau katholisch blieb. Heute gibt es in der Zuse-Stadt wieder eine katholische Gemeinde. Dass eine Reiterprozession erneut von Wittichenau nach Hoyerswerda unterwegs ist, kann sich Prozessionsleiter Steffen Kobalz indes nicht vorstellen.