Von Steffi Ludwig
Da sind diese Koffer. Fünf Stück, einer für jeden. Aufgetürmt liegen sie auf dem Kopfsteinpflaster an der Forster Stadtkirche. Die fünf Tänzer schreiten, springen, tanzen oder rollen um sie herum und drücken damit verschiedene Gefühlszustände aus, die beim Nachdenken über den Begriff Heimat entstehen können. Bewegungen, die Ratlosigkeit symbolisieren. Die Blicke der anderen, die schmerzen können. Die Freude beim Geruch der Heimat, die in Form von Blättern und Blüten in einem der Koffer steckt.
In Zeiten wie diesen... hat die Cottbuserin Golde Grunske ihre Choreografie genannt, die sich mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation in der Lausitz auseinandersetzt. Um dem nachzuspüren, hat sie im Vorfeld mit mehreren dutzend Menschen gesprochen, darunter sowohl Cottbuser als auch Flüchtlinge. Im Mittelpunkt stand der Begriff Heimat, und viele Punkte aus den Interviews sind dann in die Choreografie eingeflossen, erklärt Golde Grunske, während sie die Tänzer ihrer Tanzkompanie an der Forster Kirche beobachtet und sich ab und zu Notizen macht.
Es ist die erste öffentliche Probe nach vier Wochen intensiven täglichen Trainings, berichtet die Tänzerin und Choreografin. Auch die Premiere wird am kommenden Freitag, 20. September, an dieser Stelle in Forst stattfinden. Golde Grunske hatte nach Auftrittsorten gesucht, und so kam sie über eine Vermittlung dann nach Forst, berichtet Stadtteilmanagerin Kathleen Hubrich, die das Motto des Herbstmarktes Goldener Herbst in Anlehnung an den Vornamen der Choreografin sehr passend findet.
Die Koffer habe sie gewählt, weil diese Symbol für vieles sein können, so Golde Grunske. Gerade werden einem der Tänzer drei Koffer auf den Rücken gestapelt. Heimat kann einen auch erdrücken, wenn man nicht loslassen kann, erklärt die Choreografin die Szene. Und auch das Heimweh, das bei vielen Flüchtlingen an erster Stelle steht, kann erdrücken. Und dann sind da die bürokratischen Hürden, die manchmal nicht überwunden werden können symbolisiert mit dem Anrennen gegen eine menschliche Mauer. Und was würden wir eigentlich in einen Koffer packen, wenn wir flüchten müssten? Auch darüber haben wir uns Gedanken gemacht, so Golde Grunske, die das Tanzstück vom Land Brandenburg gefördert bekam. Tänzerin Denise Noack liest dazu einen kleinen Text: etwas zu essen, das lange hält, Zahnpasta, eine Taschenlampe und was ist eigentlich mit dem Handy? Das Stück will Denkanregungen geben. Ich fände es schön, wenn jeder seine Geschichte darin sieht, so die Cottbuserin.
Auch das Strukturwandel-Thema möchte sie ansprechen: Ich möchte die Botschaft aussenden, dass wir den Strukturwandel positiver betrachten sollten, als Chance für uns. Sicher ist vieles schwierig, aber wir sollten mit Mut und Hoffnung nach vorne schauen. Auch der Perspektivwechsel, den einer der Tänzer mit Kreide auf den Boden schreibt, könne in vielen Situationen hilfreich sein.
Viele neugierige und auch verwunderte Blicke von Passanten hat die Tanzkompanie in Forst jedenfalls geerntet vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass quasi lautlos getanzt wurde. Eine musikalische Begleitung wird zu den Aufführungen von Konrad Jende und Javid Kooravand beigesteuert.
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