Von Dr. Rainer Ernst

„Dampf wallt auf! / Flackernd steigt die Feuersäule, / Durch der Straße lange Zeile / Wächst es fort mit Windeseile; / Kochend, wie aus Ofens Rachen, / Glühn die Lüfte, Balken krachen, / Pfosten stürzen, Fenster klirren, / Kinder jammern, Mütter irren…“

Diese Verse kannte in den Vorgängergenerationen wohl jedes Schulkind. Am 9.August 1898 erlebten die Finsterwalder mit Schrecken, dass Friedrich Schiller diese Worte in seinem „Lied von der Glocke“ nicht nur künstlerisch meisterhaft, sondern auch sehr realistisch gewählt hatte. Es war wieder einmal ein Brand ausgebrochen: Eine Tuchfabrik stand in hellen Flammen. Dies geschah nicht zum ersten Mal. Schon im Juni 1874 war das Biegersche Textilunternehmen in Asche gesunken, und im Februar 1892 kündeten Qualmwolken über der Stadt vom Brand im Wolllager der Tuchfabrik Schäfer.

Großbrand in Tuchfabrik Koswig: Bericht vom Luckauer Kreisblatt

Nun aber traf es die modernste Tuchfabrik in Finsterwalde. Lesen wir den Bericht des Luckauer Kreisblattes vom 13. August 1898: „Von Dienstag Abend 11 Uhr bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages brannte auf dem Fabrikgrundstück der Firma F. F. Koswig (Inhaber Max Koswig) das Hauptgebäude aus. Etwa 90 Webstühle, die Spinnmaschinen und das Wolllager sind vernichtet. Wie das Feuer in dem einem Uhrwerk gleich regelmäßig und correkt laufenden, wohl beobachteten und peinlich gehüteten Betriebe ausgekommen, ist ein Räthsel. Ohne daß am Abend auch nur eine Spur eines Brandgeruchs zu bemerken gewesen wäre, stand das Hauptfabrikgebäude um 11 Uhr schon in hellen Flammen. Jede Wassermenge, die auch die Spritzen unserer Feuerwehr  zu geben vermag, erwies sich ohnmächtig. Fensterreihe um Fensterreihe nach dem linken Flügel hin, eroberte das aller menschlichen Anstrengung Hohn sprechende Element. Um ½ 2 Uhr hatte es die ganze Front des 18 Fenster langen Hauptgebäudes in seiner Gewalt. Nur das Treppenhaus, das sich im rechten Winkel in der Mitte an das erstere setzt, mußte es verschont lassen, hier blieb es infolge des feuersicheren Abschlusses und auch der äußerst solid, jede Gefahr ausschließenden Bauart wegen machtlos. Wie verlautet, soll das Feuer im Dachgeschoß ausgekommen sein. Hier lagerte Wolle und zwar in der Länge des ganzen Gebäudes. Vom linken alten Gebäude griff das Feuer in alle Säle über, sodaß die Anstrengungen unserer Feuerwehren vergeblich erschienen und man auch den abgelöschten rechten Theil preisgeben mußte. Der Schaden ist groß; das Maschinenmaterial war ein vorzügliches, die Einrichtungen nicht allein überaus praktisch, sondern auch kostspielig.  Das Gebäude und Materialien-, wie Maschinenwerth, der der Vernichtung anheimgefallen ist, kann sich auf 300 000 Mk. beziffern.“

Tuchfabrik Max Koswig in wirtschaftlicher Blütezeit

 Der Brand traf den Koswig’schen Betrieb in einer Phase wirtschaftlicher Blüte – im Vorjahre war hier das 100 000. Stück Tuch der Betriebsgeschichte gewebt worden – und der unternehmerischen Expansion. Gerade hatte Koswig die Tuchfabrik seines jüngst verstorbenen väterlichen Freundes und Konkurrenten B.R. Haberland am Langen Damm übernehmen können. Dies erwies sich angesichts der Brandkatastrophe nun als absoluter Glücksfall – nicht nur für den Fabrikbesitzer, sondern auch für die Belegschaft. Kein Arbeiter musste entlassen werden. Koswig beantragte für seinen Betrieb am Langen Damm bei den Behörden, Nachtschichten einrichten zu dürfen. Dies wurde genehmigt, und Max Koswig konnte so alle georderten Aufträge erfüllen und musste keinem Kunden absagen.

Weiteres Feuer in Tuchfabrik Koswig

Der Wiederaufbau in der Brunnenstraße erfolgte dann recht schnell, dabei fanden feuerfestere Materialien Verwendung. Freilich garantierte dies nicht, künftig von Bränden verschont zu bleiben. Im Dezember 1908 wütete erneut ein Feuer in der Wollwäscherei der Firma Koswig und zerstörte dort das Sheddach.

Bei diesen Erfahrungen verwundert es nicht, dass sich Max Koswig später immer wieder als großzügiger Sponsor für die Finsterwalder Feuerwehr engagierte.