Diesen heißen Nachmittag mit vielen Leichen werden die Besucher im ausverkauften Saal des Kulturhauses Plessa so schnell nicht vergessen. Prof. Michael Tsokos (56), Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Charité Berlin und Bestsellerautor, stellt sein neues Buch „Mit kalter Präzision“ vor.
Rund 500 Besucher, zum Teil im jugendlichen Alter und laut den Autokennzeichen vor dem Kulturhaus aus dem gesamten Bundesgebiet kommend, wollen sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen.
Geplündertes Kraftwerk führt Michael Tsokos nach Plessa
Eigentlich tritt Michael Tsokos eher in Städten auf. Warum jetzt Plessa? Er interessiere sich auch für verlassene Orte mit besonderer Magie. Das verlassene Kraftwerk sei so einer. Bei seinem Besuch traf er auf Amtsdirektor Göran Schrey (50). Dieser nutzte die einmalige Gelegenheit und überredete den Rechtsmediziner, doch mit einem Vortrag zurückzukehren.
Ob das Kraftwerk sogar eine Rolle in einem seiner künftigen Romane spielen werde, hänge davon ab, ob sich die darstellenden Hauptfiguren irgendwie nach Plessa bringen lassen, so Michael Tsokos. „Das Gebäude hat Charme für so etwas“, sagt er. Aber: Er beschreibe in seinen Büchern keine erfundenen Geschichten, sondern echte Fälle.
Michael Tsokos verrät, gern wieder nach Plessa zu kommen. Doch dafür bräuchte das Kulturhaus eine größere Leinwand. Darüber würde bereits verhandelt, so Bürgermeister Gottfried Heinicke (66). Auch er staune, dass Hunderte Besucher an einem heißen Spätsommertag in das Kulturhaus gekommen seien, zum Teil von weit her.
Nach den Bestsellern „Zerschunden“, „Zersetzt“, „Zerbrochen“, „Zerrissen“, „Zerteilt“, „Abgeschlagen“, „Abgefackelt“ und „Abgetrennt“ wird in dem neuen Buch von Michael Tsokos die Geschichte der Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao geschildert, die zum Tatort des Mordes an der Frau des renommierten Berliner Schönheitschirurgen Roderich Kracht gerufen wird.
Zustand der Hauptstadt Berlin stimme bedenklich
Untermalt wird die Lesung mit originalen Fotos aus der Rechtsmedizin wie im Hörsaal einer Universität. Die Großstadt Berlin spucke jeden Tag zahlreiche Tote aus, mit zu klärenden Todesursachen. Manchmal lägen Leichen Wochen, Monate oder Jahre in einer Wohnung. Diese von keinem vermissten Menschen würden viel über den sozialen Zustand einer Großstadt aussagen, so der Rechtsmediziner. Anhand der Fotos echter Fälle erleben die Besucher hautnah die Spurensuche mit. Nichts für schwache Nerven. Zwei Besucher kippen um. Es bleibt unklar, ob wegen der Hitze im Kulturhaus oder wegen der Bilder.