Seit Stunden versucht die Polizei, die Umweltschützer zum Einlenken zu bewegen. Gefruchtet hat das zunächst nur in Welzow. Nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizei hätten acht Frauen und fünf Männer den Bagger im Tagebau verlassen, teilt Ines Filohn von der Polizeidirektion Süd in Cottbus mit. Sie wurden weiteren polizeilichen Maßnahmen zugeführt, so Filohn weiter.
Einige Stunden später gaben die Besetzer nach Informationen der Polizei auch das Großgerät im Tagebau Jänschwalde frei. Die zehn Personen waren zunächst nicht gewillt, den Bagger zu verlassen. Sie bestanden laut Pressesprecherin Ines Filohn auf einer öffentlichkeitswirksamen Maßnahme der Polizei. Die Polizei lehnte dies ab, weil für die Einsatzkräfte eine lebensgefährliche Situation entstehen würde. Die Einsatzkräfte vor Ort suchten weiterhin das Gespräch mit den Akteuren, um sie zum Verlassen des Großgerätes zu bewegen. Wie Ines Filohn erklärt, liefen bereits kriminalpolizeiliche Ermittlungen wegen des Tatverdachts der Störung öffentlicher Betriebe.
Kohlegegner hatten am Montagmorgen Bagger in den Tagebauen Jänschwalde und Welzow-Süd besetzt. Der Pressesprecher des Energieunternehmens Leag, Thoralf Schirmer, erklärte gegenüber der RUNDSCHAU: Vier bis fünf Aktivisten haben einen Vorschnittbagger in Welzow besetzt. In Jänschwalde hätten sich Kohlegegner vom Aussichtspunkt auf den Bagger an der Förderbrücke abgeseilt, schilderte der Sprecher weiter. Die Förderbrücke sei am Montag wegen Wartungsarbeiten planmäßig außer Betrieb. Bei den Aktionen wurde niemand verletzt, erklärte Thoralf Schirmer. Die Leag prüfe nun rechtliche Schritte gegen die Besetzer. Denn sie stören betriebliche Abläufe, sagte er weiter. Noch sei zudem nicht klar, ob Sachbeschädigungen zu beklagen seien.
Pfingsten 2016 hatten mehr als 1500 Teilnehmer einer Aktion von „Ende Gelände“ den Tagebau Welzow-Süd besetzt und teils gewaltsam gegen die Kohleverstromung protestiert.
Leag-Vorstand zweifelt an Kompromisswillen
Von Unternehmensseite reagierte man äußerst befremdet auf die Aktionen der Kohlegegner: Leag-Bergbauvorstand Uwe Grosser brachte das Unverständnis der Bergleute und Kraftwerker auf den Punkt: Der Bericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, der eigentlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens für einen geordneten Ausstieg aus der Kohle abbilden sollte, ist gerade eine Woche alt, und wird nun von den Kohlegegnern infrage gestellt, obwohl sie, vertreten durch die beteiligten Umweltverbände, mit am Kommissionstisch saßen. Erneut würden das Bündnis Ende Gelände und seine Sympathisanten zeigen, dass ihnen an gesellschaftlicher Befriedung und Konsensbildung nicht gelegen ist. Stattdessen beharrten sie darauf, ihren Willen mit gewaltsamen und rechtswidrigen Mitteln durchzusetzen, erklärte Grosser weiter.
Kritik von Lausitzer Politikern
Der Kreisvorsitzende der Linken in der Lausitz, Matthias Loehr, bezeichnete die Aktionen als eine völlig unnötige Provokation, welche die Menschen in der Region vor den Kopf stößt. Dadurch würden Kompromisse zum Ausstieg aus der Kohleverstromung untergraben. Ein Neuaufschluss von Tagebauen sei mit dem vorliegenden Abschlussbericht der Kommission nicht vereinbar. Somit werde es auch keine Inanspruchnahme von Proschim geben, erklärte Loehr weiter.
Der Spremberger Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Schulze (CDU) sieht die Baggerbesetzungen durch Aktivisten ebenfalls kritisch. Dieses Vorgehen ist nicht zu akzeptieren, betonte er. Der Abschlussbericht der Kohlekommission sei ein Kompromiss, bei dem alle Seiten Zugeständnisse gemacht hätten und der für alle Beteiligten ein vernünftiges Ergebnis darstelle. Genau darum gehe es schließlich in einer Demokratie, so Schulze.
Polizei: Protestler haben sich angekettet
Nach Angaben der Polizei ketteten sich die Besetzer auf den Tagebaugeräten an. Ziel sei es die Protestler wohlbehalten von den Baggern zu bekommen, sagte Ines Filohn. Es seien Spezialkräfte für die Aktion in der Höhe im Einsatz.
Umweltaktivisten wollen Kohleausstieg sofort
Wie Vertreter der Bündnisse Ende Gelände mitteilten, protestieren sie gegen den Abschlussbericht der Kohlekommission und verlangen einen sofortigen Kohleausstieg. Die Kohlekommission habe die Menschen in den bedrohten Dörfern im Stich gelassen. Die Konzerne bekämen Geld für nichts, für die Dörfer gebe es keine Sicherheit, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Wir haben heute diese Bagger besetzt, denn wir können nicht bis 2038 warten. Wir fordern den sofortigen Kohleausstieg, damit alle Dörfer bleiben: im Leipziger Land und in der Lausitz genauso wie im Rheinland, sagt Nike Mahlhaus, Pressesprecherin von Ende Gelände laut Mitteilung.
Robin-Wood-Mitglieder in Jänschwalde dabei
An den Protesten in Cottbus beteiligten sich auch Mitglieder des Umweltbündnisses Robin Wood. Sie entrollten an einem Bagger im Tagebau Jänschwalde ein Banner mit den Worten #Abschalten Klimawandel kennt keine Kompromisse. Wie es in einer Pressemitteilung heißt, wollen die Umweltaktivisten klarstellen, dass es sich bei dem Bericht der Kohlekommission keinesfalls um einen gesellschaftlichen Konsens handelt und dass trotz der Zustimmung von in der Kommission vertretenen Umweltorganisationen weiterhin mit erheblichem Protest aus der Klimabewegung gerechnet werden muss.
Proteste auch im Leipziger Revier
Zeitgleich zu den Aktionen in der Lausitz kam es auch zu Protestaktionen im Leipziger Revier. Über die Besetzung der Bagger im Tagebau Schleenhain solle sich niemand wundern, erklärte Gerd Lippold, klima- und energiepolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Sachsens Landtag. Der Widerstand gegen Tagebauerweiterungen und gegen die Abbaggerung der bedrohten Dörfer werde sich jetzt, da der Kohleausstieg beschlossen wurde, noch verstärken, fügte er hinzu. Die Botschaft des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer nach dem Kohlekompromiss sei gewesen: Wir machen bis Ende des Jahres 2038 einfach weiter wie bisher. Damit gießt er Öl in das Feuer der Debatte um Klimaschutz und Rettung bedrohter Dörfer", so Lippold.
Die Besetzung in den Lausitzer und Leipziger Revieren ist Teil einer Aktionswoche von Ende Gelände für den sofortigen Kohleausstieg. Bereits In der vergangenen Woche gab es Aktionen in Hamburg, Berlin und Karlsruhe und am Tagebau Hambach im Rheinland.