Hätten Sie gewusst, dass mit der RMS Titanic 1912 auch Teppiche aus der Cottbuser Teppichfabrik Smyrna im Nordatlantik untergingen? Nein? In Cottbus ist das ein Stoff, aus dem Legenden gewebt werden.
Mancher hat davon wohl schon gehört und darüber gesprochen. Das Stadtmarketing Cottbus verteilt eine Titanic-Postkarte. Mit der Karte bittet Stadtmarketingchefin Gabi Grube Cottbuserinnen und Cottbuser um die erstaunlichsten Fakten über die Stadt – noch bis zum 30. September 2019.
Auf der Postkarte ist die Titanic abgebildet. Und erklärt wird, dass Teppiche aus Cottbus seinerzeit in alle Welt exportiert worden seien. Wie lässt sich aber feststellen, ob auch auf der Titanic Cottbuser Teppiche mitfuhren?

Untergang der Titanic 1912: Etwa 1500 Menschen sterben

Das Passagierschiff stieß auf seiner Jungfernfahrt von Großbritannien nach New York in der Nacht zum 15. April 1912 vor Neufundland (Kanada) mit einem Eisberg zusammen. Der Schiffsrumpf wurde unter der Wasserlinie aufgeschlitzt, der Ozeanriese sank. Etwa 1500 Menschen überlebten das Unglück nicht. Mehr als 700 Kinder, Männer und Frauen wurden gerettet.
Um eine Cottbus-Verbindung zu klären, braucht man Quellen, die das belegen. Im Fall der Titanic sind das Frachtlisten. Darauf sind der mitgeführte Besitz der Passagiere und weitere Güter aufgeführt. Und es gibt ein Verzeichnis der Lieferanten, die das Schiff ausstatteten.
„Wir kennen die Zulieferer-Firmen der Werft Harland & Wolff, bei der die Titanic gebaut wurde, ziemlich lückenlos aus den Werft-Archiven, die bis heute in Belfast einsehbar sind“, sagt Malte Fiebing-Petersen, Vorsitzender des Deutschen Titanic-Vereins von 1997 mit Sitz in Schwedeneck (Schleswig-Holstein).

Titanic-Verein dokumentiert Spuren nach Deutschland

Fiebing-Petersen ist auch als wissenschaftlicher Berater in Titanic-Fragen tätig. Sein Verein betreibt die Website titanicverein.de. Er dokumentiert beispielsweise die Spuren, die von der Titanic nach Deutschland führen oder umgekehrt.
So steht demnach fest, dass die rauen, rutschfesten Fliesen in der Kombüse und in den Bädern der ersten bis dritten Passagierklasse an Bord von Villeroy & Boch (Mettlach, Saarland) hergestellt wurden. Sportgeräte im Gymnastikraum im Bauch des Luxusdampfers kamen aus Wiesbaden.
Fünf Flügel und drei Konzertklaviere lieferte Steinway & Sons aus Hamburg. Gezeigt wird im „Titanic“-Film von James Cameron, dass Musiker der Bordkapelle während der gut zweieinhalb Stunden des Untergang der Titanic weiterspielten. Vielleicht nutzten sie dabei ein Steinway-Klavier, sicher ist das nicht.

Titanic-Experte: Das ist über die deutschen Zulieferer bekannt

Jedenfalls listet der Deutsche Titanic-Verein insgesamt fünf Zulieferer aus Deutschland auf, aber keinen aus Cottbus. „Mir ist nicht bekannt, dass Teppiche aus Deutschland geliefert worden sein sollen“, sagt Titanic-Experte Fiebing-Petersen.
Er nennt dagegen Firmen aus England, Schottland und Irland, die an die Werft Harland & Wolff in Belfast Axminister- und Wilton-Teppiche für die Titanic geliefert hätten.
Die Universität of Glasgow berichtete 2009 anlässlich eines Archiv-Ankaufs, dass die Firmen James Templeton & Co sowie Stoddard International neben der Titanic auch das britische Königsschloss Windsor, die Kathedrale von Westminster in London, das Weiße Haus, Sitz der US-Präsidenten in Washington DC und andere Einrichtungen ausstatteten.

Cottbuser Teppichfirmen exportierten ins Ausland

Die deutschen Firmen, die sich Ende des 19. Jahrhunderts und mit Cottbuser Beteiligung unter dem Dach der Vereinigten Smyrna-Teppich-Fabriken AG zusammenschlossen, stellten allerdings auch Teppiche her, die im Ausland nachgefragt wurden.
Smyrna-Teppiche nach orientalischem Muster sind nach der Stadt Smyrna, heute Izmir in der Türkei, benannt.
In einem Beitrag für die Lausitzer Rundschau aus dem Jahr 2007 berichtet die aus Guben stammende Japanologin Beate Wonde von einem Fund im Archiv der Berliner Staatsbibliothek. Aus einem Artikel des Berliner Tagblatts von 1887 geht demnach hervor, dass die Firma Oscar Prietsch einen 150 Quadratmeter großen Smyrnateppich für den Thronsaal des japanischen Kaisers geliefert habe. Verbürgt ist das am Hof in Tokio jedoch nicht.
Die Smyrna-Teppich-Fabriken AG hatte ihren Hauptsitz ab 1913 in Cottbus. In einem Buch über „Deutschlands Städtebau“ von 1923 hat der Chef des Cottbuser Stadtmuseums, Steffen Krestin, den Hinweis von geschäftlichen Beziehungen der AG „zum Auslande“ gefunden.

Heimatforscher: Cottbuser Teppiche an Schiffe geliefert

In den Cottbuser Monatsheften von 1957 wiederum schreibt Heinrich Leonard, damals Herausgeber des Heimatkalenders, dass die 1894 in Cottbus gegründete Teppichfabrik Krüger & Hahn „antike“ orientalische Teppiche lieferte, die „Schiffe und große Hotels zierten und im königlichen Schloß in Berlin“ ausgelegt worden seien.
Krüger & Hahn gingen 1972 wie die Smyrna-AG in einem Volkseigenen Betrieb der DDR zur Teppichherstellung auf. Aber das ist eine andere Geschichte.
1994 schreibt der Heimatforscher Helmut Donner in einem Aufsatz, dass die Cottbuser Fabrik Richard Otto 1957 einen in Görlitz für die chinesische Regierung hergestellten Salonzug mit Teppich ausgestattet habe.
Die LR erwähnt außerdem 2007 Lieferungen an ein „Außenhandelsministerium in New York“ – was auch immer das sein soll, denn das US-Handelsministerium sitzt seit 1903 in der US-Hauptstadt Washington DC. So steht es allerdings auch ohne Quellenangabe bei Wikipedia.

Titanic-Experte zweifelt an Cottbuser Teppich-Legende

Festhalten lässt sich also: Cottbuser Teppiche wurden ins Ausland exportiert und zierten Schiffe. Aber die Titanic? Experte Malte Fiebing-Petersen hält es nach eigenen Angaben für „höchst unwahrscheinlich, dass die Geschichte stimmt“.
Er hat auch in die Frachtliste der schicksalshaften Jungfernfahrt von 1912 geschaut. „Es waren tatsächlich Teppiche als Fracht an Bord“, sagt Fiebing-Petersen. Jedoch seien dies persische Teppiche aus Ägypten gewesen.
Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, dass Cottbuser Teppiche an Bord waren. Laut Steffen Krestin, dem Chef der Städtischen Sammlungen Cottbus, könnte es im Stadtmuseum weiteres Archivmaterial geben.
Malte Fiebing-Petersen sagt, er wolle die Geschichte nicht von vorn herein ausschließen, ohne die Quellen zu kennen. Anders gesagt: Sollte sich eines Tages doch ein sicherer Beleg zur Titanic-Legende finden, wäre Cottbus um eine Sensation reicher.

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