Von Andrea Hilscher

Frank Michelchen ist kein Mann für einfache Antworten. Der Biobauer züchtet vom Aussterben bedrohte Haustierrassen, pflanzt für seine Bienen alte Obstbaumsorten und kümmert sich als Angler um den Aalbesatz der Spree. Trotzdem sagt er: „Das mit dem Artensterben ist alles Panikmache. Hier bei uns geht es der Natur besser denn je.“

Wer den Mann auf seinem Hof im Landkreis Dahme-Spreewald besucht, der kann fast verstehen, weshalb Michelchen den Warnungen der Uno vor einem gigantischen Artensterben keinen Glauben schenken mag. Der Biobauer (53) blickt von seinem Grundstück aus direkt auf die Spree. „Wir haben hier im Sommer Sichttiefen bis 2,50 Meter. In meiner Kindheit war bei 60 Zentimetern Schluss.“

Auf seinem Dach nistet ein Storchenpaar, auf den Feldern sieht der Spreewälder regelmäßig Pirol und Wiedehopf. Kormoran und Wolf bereiten ihm Kopfzerbrechen, Biber beschädigen immer wieder die Leibscher Wehranlage. „Da haben die Naturschützer doch ordentliche Erfolge erzielt“, sagt er. Jetzt könnten sie langsam akzeptieren, dass es ohne Eingriffe in die Natur nicht mehr geht. „Der Biber zerstört unseren Hochwasserschutz, der Wolf bedroht mein Vieh.“

Frank Michelchen bewirtschaftet im Spreewald etwas über 100 Hektar Land, hauptsächlich produziert er Futter für seine Mutterkuhherde. Früher standen Hochleistungstiere auf seinen Wiesen. Deutsch Angus oder Fleckvieh. „Aber die sind so auf Fleischzuwachs gezüchtet, dass ich irgendwann den Eindruck hatte, die Milchleistung reicht nicht mehr für die Kälber.“

Seit einigen Jahren kreuzt er deshalb Gelbvieh ein. Die alte Rasse ist optimal an die Lebensbedingungen im Spreewald angepasst. Liefert ordentliches Fleisch, ausreichend Milch und ist gut zu handhaben. „Da hängt mein Herzblut dran“, schwärmt der Landwirt. „Die sind das ganze Jahr über draußen und von Natur aus so zahm, dass ich ohne Probleme mit dem Tierarzt ran kann, wenn wir mal bei einer Geburt helfen müssen.“

Eigentlich hatte er die sanften Tiere hornlos weiterzüchten wollen. Seit aber der Wolf immer näher ans Dorf rückt, hat er auch wieder Kühe mit Hörnern stehen. „Damit sie sich wenigstens ein bisschen wehren können.“ Genützt hat es nichts, zwei Kälber hat der Wolf geholt. „Die Entschädigung ist jedes mal ein Kampf“, sagt Michelchen. Außerdem: „Man liebt doch seine Tiere, die will man schützen.“ Als Jäger möchte er gern die Möglichkeit haben, seine Wiesen zu verteidigen, „wolfsfreie Zonen“ fordert der Bauernbund.

Als der studierte Agraringenieur nach der Wende seinen Betrieb aufgebaut hat, fing er mit sechs Kühen und acht Hektar Land an. Viel zu wenig, um davon leben zu können. Heute erwirtschaftet er mit seinem Land immerhin ein Einkommen. Die Imkerei, die Fische und seine kleine Ferienpension helfen dabei. Für den Sohn, der den Hof übernehmen soll, reicht das Geld derzeit noch nicht, er arbeitet außerhalb.

Dass er sich für die ökologische Landwirtschaft entschieden hat, war für Michelchen nur logisch: „Hier im Spreewald sind die Böden so sandig und schlecht, da lohnt sich intensive konventionelle Landwirtschaft nicht. Er rechnet vor: „Momentan ernte ich 1,5 bis 2,5 Tonnen Roggen pro Hektar. Würde ich düngen, müsste ich für 200 Euro Dünger und für einhundert Euro Pflanzenschutzmittel einbringen. Also 300 Euro Mehrkosten, aber nur 160 Euro mehr Ertrag.“

Für sein Gelbvieh, das fast ausschließlich mit Grün- und Raufutter auskommt, reichen die Erträge seiner Flächen, was über ist, verkauft er seinem Nachbarn. Die Arbeit macht ihn glücklich, reich wird er damit nicht. „Oft klappt die Vermarktung meiner Färsen nicht, dann muss ich sie konventionell verkaufen. Für 400 Euro das Stück.“

„Wenn ich mich dann auch noch entschuldigen muss, dass ich Bauer bin, werde ich langsam sauer.“ Die Schuld für ökologische Probleme seien nicht in der Landwirtschaft zu finden, davon ist er überzeugt. Selbst seine konventionell arbeitenden Kollegen wüssten genau, was sie tun, wenn sie Glyphosat auf ihre Felder sprühen. Der Unkrautvernichter steht im Verdacht, Krebs zu erregen und mitverantwortlich für das weltweite Insektensterben zu sein.

Schuldzuweisungen und einfache Lösungen sind nicht sein Ding. Er gibt sich Mühe mit seiner Arbeit, er produziert hochwertige Lebensmittel. „Dafür möchte ich wertgeschätzt werden“, sagt er. Stattdessen fühlt er sich momentan als Buhmann der Nation. „Und wenn die Preise für Lebensmittel immer weiter in den Keller gehen, dann heißt das doch auch, dass meine Arbeit den Menschen irgendwann gar nicht mehr wert ist.“

Frank Michelchen möchte gesunde Lebensmittel produzieren. Dafür braucht er Verbündete, nicht Gegner. Eine Geschichte erzählt er besonders gern. Vor ein paar Jahren, da hatte er seine Bienenstöcke an einem Feldrand aufgestellt und kam gerade dazu, als der Landwirt Herbizide spritzte – direkt vor seinen Bienen. „Ich hätte einen Riesenradau machen können“, sagt Michelchen.

Stattdessen sei er er zu den Landwirten hin und habe sich an ihren Mittagstisch gesetzt. „Ich habe ihnen ruhig erklärt, dass der Honig im Stock für den Verkauf nicht mehr taugt und ich ihn ausschleudern muss.“ 150 Kilo seien das gewesen, er habe sie den Landwirten schenken wollen. „In dem Moment haben sie was begriffen – den vergifteten Honig wollten sie selbst nicht essen müssen.“

Seitdem spricht sich der Öko-Bauer mit den Konventionellen ab. „Wenn sie spritzen, bleiben meine Bienen einen Tag im Stock. Am nächsten Tag sind die Insektizide abgebaut und die Bienen können wieder fliegen.“ Seinen Bienen gehe es gut, befreundete Imker berichten ebenfalls von gesunden Völkern und Zuwächsen. „Ich vertraue darauf, dass nur solche Mittel zugelassen werden, die den Bienen nicht schaden und auch für andere Tiere okay sind. „Wir merken hier bei uns jedenfalls nichts von Insektensterben.“

Dass Wissenschaftler auf der ganzen Welt zu anderen Ergebnissen kommen, zählt für den Mann aus dem Spreewald nicht. „Propaganda und Populismus“ sagt er. Ähnlich schätzt er das Thema Klimawandel ein. „Wir hatten immer trockene und nasse Jahre.“ Allerdings, das gibt er zu: „Die Gesamtregenmenge in den letzten Jahrzehnten hat im Spreewald deutlich abgenommen.“ Heu, das er noch in den vergangenen Jahren gern in Größenordnungen verkauft hat, hält er nach dem Dürresommer 2018 lieber zurück. „Der beste Rat des Landwirts ist der Vorrat.“ Falls doch etwas dran ist am Klimawandel und es dieses Jahr doch wieder eine schlechte Heuernte gibt.