Von René Wappler

Mikroalgen entstehen in einem neuen Park aus acht Reaktoren am Großen Spreewehr. Die Mitarbeiter der Firma Gicon haben ihn am Mittwoch in Betrieb genommen. Firmenchef Jochen Großmann sagt über die Anlage im Norden von Cottbus, sie könne dazu führen, dass in absehbarer Zeit selbst „Lebensmittel aus der Wüste“ entstehen. Denn die Algen, die der Photobioreaktor herstellt, verbrauchen nach Auskunft der Mitarbeiter wenig Wasser, sie produzieren Sauerstoff und Biomasse, und sie wandeln aufgenommene Sonnenenergie fünf bis zehn Mal besser in Biomasse um als Pflanzen, die auf dem Land wachsen.

Schließlich werden schon in wenigen Jahrzehnten mehr als zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, wie die Mitarbeiter der Firma Gicon zu bedenken geben. Algen böten angesichts des befürchteten Klimawandels eine Chance: Sie seien unabhängig von fruchtbaren Böden und stünden damit nicht in Konkurrenz zur Landwirtschaft. Darüber hinaus wiesen sie einen hohen Proteingehalt auf.

Auch die Fachleute vom Bundeszentrum für Ernährung in Bonn-Duisdorf sehen das Potenzial der wijnzigen Organismen. Eine nachhaltige und akzeptable Alternative zu Fleisch könnte nach ihrer Einschätzung die Mikroalge Spirulina sein. Sie habe bezogen auf die Trockenmasse einen Eiweißgehalt von 63 Prozent. Bei Soja seien es zum Beispiel 35 bis 40 Prozent.

Die Hoffnungen der Firma Gicon basieren auf der Mikroalge, weil es weltweit mehr als 500 000 Spezies gibt, von denen derzeit nur 20 technologisch genutzt werden. Die Mikroorganismen, die Photosynthese betreiben, bauen demnach 50 Prozent des atmosphärischen Sauerstoffs auf, wobei sie Kohlendioxid als Quelle nutzen.

Die Photobioreaktoren zählen auch zum Projekt der Europäischen Union namens Space@Sea. Sie sollen unter anderem auf Arbeitsplattformen eingesetzt werden, die in den Meeren schwimmen.

Die neue Anlage am Großen Spreewehr in Cottbus gilt nach den Worten von Firmengründer Jochen Großmann als „ein riesiger Schritt für uns“. Dabei existiert schon seit dem Jahr 2006 eine Halle für Experimente auf dem Firmengelände, gemeinsam entwickelt mit dem Lehrstuhl für Abfallwirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität. Der Cottbuser Niederlassungsleiter Falko Niebling sagt: „Seitdem haben wir uns zum Partner bei der Biogasforschung und zum Dienstleister weiter entwickelt.“ Als ein Beispiel nennt er einen Versuch aus dem vergangenen Jahr, der mögliche Modelle für die künftige Abfallaufbereitung der französischen Hauptstadt Paris untersuchte.

So äußert sich auch der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) „richtig stolz darauf, dass hier eine Firma Weltneuheiten schafft und den Blick in die Richtung des Klimawandels richtet“. Der Politiker besuchte am Mittwoch den Standort, an dem die Anlage aus acht Reaktoren arbeitet, „versteckt hinter großen Bäumen, hinter einer Kläranlage“, wie er feststellte. Für die Cottbuser Region sei darauf zu achten, dass sich die Wirtschaft und die Wissenschaft am künftigen Bedarf ausrichtet. Dafür gelte die Technologie der Reaktoren als ein Beispiel. „Hier muss es gelingen, diese Firmen erfolgreich zu begleiten“, sagte Holger Kelch. „Die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen hilft uns dabei, die Lausitz zu entwickeln.“ Auch für junge Menschen biete sich damit die Chance, in Cottbus zu bleiben, statt ihr berufliches Glück in anderen Gegenden Deutschlands zu suchen.

Die Firma Gicon wurde im Jahr 1994 in Dresden gegründet. Sie betreibt nach Angaben der Pressestelle derzeit 13 Niederlassungen in Deutschland. Darüber hinaus gibt es weitere Vertretungen mit Sitz in Kolumbien, China und Russland.