Wo Frauen fehlen, machen sich Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus breit. Männerüberschuss bewirkt, dass ganze Regionen rechtspopulistische Parteien wählen. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Die Forscherin Katja Salomo hat dafür Regionen verglichen und kommt zu dem Schluss: Abwanderung, Alterung und der Wegzug junger Frauen sind die verkannte Gefahr für eine offene Gesellschaft.
Fremdenfeindliche Einstellung vermehrt in ländlichen Regionen
Fremdenfeindliche und demokratiefeindliche Einstellungen sind im ganzen Westen auf dem Vormarsch, sie kommen vermehrt in ländlichen Regionen vor. Besonders anfällig sind Regionen, in denen die Bevölkerung aus dem Gleichgewicht geraten ist. Weltweit gibt es kaum Regionen, in denen diese ungünstigen demografischen Entwicklungen so deutlich ausgeprägt sind wie in den ostdeutschen Bundesländern, schreibt Salomo in ihrer Studie.
Aber nicht nur hier: Es ist ein Phänomen, das Politik und Forschung weltweit immer mehr interessiert: Die Wahlerfolge von Donald Trump im ländlichen Amerika, die Brexit-Bewegung in Großbritannien sowie der Aufstieg der AfD in Deutschland haben alle vom ländlichen Raum aus Fahrt gewonnen. In der Peripherie scheint die Neigung, sich gegenüber Fremden abzugrenzen, besonders groß zu sein. Der ländliche Raum fordert die Demokratien heraus. Aber warum?
Es fehlen die Frauen
Bisher lautete die gängige Erklärung, dass Menschen, die liberal eingestellt sind, häufiger dem Land den Rücken kehren, um in den Städten ihr Glück zu suchen. Aber das allein ist es nicht, hat Katja Salomo herausgefunden. Es fehlen die Frauen. Wo die Abwanderungsraten hoch sind und die Bevölkerung altert, fehlen die Frauen. Die haben traditionell auf dem Land das öffentliche Leben bestritten. Sie organisieren Feste, dadurch stiften sie Gemeinschaft und Identität. Der Beitrag von Frauen für das Gemeinschaftlsben vor Ort ist nicht einfach zu ersetzen, so Salomo. Wo Frauen fehlen, leidet der soziale Zusammenhalt.
Suche nach der Frau ungleich erschwert
Zurück bleibt ein Überhang an Männern im heiratsfähigen Alter. Diesen Überhang an Männern nennen Sozialwissenschaftler demografische Homogenität. Die kann eine Abwärtsspirale in Gang setzen. Wo Männer in jungem oder mittleren Erwachsenenalter in der Überzahl sind, werden demografische Probleme oft verstärkt. Männer, die auf diese Weise zurück bleiben, fühlen sich zurück gelassen - gerade dann, wenn ihre Chancen sinken, eine Partnerin zu finden. Für sie ist die Suche nach einer Frau durch die lokale und regionale demografische Situation ungleich erschwert.
In der Lausitz konzentrieren sich demografische Probleme
Die Lausitz ist bei problematischen demografischen Faktoren deutschlandweit vorn dabei. Daten dazu hat der Deutschland-Atlas des Bundesinnenministeriums zusammengefasst. Auf fast jeder Karte erscheint die Lausitz rot: Die Abwanderungsrate ist mit am höchsten, der Anteil der Jugendlichen unter 18 Jahren liegt unter 15 Prozent, dagegen sind mehr als 27 Prozent der Lausitzer über 65 Jahre alt.
Hier konzentrieren sich demografische Probleme, die ganz Ostdeutschland kennt. In Sachsen sank der Anteil an jungen Menschen zwischen 1990 und 2017 um 44 Prozent. Unter den jungen Sachsen zwischen 14 und 27 Jahren ist der Frauenanteil geringer als in der Gesamtbevölkerung - hier kommen auf 52 Männer 48 Frauen. Einige werden bei der Suche nach Liebe leer ausgehen.
Die Folgen zeigen sich bei den Geburtenzahlen. Brandenburg erlebte 2018 das größte Geburtendefizit seit 1994. Es wurden im selben Jahr 12 000 Babys weniger geboren als Menschen starben.
Das Fehlen von Frauen und die Abwanderung wirken sich nach Ansicht von Sozialforscherin Salomo destablilisierend auf das soziale Geflecht vor Ort aus wirken. Wer zurück bleibt, nimmt die sichtbaren Zeichen des Wegzugs als Zeichen des Zurückgebliebenseins. So steigt der Ärger über Wohnungsleerstand und Verfall von Häusern.
Abstiegsängste erzeugen innere Spannung
Das wirkt sich auch auf die politsiche Kultur aus. Wer sich zurückgelassen fühlt, schimpft auf Ausländer und Politiker und tröstet sich mit nationalem Chauvinismus. Abstiegsängste und gefühlte Benachteiligung erzeugt eine innere Spannung. Bekommt man nicht, was man für den gerechten Anteil an gesellschaftlichen Gütern hält, fählt man sich abgewertet, so Salomo.
Sie hat das am Beispiel Thüringens untersucht, wo mit dem Thüringen-Monitor viele Umfragen über die politischen Einstellungen aus 14 Jahren vorliegen. Der Befund: Demografische Homogenität ist demnach eine Ursache von Fremdenfeindlichkeit. Die größte sozialstrukturelle Kluft zwischen Stadt und Land liegt demnach nicht in der wirtschaftlichen Lage, ebensowenig im Anteil von Migranten begründet. Die wirtschaftliche Lage in Thüringen hat sich 2000 bis 2014 deutlich verbessert. Trotzdem ist das Gefühl der Benachteiligung gleich geblieben. Der Grund ist offenbar die demografische Homogenität, die in derselben Zeit zugenommen hat.
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