Noch nie waren an Hochschulen und Universitäten in Deutschland so viele Studierende eingeschrieben wie jetzt. Die Statistiken des Bundes weisen aktuell 2,87 Millionen Studenten aus. Das sind fast eine Million mehr als noch zu Beginn der 2000er-Jahre. Von diesem offensichtlichen Trend hin zum Hochschulstudium, das mit besseren Jobchancen und höheren Verdienstmöglichkeiten in Verbindung gebracht wird, profitieren viele Bildungseinrichtungen im ganzen Land, aber nicht alle.
Gegen den Trend verliert die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg Studenten. Die großen Träume von einer zweigleisigen Hochschule mit universitärer und Fachhochschulausbildung und 10.000 Studierenden an zwei Standorten sind bisher geplatzt.
Nach der Fusion gings bergab
Aktuell verharrt die Lausitzer Uni bei rund 7200 Studenten. Dabei waren die Zahlen schon einmal deutlich besser. Vor der nicht unumstrittenen Fusion der Hochschule Lausitz mit der BTU Cottbus war die 10.000er-Marke bis zum Jahr 2013 beinahe schon der Normalzustand. Doch nach der Fusion ging's bergab. Die statistischen Zahlen sind ernüchternd.
Über die Ursachen für den Rückgang gegen den gesamtdeutschen Trend gibt es bisher nicht viel mehr als Spekulationen. Die Kritiker der Lausitzer Hochschulfusion fühlen sich in ihrem einstigen Widerstand bestätigt und sehen die Schuld vor allem in der Hochschulpolitik des Landes Brandenburg.
Die Spitze der BTU Cottbus-Senftenberg, die mit dem kurzfristigen Wechsel von Jörg Steinbach ins Potsdamer Wirtschaftsministerium im Herbst 2018 ihren Präsidenten verloren hat, hat bisher keine Patentrezepte gegen den Studentenschwund vorgelegt. Erst kürzlich saßen die Dekane aller sechs BTU-Fakultäten zusammen. Die danach am häufigsten zu registrierende Bewegung war nach Wahrnehmung von Teilnehmern vor allem symbolisches Schulterzucken.
Haben Schüler Angst vor schweren Fächern?
Dabei gilt die Lausitzer Universität auf einigen Fachgebieten auch international als gefragter und ernstzunehmender Ansprech- und Kooperationspartner. Ihre traditionell ingenieurwissenschaftlich-technische Ausrichtung aber gilt als Herausforderung.
Viele Schulabgänger scheuen offenbar die mathematisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen als besonders schwierig. Dabei scheinen aktuell auch überdurchschnittliche Anstellungs- und Gehaltsaussichten weniger zu ziehen. Dabei bietet die BTU mit dem Orientierungsstudium College+ eine inzwischen deutschlandweit beachtete und jüngst auch erst wieder ausgezeichnete Möglichkeit zum Studieneinstieg.
Trotzdem ist die Zahl der Studienanfänger in Cottbus und Senftenberg seit 2013 von einst rund 2000 auf inzwischen 1300 gefallen. Dabei geht die Uni-Führung in Cottbus davon aus, dass es nach wie vor gelingt, etwa ein Drittel der Schulabgänger mit Fach- und Hochschulreife in der Lausitz für die BTU zu gewinnen.
Die großen Unis haben kräftig aufgerüstet
Ein Grund dafür könnte die Tatsache sein, dass die Hochschulen und Universitäten in den gefragten Metropolen in den zurückliegenden Jahren ihre Kapazitäten massiv ausgebaut haben. Mit dem Bau neuer Hörsäle, Labore, Ateliers und Seminarräume und sogar dem Neubau von Studentenwohnheimen konnte die Zahl der Immatrikulationen in den großen deutschen Universitätsstädten deutlich gesteigert werden.
Seit dem Jahr 2008 ist die Zahl der staatlich geförderten Studienplätze in ganz Deutschland um 45 Prozent gestiegen. Das Problem überfüllter Hörsäle, die vor einigen Jahren noch Studienwillige vor den Metropolen abschreckten, wurde damit entschärft.
In Potsdam beispielsweise wird gerade auf dem Campus im Stadtteil Golm ein neues Studentenwohnheim gebaut. Dort entstehen insgesamt 308 neue kleine Wohneinheiten. Die Einraumwohnungen mit rund 23 Quadratmetern sollen künftig für rund 250 Euro vermietet werden.
Ist Party wichtiger als büffeln?
Es ist eine Tatsache, dass Universitäten in attraktiven Großstädten einen höheren Zulauf von Studierenden haben, die nicht aus der unmittelbaren Region oder demselben Bundesland kommen, sagt Professor Dr. Uwe Schmidt vom Zentrum für Schul-, Bildung- und Hochschulforschung an der Uni Mainz.
Anzunehmen ist auch, dass Bachelorstudierende tendenziell eher ihre Entscheidung auf Kriterien gründen, die nicht zwingend dem spezifischen Profil der Hochschule zuzuordnen sind.
Anders sehe es bei der Entscheidung aus, einen Masterstudiengang an einem anderen Ort zu studieren. Dann könnte aufgrund der bereits erlangten Kenntnisse über das Fach dem Studienstandort und der spezifischen Ausrichtung des Studiengangs eine höhere Bedeutung zukommen, sagt Schmidt.
Professor Peer Pasternack, der Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Universität Halle-Wittenberg, hält die Ausrichtung von Hochschulen in strukturschwachen Räumen rein auf die Zahl der Studierenden für zu kurz gegriffen. Für ihn ist die Bedeutung der Uni als Zentrale des Wissens, beispielsweise im anstehenden Prozess des Strukturwandels, viel wichtiger als die reine Lehre.