Mit der Eröffnung der Milch-Mokka-Eis-Bar „Kosmos“ begann auch die Karriere von Hans-Jürgen Nickusch. In Cottbus zählte er 1969 zur lokalen Prominenz. Damals bestimmte reges Treiben an der Stadtpromenade das Bild. Neben der Kosmos-Bar gab es eine ausgedehnte Grünfläche, das Konsument-Warenhaus und den rechteckigen Springbrunnen unmittelbar vor der Kosmos-Bar.
Nickuschs Bühne: Der Tresen im „Sternchen“. So nannten die Cottbuser das Eiscafé, das 1969 anlässlich des 20. Jahrestages der DDR-Gründung eröffnet wurde. Aus der Zubereitung eines Getränkes machte Nickusch eine unterhaltsame Show. Dabei flogen die Zutaten – Eier, Flaschen und Obst – meterhoch in Richtung Decke. Eine Attraktion, die auch der benachbarten Berufsschule in Sandow nicht entging. Ehefrau Ursula Nickusch, die ebenfalls im „Kosmos“ bediente, erinnert sich: „Der Nachwuchs kam oft zu uns. Die angehenden Kellner und Köche sollten von Hans-Jürgen lernen“. In Gruppen marschierten die Schüler mitsamt Lehrern zur Stadtpromenade, um die akrobatischen Kunststücke hinterm Tresen zu bewundern.
Schauspieler und Sänger kamen nach Cottbus ins Sternchen
In dem futuristischen Gebäude, das durch den sechszackigen Glaskörper und die Dachkonstruktion einem Stern ähnelte, trafen sich auch prominente Schauspieler und Musiker. Mit einem wachen Blick registrierte Ursula Nickusch die zahlreichen Promis, die sich in den frühen 70er-Jahren in der Vorzeige-Gastronomie tummelten. Noch heute muss sie über eine Anekdote lachen, in deren Mittelpunkt der Schauspieler Dieter Mann (Ex-Intendant des Deutschen Theaters) steht. Er bewunderte die Krawatte des talentierten Barmixers Hans-Jürgen Nickusch mit den Worten: „Man sieht sofort, dass das ein echter Lederbinder ist“. So jedenfalls erinnert sich Ursula Nickusch an die Begegnung. „Wir haben ihn nie darüber aufgeklärt, dass es sich um Kunstleder für zwei Mark das Stück handelte.“
Unter dem Sternenhimmel, der die Decke der Bar zierte, amüsierten sich auch die jungen Schlagerstars der Republik. Andreas Holm sowie Frank Schöbel und Ehefrau Chris Doerk tranken ihren Kaffee an der Theke der Nickuschs ebenso wie Hauptmann Fuchs (Peter Borgelt) aus dem Polizeiruf 110.
Schöbel und Doerk haben das Sternchen mit den Jahren mehr und mehr vergessen. Nur so viel können sie nach mehr als 30 Jahren sagen: „Wir hatten in Cottbus früher einige Fernsehaufzeichnungen und waren sehr oft dort.“
Die Eis-Kreationen hießen „Mondnacht“ und „Venus“
Damals nahmen die Gäste noch in den legendären Schalensesseln – auch „Gondeln“ genannt – aus Hartplastik Platz. Sie wurden später aus Sicherheitsgründen durch normale Tresenstühle ersetzt. Während im Gastraum selbst die Besucher den Sternenhimmel und die Kugellampen an der Decke bewunderten, wirkten die fleißigen Helfer im Hintergrund mit ebenso großer Kraft.
Jeden Tag zog die Energie, die dieser Stern ausstrahlte, von 9 bis 23 Uhr die Besucher in seinen Bann. Die himmlischen Eis-Kreationen trugen die Namen „Mondnacht“ oder „Venus“ (für 2,95 Mark) und entstanden im Untergrund. Dort bereitete ein Konditor die süße Kaltspeise zu. Unterhalb der Bar befanden sich die Wirtschaftsräume, in denen das hauseigene Eis entstand. Über die unterirdischen Gänge waren die Pavillons des Stadtzentrums miteinander verbunden. Gab es einmal einen Stromausfall, betraf das alle angeschlossenen Einrichtungen an der Stadtpromenade. Nickusch: „Die Leitungen führten zu einer gemeinsamen Stromquelle. Gab es einen Ausfall, wussten automatisch alle anderen auch Bescheid“.
Nach dem Eisbecher erwartete die Nachtschwärmer das unterirdische Freizeitvergnügen nebenan. An der Bowlingbahn und der benachbarten Diskothek herrschte nicht nur am Wochenende Hochbetrieb. Und samstags mussten die Kosmos-Besucher Geduld beweisen. Nickusch: „Das Konsument-Warenhaus feierte 1968 Eröffnung. Wer am Wochenende einkaufen ging, kam meist auch in die Kosmos-Bar. Und am Tresen hatten wir nur zwölf Plätze. Da war oft Warten angesagt.“
Kosmos-Bar in Cottbus auch Kulisse für Spielfilme
Für besondere Anlässe konnten die Cottbuser das Sternchen sogar buchen. Zu den außergewöhnlichen Gästen zählte das Filmteam um Regisseur Frank Beyer, der seinen Streifen „Die sieben Affären der Doña Juanita“ in der Kosmos-Bar drehte. Im Film loben die Gäste Hauptdarstellerin Renate Blume als Architektin Anita für die Architektur des Sternchens, das im Drehbuch als Anspielung auf die Protagonistin den Namen „Villa Juanita“ trägt. Bis in die Morgenstunden hinein dauert die Feier der filmischen Festgemeinschaft, die sich im Anschluss auf der damals noch intakten Stadtpromenade verabschiedet.
Wo heute eine Brache das Ortsbild bestimmt, ist im Film noch eine Grünfläche zu sehen. 1977/78 entstanden im Freiraum zwischen Hochhäusern und ehemaligem Stadtwall die sieben Pavillons aus Stahl, Naturstein und Glas. In architektonischer Hinsicht eine glanzvolle Epoche, die mit der Erbauung der Kosmos-Bar eingeleitet wurde. Überhaupt wurde in den ausgehenden 60er-Jahren in architektonischer Hinsicht viel experimentiert in der DDR. Für die Zentren entwarfen die Architekten etliche Gebäude, die durch die Verwendung neuer Materialien und Formen hervorstechen.
Dass an der Stelle, wo Cottbus mit futuristischen Gebäuden die Moderne einleitete, nur 40 Jahre später eine Brachfläche mit Einkaufszentrum stehen würde, konnte zu dieser Zeit niemand ahnen. Dabei hatte es nach der Wende noch Überlegungen gegeben, wie man das Sternchen in eine Bebauung mit einem Einkaufszentrum integrieren könne. Letztlich beschlossen die Investoren jedoch, lediglich die frühere Carl-Blechen-Grundschule an der Karl-Liebknecht-Straße in das Ensemble zu integrieren und die Kosmos-Bar abzureißen. Eine Entscheidung, die bei Cottbusern für Missmut sorgte. Am 26. September 2008 wird das Blechen-Carré eröffnet. Es befindet sich heute auch auf dem Areal, auf dem das Sternchen stand.
Zu einem zweiten Bauabschnitt ist es – trotz zahlreicher Ankündigungen – bislang noch nicht gekommen. Ein Finanzierungskonzept legte der Investor innerhalb der vorgegebenen Frist bis September 2014 nicht vor. Erst im Sommer 2015 meldete er sich zurück. Gemeinsam mit der Stadt Cottbus und diversen Planungsbüros entwickelte man drei Entwürfe für das Areal. Auch die Anregungen der Cottbuser sollten in die Vorschläge einfließen. Die Bürger zeigten ihre Präferenz deutlich: Sie forderten auch die Rückkehr des Sternchens sowie eine Markthalle für den Wochenmarkt. Doch Finanzierungsprobleme sorgten für die erneute Verzögerung des Bauvorhabens. Zuletzt hatte die Stadtverwaltung am 25. April 2018 die Baugenehmigung erteilt. Seither ist allerdings nichts passiert.
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