Immer wenn Illustrator Michael Menzel ein Spiel nicht nur bebildern möchte, sondern auch als Autor in Erscheinung tritt, scheint es ein Erfolg zu werden. Zugegeben, diese Situation trat bisher nur zwei Mal ein. Doch nach dem Erfolg des Erstlingswerks "Die Legenden von Andor" ist nun auch "Die Abenteuer des Robin Hood" für den “Spiel des Jahres”-Titel nominiert.
An beiden Spielprinzipien lässt sich dabei folgender gemeinsamer Gedanke erkennen: Wie können große Abenteuer mit einem Minimum an Regeln auf den Tisch gebracht werden?
Im neuen Spiel kam noch eine weitere Überlegung hinzu: Wie kann der Spielaufbau eines so umfangreichen Spiels auf wenige Sekunden verkürzt werden?
Michael Menzel fand bei "Die Abenteuer des Robin Hood" auf beide Fragen überraschend gute Antworten.
So werden "Die Abenteuer des Robin Hood" gespielt
Youtube Spielüberblick in 1 Minute.
“Die Abenteuer des Robin Hood” werden auf einem großen Spielplan gespielt. Es fällt auf, dass der Spielplan frei von eingezeichneten Feldern ist. Die Spielenden können sich frei auf dem Plan bewegen.
Neben dem Spielplan ist ein schwarzer Sack voller Holzteile und Markern sowie ein Buch elementarer Bestandteil des Spiels. Um mit dem Spiel loszulegen, muss lediglich der Spielplan aufgebaut, der schwarze Sack ausgekippt und die richtige Seite im Buch aufgeschlagen werden. Schon kann das Spiel beginnen!
In mehreren Kapiteln tauchen die Spielenden in die bekannte Geschichte des Robin Hood ein. In jeder Partie kann ein Kapitel gespielt werden. Jedes Kapitel beginnt mit einem Geschichtenabschnitt im Buch und einer anschließenden Aufgabe. Diese Aufgabe muss die Spielgruppe erfüllen, bevor der letzte Zeitmarker entfernt wurde.
Jede:r Spieler:in entscheidet sich für einen der 4 möglichen Helden und nimmt sich das farblich passende Spielmaterial. Dann wird der Stoffbeutel mit den Holzscheiben der Helden sowie einer roten und, abhängig vom Kapitel, weiterer Holzscheiben gefüllt. Hinzu kommt eine bestimmte Anzahl an lila und weißen Holzwürfeln die für spätere Kämpfe benötigt werden.
In jedem Zug wird eine Holzscheibe aus dem Beutel gezogen. Ist die Farbe der Scheibe rot, werden Wachen aufgedeckt, welche alle Held:innen einfangen, die sich auf derselben Lichtung befinden. Zudem wird ein Zeitmarker entfernt und das Ende der Partie rückt näher.
Um eine Lichtung sicher passieren zu können, lohnt es sich die Wachen zu überwältigen.
Hat die Scheibe die Farbe einer Heldenfigur, ist diese:r Spieler:in an der Reihe und darf nun die Heldenfigur bewegen.
Eine Figur kann sich in ihrem Zug bewegen und eine von 2 Aktionen durchführen.
Beim Bewegen kann die Figur entweder gehen oder sprinten. Um zu gehen, werden bis zu 2 mittellange Figuren und anschließend eine Standfigur an die Startposition angelegt. Durch das normale Gehen spart der Charakter Kräfte und kann einen weißen Würfel in den Beutel legen.
Sollte es im Spielverlauf einmal nötig sein sich schneller zu bewegen, kann die Figur einen Sprint einlegen. Hierbei wird neben den beiden mittleren, auch die lange Figur angelegt. Kräfte können so jedoch nicht gespart werden.
Befindet sich nach der Bewegung die Figur an einem Plättchen mit einem Fragezeichen drauf, kann dieses mit der Aktion “Erkunden” entdeckt werden. Im Abenteuerbuch wird dazu die Seite mit der Zahl des Plättchens geöffnet. Hier erfährt die Spielgruppe was sich hinter dem Plättchen verbirgt. So kann mit Figuren interagiert oder können neue Informationen und Gegenstände gewonnen werden.
Befindet sich eine Figur nach der Bewegung an einer Kutsche, einem Adligen oder in Reichweite eines Soldaten, können diese überwältigt werden. Um zu erfahren ob ein Angriff gelingt, werden die kleinen Würfel aus dem Beutel gezogen. Lilafarbene Würfel gelten dabei als Niete, weiße Würfel als Erfolg. Abhängig von der Situation und der Heldenfigur dürfen unterschiedlich viele Würfel gezogen werden.
Das Überfallen von Adligen und Kutschen lässt die Hoffnung in der Bevölkerung steigen und bringt neue Gegenstände. Und das kann sehr wichtig sein. Je niedriger die Hoffnung in der Bevölkerung ist, desto schneller verrinnt die Zeit. Die passenden Gegenstände wiederum helfen der Gruppe schwierige Situationen zu lösen.
Schafft es die Heldengruppe die im Kapitel geforderte Aufgabe zu erledigen, bevor der letzte Zeitmarker entfernt wurde, ist die Partie gewonnen.
Das macht “Die Abenteuer des Robin Hood” so besonders
“Die Abenteuer des Robin Hood” kommt ohne Regelheft aus. Nachdem das Spiel zum ersten Mal aufgebaut wurde, kann das erste Kapitel im Buch aufgeschlagen werden und das Abenteuer beginnt. Alle nötigen Regeln werden in den Kapiteln selbst während des Spiels vermittelt. Die langwierige Vorbereitung einer Spielrunde durch eine:n Spielenden bleibt so erspart.
Dieses “Learning By Doing” wurde dankenswerterweise auch schon bei anderen Spielen eingesetzt. Doch was an “Die Abenteuer des Robin Hood” ist wirklich neu und innovativ? Die Art Figuren über den Spielplan zu bewegen, welcher nahezu ohne Markierungen auskommt? Nee. Das ist so in der Art auch aus Tabletop Spielsystemen bekannt.
Die fortlaufende Geschichte in einem Geschichtenbuch? Eigentlich auch nicht. Ähnlich funktionieren Spielbücher, die es bereits seit den 1970ern gibt.
Dann aber vielleicht die flexible Reihenfolge der Figuren oder das Kampfsystem? Naja, das gibt es so ähnlich auch bei Dungen Crawlern.
Also nichts Neues? Doch! Denn Michael Menzel hat es geschafft all diese Mechaniken, die bei anderen Spielen durch lange Regelerklärungen beschrieben werden, so zu vereinfachen, dass “Die Abenteuer des Robin Hood” ein richtiges Familienspiel ist. Das Abenteuer steht im Fokus und nicht die Mechanik.
Einer der besonderen Kniffe ist der schwarze Beutel. In diesen werden sowohl die Holzscheiben zum Festlegen der Spielerreihenfolge, als auch kleine Würfel für das Kampfsystem und andere Pappplättchen gelegt. Je nach Spielsituation müssen die Spieler später zufällig einen Würfel, eine Scheibe oder ein Plättchen ziehen. Durch die unterschiedliche Haptik können die Elemente im Beutel problemlos auseinander gehalten werden.
Fazit
Im Kenner- und Experten Spielbereich sind Abenteuerspiele mit fortlaufender Geschichte sehr beliebt. Sie verleihen den Spielenden die Möglichkeit in eine Welt einzutauchen. Doch das oft zu Kosten vieler, kleinteiliger Regeln.
“Die Abenteuer des Robin Hood” schafft es durch geschickten Einsatz des Spielmaterials diesen Regelwust auf ein Minimum zu reduzieren und führt damit auch Spielende mit keiner bis wenig Spielerfahrung an diese Systeme heran. Spielende die Spaß am Entdecken der Welt, Lösen von Aufgaben und Bekämpfen der Bösewichte in “Die Abenteuer des Robin Hood” hatten, können sich anschließend auf dutzende weitere Spiele stürzen. Vieles in den längeren Regelwerken wird ihnen dann vertraut und selbsterklärend vorkommen.
Denn das Grundprinzip ist oft das Gleiche.
Dieser Artikel gehört zu unserer Serie Brettspiel-Test.