Was sind Kennerspiele?

Anders als Familienspiele wie Micro Macro oder Carcassonne, die oft mit sehr wenig Regeln auskommen und ein intuitives spielen unterstützen, sind Kennerspiele oft komplexer. Sie richten sich vor allem an ein Publikum, welches gerne Gesellschaftsspiele spielt und eine Spielerfahrung mit mehr Tiefgang wünscht.


Mille Fiori - Große Punkte-Party für 2 – 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 60 – 90 Minuten

Mille Fiori von Reiner Knizia, erschienen bei Schmidt Spiele für 2 – 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 60 – 90 Minuten
Mille Fiori von Reiner Knizia, erschienen bei Schmidt Spiele für 2 – 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 60 – 90 Minuten
© Foto: Marcus Scheib
Viel Interaktion zwischen den Spielenden verspricht das Spiel Mille Fiori. Denn in diesem Spiel von Autorenmeister Reiner Knizia, ringen wir Spielenden auf einem Spielplan um die besten Plätze.
Gegeneinander wetteifern wir in Mille Fiori um den Titel der besten Glasherstellerin oder des besten Glasherstellers, in der gleichnamigen Lagune. Dazu gilt es geschickt unsere bunten Steine in die unterschiedlichen Regionen des Spielplans zu platzieren um so Reihenzüge zu verursachen und möglichst viele Punkte zu generieren. Doch unsere Wahlmöglichkeit ist beschränkt.
Zu Beginn einer Runde bekommen jede Person 5 Karten auf die Hand. Jede Karte erlaubt es einen Stein in einen der 5 Bereiche zu legen und dafür Punkte zu bekommen. Ich wähle mir eine Karte aus und gebe die übrigen Karten zu meiner linken Nachbarin oder meinem Nachbarn weiter.
Jeder Bereich hat seine eigenen Regeln um Punkte zu generieren. Im Bereich der Werkstätten geht es bspw. darum eine möglichst große Gruppe eigener Steine zu bilden, da jeder weitere Stein auf einen Schlag mehr Punkte bringt. Der Bereich des Hafens wiederum ist nur punkteträchtig, wenn auch der Bereich des Handels durch uns Spielende gut befüllt wird. Hier gilt es zusammenzuarbeiten.
Punkte in Mille Fiori gibt es für jeden Schritt, so dass ich beim Spielen schnell in einen wahren Punkterausch verfallen bin. Neben den Punkten für das Legen eines Steines, bietet jeder Bereich satte Bonuspunkte und die Möglichkeit auf weitere Züge, sobald bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
Bei der Auswahl meiner Karte zu Beginn meines Zuges gilt es daher herauszufinden, welche Karte mir den effektivsten Zug bringt. Es gilt aber auch zu bedenken, welche Karten ich anschließend weitergebe um meinen Mitspielenden nicht zu sehr in die Hände zu spielen.
Besonders der Bereich der Häuser kann zu einer Goldmine werden, wenn eine Person nicht gestoppt wird.
Je mehr Personen an einer Partie Mille Fiori teilnehmen, um so härter wird das Ringen um die begehrten Plätze. Während im Spiel zu zweit die direkte Konfrontation leicht vermieden werden kann, ist im Spiel mit drei oder vier Person schon für mehr Reibung gesorgt.
Bei einer Partie Mille Fiori kann munter geknobelt und gestänkert werden. Das Farbenfrohe Material und die schöne Illustration des Spielplans weckte in mir Sommergefühle. Mit einer Spielzeit von 60 bis 90 Minuten ist Mille Fiori schon eher als Hauptgang zu servieren.
Ein Spiel von: Reiner Knizia
Gestaltet von: Stephan Lorenz

Gutenberg – Über die Beginne des Buchdrucks. Für 1 – 4 Spielende im Alter ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von etwa 60 Minuten

Gutenberg von Katarzyna Cioch und Wojciech Wiśniewski, erschienen bei Huch für 1 – 4 Spielende im Alter ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von etwa 60 Minuten
Gutenberg von Katarzyna Cioch und Wojciech Wiśniewski, erschienen bei Huch für 1 – 4 Spielende im Alter ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von etwa 60 Minuten
© Foto: Marcus Scheib
Als Gutenberg den Buchdruck erfand, hätte er sich wohl kaum träumen können, dass er damit Thema eines Brettspiels wird. Doch so ist es nun geschehen. Und das Spiel “Gutenberg” kann man durchaus als gelungen bezeichnen.
Im sehr thematischen Brettspiel Gutenberg bauen wir Spielenden an unseren eigenen Druckereien herum, optimieren unsere Fähigkeiten, erweitern unser Buchstabenrepertoire und erfüllen Aufträge, um am Ende die ruhmreichste Druckerei zu leiten.
Jede der 6 Runden besteht aus 3 Phasen. In der ersten Phase gilt es zu bestimmen, welche der 5 möglichen Aktionen ein:e jede:r Spielende in der Runde ausführen möchte. Dafür bieten wir, verdeckt hinter Sichtschirmen, mit kleinen Markern auf die Aktionen. In der zweiten Phase gehen wir die 5 Aktionen, sehr schön dargestellt auf dem Spielbrett, der Reihe nach durch.
Die Person, welche in der ersten Phase die meisten Marker auf eine Aktion geboten hat, darf diese zuerst ausführen. Und das ist oft ein großer Vorteil! Denn die Aufträge ermöglichen es uns aus einer begrenzten Auswahl neue Aufträge, Tinten, Fähigkeiten, Zahnräder oder Unterstützer:innen zu wählen. Und wer zuerst kommt, wählt zuerst.
Nachdem wir in der Aktionsphase unsere Druckereien verbessert haben, gilt es in der letzten Phase offene Aufträge zu erfüllen. Um erfüllt zu sein und Geld abzuwerfen, verlangt jeder Auftrag mindestens die passenden Buchstabenkombination. Doch damit meine Druckerei durch einen Auftrag auch Ansehen und Siegpunkte erhält, sollte ich die Aufträge besonders schön erfüllen. Und dazu benötige ich verbesserte Fähigkeiten und die richtige Druckfarbe.
Die Person, welche nach 6 Runden das meiste Ansehen gewinnen konnte, gewinnt diese Partie Gutenberg.
Gutenberg ist ein perfekter Titel für Spielende, die es Lieben aus dem Gegebenen das Optimale raus zu holen. Durch den Bietmechanismus und die gemeinsame Auslage ist das Spiel angenehm interaktiv, jedoch ohne zu konfrontativ zu sein. Besonders lobend möchte ich das plastikfreie Spielmaterial erwähnen. Die Buchstaben für die Druckerei sind hochwertig aus Holz gefertigt, die Tintentropfen werden verdeckt aus einem Leinensack gezogen und das gesamte Spielmaterial in kleinen Papptruhen organisiert. Auch wenn Gutenberg nichts neu erfindet, ist es doch der Mix, die hervorragende Umsetzung des Themas und das hochwertige Material, was dieses Spiel so besonders macht.
Ein Spiel von: Katarzyna Cioch, Wojciech Wiśniewski
Gestaltet von: Rafał Szłapa

Living Forest – Strategisches Waldretten für 2 bis 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 30 bis 60 Minuten

Living Forest von Aske Christiansen, erschienen bei Pegasus Spiele für 2 bis 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 30 bis 60 Minuten
Living Forest von Aske Christiansen, erschienen bei Pegasus Spiele für 2 bis 4 Spielende ab 10 Jahren mit einer Spielzeit von 30 bis 60 Minuten
© Foto: Marcus Scheib
Der Wald brennt und unsere Aufgabe als Waldgeister ist es möglichst viele Tiere anzuheuern, die uns beim Löschen helfen, den Wald mit uns aufforsten und Blümchen pflanzen. Obwohl das Kennerspiel “Living Forest” so harmonisch daher kommt, kann es schnell eine ziemliche Stänkerei werden. Doch einmal von Anfang an.
Obwohl das Thema “Brand löschen und Wald retten” so klingt als würden wir Spielenden nur zusammen gewinnen können, ist “Living Forest” eigentlich ein Wettrennen darum, welche Person als erstes eine der drei Siegbedingungen erfüllt. Uns genügt es also nicht nur etwas Gutes zu tun, nein, wir wollen es auch am schnellsten machen!
So kann ich als Spieler:in entweder zuerst 12 Feuer löschen, 12 unterschiedliche Bäume pflanzen oder 12 Blumen sammeln. Welche der drei Bedingungen ich im Laufe des Spiels erfüllen möchte, ist zu Beginn nicht unbedingt klar, denn es gilt auf die Mitspielenden und die Entwicklung des Spiels zu achten.
Um meine Ziele zu erfüllen, stehen mir die vier unterschiedlichen Aktionen:
  • Tiere anheuern,
  • Feuer löschen,
  • Baum pflanzen oder
  • mich im Rondell bewegen
zur Verfügung. Abhängig von meinem Kartenglück kann ich jede Runde ein bis zwei dieser Aktionen ausführen.
Jede Runde beginnt damit, dass wir Spielenden zeitgleich Tierkarten von unserem Kartendeck aufdecken. Jedes Tier bringt Aktionspunkte für eine oder mehrere Aktionen. Je mehr Tiere ich mich traue aufzudecken, umso stärker können meine Aktionen werden.
Unter meinen Tierkarten gibt es jedoch sogenannte “Einzelgänger”. Sollte ich drei dieser Tiere aufgedeckt haben, habe ich mein Glück überstrapaziert und muss für diese Runde innehalten. Und noch schlimmer: Mir steht nur eine statt der üblichen zwei Aktionen zur Verfügung. Meistens ist es daher sinnvoll vor dem dritten Einzelgänger mit dem Aufdecken aufzuhören.
Im Anschluss führen wir Spielenden nacheinander unsere Aktionen aus. Die Aktion “Feuer löschen” steht nur solange zur Verfügung bis alle Flammen gebändigt wurden. Oft macht das bereits die beginnende Person.
Wähle ich die Aktion “Bäume pflanzen”, kann ich meinen persönlichen Wald aufforsten und dadurch Boni erhalten, die meine zukünftigen Aktionen stärker machen. Beim Erwerben neuer Tiere bringe ich neue Karten in meinen Kartenstapel. Ich kann mein Deck so verstärken und auf meine Strategie ausrichten. Durch den Erwerb von Tieren werden jedoch auch neue Flammen für die nächste Runde entfacht.
Mit der letzten Aktion kann ich meine Mitspielenden direkt stänkern. Gehe ich nämlich Schritte im Rondell und überspringe dabei eine andere Figur, kann ich dem Besitzer oder der Besitzerin ein Bonusplättchen mopsen. Zudem aktiviere ich im Rondell oft weitere Aktionen.
Im Laufe des Spiels gewinne ich so Flammen, Blumen und Bäume. Obwohl bei “Living Forest” bei der ersten Partie Spielende oft allein vor sich her spielen, ist es eine Bereicherung seine Gegner:innen im Auge zu behalten. Wer verfolgt welche Strategie? Wie nahe sind die anderen am Ziel und wie kann ich einen vorzeitigen Sieg anderer verhindern? So werden oft Koalitionen gebildet, die nur so lange halten, bis ein:e andere:r näher am Ziel scheint.
Im Spiel “Living Forest” gibt es nicht die eine Siegstrategie und jede Partie kann komplett anders verlaufen als die davor. Dadurch entsteht ein sehr hoher Wiederspielreiz, welcher auch die “Spiel des Jahres”-Jury dazu animiert haben dürfte “Living Forest” zum Kennerspiel des Jahres 2022 zu nominieren.
Ein Spiel von: Aske Christiansen
Gestaltet von: Apolline Etienne
Dieser Artikel gehört zu unserer Serie Brettspiel-Test.