Von Jan Siegel

„Optimistisch“ war in der Nacht zum Mittwoch das wohl von den Beteiligten meistgebrauchte Adjektiv nach dem Kohlegipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Mehr als vier Stunden hatten die Ministerpräsidenten der Kohleländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen beim Abendessen mit Merkel und einem Großteil ihres Kabinetts zusammengesessen, um nach Lösungen zu suchen für die Verhandlungen in der 28-köpfigen Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung.

Vor dem Kanzleramt hatten nicht nur Klimaschützer mit Sprechchören und Trommeln für einen schnellen Kohleausstieg demonstriert. Auch zahlreiche Kumpel aus den Revieren waren nach Berlin gereist, um für Perspektiven für ihre Regionen zu kämpfen.

Es scheint, als habe die Bundesregierung endlich die Brisanz der Situation erkannt und sich das Thema auf den Tisch gezogen. Am Ende ist es auch tatsächlich so, dass sich die Kohlekommission zwar auf Vorschläge einigen kann. Umgesetzt werden müssen aber konkrete Vorhaben von der Bundesregierung. Das hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unmittelbar vor dem Treffen noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, als er sagte, dass bei einem klimapolitisch notwendigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung die betroffenen Regionen sichere Perspektiven brauchen. „Und diese Garantie kann nicht die Kommission geben, diese Garantien kann nur die Bundesregierung geben“, machte Woidke klar.

 Nach Aussagen mehrerer Beteiligter am Kohlegipfel haben zum ersten Mal seit Langem auch alle federführenden Bundesministerien die Komplexität der drohenden Situation in den betroffenen Landstrichen erkannt.

„Ich glaube, wir sind uns ein Stück­weit näher gekommen“, sagt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nach dem Treffen. Es müsse auf der einen Seite klar sein, wie die Strompreise sich entwickeln, ob wir Versorgungssicherheit garantieren können, ob wir unabhängig vom Ausland die deutsche Energieversorgung sichern können. „Auf der anderen Seite geht es darum, dass die erste Voraussetzung, damit der Strukturwandel gelingt, eine gute Infrastruktur ist.“ Alle wüssten, wie lange Planung und Bau beispielsweise von Straßen- und Schienenverbindungen in Deutschland derzeit dauerten. „Das ist zu lange“, kritisiert Kretschmer. „Es ist eine Unmöglichkeit für den Strukturwandel, wenn wir nicht in fünf bis zehn Jahren eine Autobahn, eine Fernstraße, eine ICE-Verbindung gebaut bekommen.“ Kretschmer fordert deshalb, die rechtlichen Voraussetzungen für die Beschleunigung von Planungsverfahren in den Revieren zu schaffen.

Nach dem Treffen am Dienstagabend im Kanzleramt ist nun wieder die Kohlekommission am Zug. „Der Bundesfinanzminister hat eine langfristige Finanzzusage sicher zugesagt, wenn auf der Basis eines Kommissionsbeschlusses dann auch die Leitplanken endgültig klar sind“, hatte Sachen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nach der Zusammenkunft gesagt. Diese Leitplanken soll die Kommission fixieren. Dazu ist am Donnerstag ein vorbereitendes Arbeitsgruppentreffen geplant. Am 25. Januar tritt die Kohlekommission komplett zusammen. Sollte ein Kompromiss zwischen den Polen Umweltschutz, bezahlbare Versorgungssicherheit und Strukturhilfen für die Reviere nicht in Sicht sein, will sich die Kanzlerin wahrscheinlich am 30. Januar noch einmal direkt einschalten. Die Kohlekommission soll ihre Arbeit mit ihrem Abschlussbericht am 1. Februar abschließen.