Pendler und Zug-Reisende müssen weiterhin weitreichende Einschränkungen im bundesweiten Bahnverkehr fürchten, denn der Konflikt im Tarifstreit zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Deutschen Bahn gibt es nach wie vor keine Einigung. Nach einem fünftägigen Verhandlungsmarathon letzte Woche wollte die EVG zu Beginn dieser Woche zunächst ihre Entscheidungsgremien über den aktuellen Handlungsstand informieren – ab Mittwoch sollte die Suche nach einer Tariflösung nun weiter gehen. Doch jetzt die EVG die Tarifverhandlungen mit der Bahn für gescheitert erklärt.
Tarifverhandlungen gescheitert: EVG will am Donnerstag über weiteres Vorgehen entscheiden
Am Mittwoch hat die EVG eine Zwischenbilanz zu den aktuellen Tarifverhandlungen gezogen. Trotz konstruktiver Gespräche gibt es noch große Herausforderungen bei den Tarifverhandlungen der Bahn. Laut Angaben beider Seiten sind seit Montag Fortschritte erzielt worden. Allerdings wurden die zentralen Themen, nämlich Lohnerhöhungen und die Laufzeit des Tarifvertrags, bisher noch nicht diskutiert. "Stand heute sind wir unserem Ziel, einen Tarifabschluss zu erreichen, der für alle Beschäftigten gilt, einen Schritt nähergekommen", sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch am Mittwoch in Berlin.
Eigentlich haben Gewerkschaft und Bahn eine Einigung bis Ende letzter Woche angestrebt. Doch konnte auch am fünften Verhandlungstag in Folge kein Abschluss erzielt werden, die Gespräche wurden auf diese Woche verlegt. Die EVG wollte zunächst ihre Entscheidungsgremien über den Verhandlungsstand informieren. „Wir haben intensiv verhandelt und zu vielen Themen eine Verständigung erreicht“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch sagte: „Wir haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Kompromisslinien erarbeitet und wollen diese nun mit den zuständigen Entscheidergremien ausführlich diskutieren.“
Seit Mittwoch sollen die Tarifverhandlungen mit der Bahn nun wieder weitergehen. Allerdings führte die Gewerkschaft EVG ausführliche Beratungen innerhalb ihrer Tarifkommission durch, um über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Dies führte zu einer stetigen Verzögerung des Verhandlungsbeginns mit den Vertretern der Deutschen Bahn im Gebäude der IG Metall in Berlin-Kreuzberg.
Jetzt hat die EVG die Verhandlungen mit der Bahn für gescheitert erklärt. Verhandlungsführer Kristian Loroch erklärte am Mittwochabend, insbesondere die Laufzeit sei als "deutlich zu lang" und die angebotene Lohnerhöhung als "zu niedrig und zu spät" bewertet worden.
Wann wird es wieder zu Streiks bei der Bahn kommen?
Das genaue Datum einer Aktion vonseiten der EVG steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Die EVG hatte ihre Streikdrohung zuletzt vorerst ausgesetzt. Wer verhandelt, streikt nicht - mit diesem Motto war die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zuletzt im zähen Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn unterwegs.
Doch obwohl die Streikdrohung vorerst ausgesetzt ist, gibt es keine Entwarnung. Sollte die Gewerkschaft das Gefühl bekommen, dass keine Fortschritte erzielt werden, droht der nächste Warnstreik. EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch nannte die Streikbereitschaft innerhalb der Gewerkschaft hoch. Wenn sich in den kommenden Tagen „nichts deutlich bewegt“, müssten die Menschen mit weiteren Streiks rechnen. „Welche Form der Streiks, das werden dann die entsprechenden Gremien beschließen.“
Die Gewerkschaft hatte zu Beginn der aktuellen Verhandlungsrunde angekündigt, dass sie von der Zwischenbilanz am Mittwoch abhängig machen will, ob sie die Gespräche fortführen wird - und andernfalls Arbeitsniederlegungen in Aussicht gestellt. Einem Tarifabschluss sei man jetzt einen Schritt näher gekommen. Die größten Herausforderungen lägen noch vor den Verhandlern, sagte Loroch. „Bislang haben wir noch nicht über die zu vereinbarende Lohnerhöhung und die Laufzeit des neuen Tarifvertrages verhandelt. Da liegt noch viel Konfliktpotenzial drin, denn die Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen ist groß – und damit auch die Streikbereitschaft“, sagte er.
Am Freitag endete die Verhandlungsrunde, weitere Gespräche wurden auf diese Woche vertagt. Doch jetzt sind die Verhandlungen gescheitert, der Bundesvorstand der Gewerkschaft werde laut Loroch am Donnerstag in Berlin das weitere Vorgehen beschließen.
Zugausfälle und Verspätungen – Wo gestreikt wird
Auch diese Frage ließ die EVG bislang unbeantwortet. Die bisherigen Aktionen der Gewerkschaft ließ allerdings bundesweit Züge stillstehen.
Wird es diesmal zu unbefristeten Streiks kommen?
Laut Ingenschay wird der nächste Arbeitskampf voraussichtlich erneut in Form eines Warnstreiks stattfinden. Dennoch schließt die Tarifvorständin nicht aus, dass später eine Urabstimmung über mögliche unbefristete Streiks stattfinden könnte. Sie betonte, dass dies eine Option sei, die innerhalb der Organisation diskutiert werde. Allerdings gäbe es noch keinen konkreten Plan dafür.
Sollten die Verhandlungen diese Woche als gescheitert eingestuft werden, ist eine Urabstimmung über dann möglicherweise unbefristete Streiks denkbar.
EVG: Wesentliche Forderungen nicht erfüllt
"Wesentliche Punkte unserer Forderungen sind weiterhin nicht erfüllt", erklärte EVG-Ko-Verhandlungsführer Kristian Loroch. "Die DB AG ist dringend aufgefordert, ihr Angebot umgehend neu auszurichten." Er forderte die Bahn auf, am besten noch am Mittwoch "mit uns weiter zu verhandeln". Der aktuelle Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, sei sozial ungerecht, erklärte Loroch die Entscheidung der Gewerkschaft. Die geplante prozentuale Staffelung benachteiligt "gerade die unteren Lohngruppen, für die wir diesmal deutlich mehr herausholen wollen".
Die Bahn hatte Lohnerhöhungen von zwölf Prozent für niedrigere Einkommen, zehn Prozent für mittlere Einkommen und acht Prozent für höhere Einkommen sowie einen steuerfreien Inflationsausgleich in Höhe von insgesamt 2850 Euro vorgeschlagen. Die EVG hingegen hatte eine zwölfprozentige Erhöhung für alle gefordert, insbesondere aber mindestens 650 Euro mehr. Dies würde für die niedrigeren Einkommen eine prozentual betrachtet deutlich höhere Gehaltssteigerung bedeuten.
In dem Schreiben, in dem die Gewerkschaft der Bahn die Ablehnung des Angebots mitteilte und das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, verweisen Loroch und die Ko-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay insbesondere auf die fehlende Mindesterhöhung im DB-Angebot. Darüber hinaus kritisieren sie die vorgeschlagene Laufzeit von 24 Monaten. Zuvor hatte die Bahn 27 Monate vorgeschlagen, während die EVG jedoch eine Laufzeit von zwölf Monaten fordert.
(mit Material von afp und dpa)
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