Nach monatelangen Beratungen haben Klimaschützer, Gewerkschafter, Wirtschaftsvertreter und Wissenschaftler in der Kohlekommission der Bundesregierung endlichen ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Eckpunkte: Kohleausstieg spätestens 2038, Milliardenhilfen für die Reviere, Vorsorge für die Kumpel. 27 der 28 Mitglieder der Kommission haben diesem Kompromiss in der Nacht zum Samstag zugestimmt. Nur Hannelore Wodtke aus Welzow stimmte mit Nein.
Wie sehen die Reaktionen auf den Abschlussbericht der Kohle-Kommission aus?
Der Tagebau- und Kraftwerksbetreiber Leag sieht Risiken im Kompromiss der Kohlekommission. Sollte auch nach der Prüfung des Berichtes durch die Bundesregierung das Ausstiegsdatum Ende 2038 sowie die Stilllegung weiterer Kapazitäten in den nächsten Jahren bestätigt werden, dann würde dies unser Revierkonzept, das nach unseren Planungen bis über 2040 hinausreicht, ernsthaft in Frage stellen, sagt der Vorstandsvorsitzende Helmar Rendez.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht in den Ergebnissen der Kohlekommission eine Chance für Sachsen. Wir hätten als Freistaat Sachsen nicht die Möglichkeit, die Lausitz und das mitteldeutsche Revier in so einem Umfang zu entwickeln. Dass wir das jetzt können, ohne anderweitig Einschnitte machen zu müssen, ist ein großer Erfolg.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht von einem guten Ergebnis: Jetzt gibt es endlich Planungssicherheit für unsere Lausitz. Die Arbeit der Kommission war aber nur der erste Gang. Jetzt sind Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat am Zuge, um das umzusetzen. Und zwar möglichst schnell.
Ganz anders sieht das Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen:Es ist enttäuschend, dass vor allem die Vertreter der ostdeutschen Braunkohleländer in der Kommission, allen voran Sachsen, eingeknickt sind unter dem Druck einer Lobby, die entgegen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis weiterhin den Braunkohleabbau nicht konsequent stoppt.
Deutschland werde seine Klimaziele so weiterhin verfehlen. Und: Mit dem vorliegenden Kompromiss sind Ortschaften und Landschaften weiterhin zur Vernichtung durch den Braunkohletagebau freigegeben.
Auch Torsten Herbst, Bundestagsabgeordneter der FDP aus Sachsen beklagt: Der Beschluss der Kohlekommission ist eine einzige Enttäuschung. Er zeugt von Verantwortungslosigkeit gegenüber den Menschen in den Kohleregionen, insbesondere in der Lausitz und er schadet massiv dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
Erst müsse der Strukturwandel tatsächlich gelungen sein, bevor über die Zukunft der Kohle entschieden werden könne.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) ist deutlich positiver gestimmt: Die Mitglieder und Beisitzer der Kohlekommission haben es sich nicht leicht gemacht und die berechtigten Interessen des Klimaschutzes mit denen der Versorgungssicherheit und der Wirtschaft in den Regionen abgewogen.
Nun müsse die Stromversorgung entsprechend neu organisiert werden.Dulig: Wir werden neue Stromtrassen benötigen, die erneuerbaren Energien müssen zügiger ausgebaut werden, wir brauchen völlig neue Speichertechnologien und müssen darauf achten, dass all diese Umstellungsmaßnahmen nicht letztlich der Verbraucher über einen deutlich steigenden Strompreis finanzieren muss.
Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) bleiben skeptisch. Der von der Politik forcierte Kohle-Ausstieg bleibt ein Experiment mit ungewissem Ausgang, sagt Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck. Jetzt muss so schnell wie möglich ein Maßnahmengesetz kommen, das den beschleunigten Ausbau von Verkehrs- und digitaler Infrastruktur regelt. Dazu gehört auch, die BTU Cottbus-Senftenberg als Innovationsmotor für die Region zu stärken. Der Maßstab für die Wirtschaft seien 20.000 Industrie-Arbeitsplätze in der Region.
Die Lausitzer Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Linke) beklagt, dass sich die Profitinteressen des Kapitals erneut gegen die von Klima und Beschäftigten durchgesetzt hätten. Dass es keinen Abbaggerungsstopp für vom Tagebau bedrohte Dörfer gibt, ist bedauerlich. Angesichts des nun beschlossenen Ausstiegs hier noch offene Fragen zu lassen, halte ich für verantwortungslos, sagt Lay.
Dana Dubil, Regionsgeschäftsführerin der Gewerkschaft DGB in Ostsachsen: Auch wenn die empfohlenen Schritte des Kohleausstiegs harte Einschnitte für die Beschäftigten und die Regionen bedeuten, so ist doch der gefundene Kompromiss ein planbarer, geordneter und finanziell untersetzter Prozess, in den die Sozialpartner miteinbezogen werden. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und werden aktiv die Lausitz mitgestalten.
Der Umweltverband Grüne Liga aus Cottbus ist nicht begeistert, spricht von einer weiteren Verwüstung der Lausitz. Während im Rheinland die notwendigen ersten Schritte zum Kohleausstieg gegangen werden, sollen die Steuermilliarden in der Lausitz praktisch ohne Gegenleistung fließen. Die Kraftwerksplanungen des Leag-Konzerns werden bisher nicht angetastet. Offenbar soll der Steuerzahler hier nicht die Folgen eines Kohleausstieges abfedern, sondern die Sparprogramme der Leag-Eigner ausgleichen und den Landtagswahlkampf der beiden Ministerpräsidenten retten, sagt Sprecher René Schuster.
Er kritisiert vor allem eine ins Gespräch gebrachte Umrüstung des Kraftwerks Jänschwalde. In der Kommissionssitzung hatten Vertreter der Landesregierung zwar die Nachrüstung des Kraftwerkes mit einer innovativen Technologie in der Mitte der 2020er Jahre angeboten. Diese dubiose Technologie kam jedoch erst spät in der Verhandlungsnacht zur Sprache und war der Kommission in keiner der zahlreichen Expertenanhörungen vorgestellt oder jemals schriftlich zur Kenntnis gegeben worden.
Franziska Sperfeld, stellvertretende Landesvorsitzende des BUND Brandenburg, fordert Konsequenzen für die Tagebaue: Vor dem Hintergrund, dass die Kohlenutzung laut Kommission 2038 enden soll, vorher schon der Kohlebedarf weiter sinkt und der Tagebau Welzow Süd I auf 2033 verlängert wurde, ist ein Beharren auf Umsiedlungen nicht mehr nachvollziehbar.
Kritisch äußert sich auch Hannelore Wodtke, die selbst als Lausitzer Vertreterin der Tagebaurand-Bewohner in der Kohle-Kommission mitgearbeitet hat, zum Abschlussbericht: Grundsätzlich sei es gut und richtig, dass ein bundesweiter Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohle zustande gekommen sei. Leider haben die Brandenburger und sächsische Länderregierungen den Prozess blockiert, wo es nur ging. Es war noch nicht einmal möglich, den Erhalt des von der Abbaggerung bedrohten Dorfes Proschim im Endbericht festzuschreiben, sagt Wodtke .
Der Brandenburger Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Clemens Rostock, begrüßt, das mit den Empfehlungen der Kommission der Einstieg in den Kohleausstieg nun endlich Realität werden solle. Allerdings ist Rostock zufolge der Plan für die Lausitz zu vage formuliert. So wird offen gelassen, ob der Tagebau Welzow Süd II noch kommen wird, kritisierte Rostock. Er kündigte an, dass die Grünen weiter gegen einen neuen Tagebau Welzow Süd II kämpfen würden.
Dawid Statnik, Vorsitzender der Domowina: Wichtig ist nun, eine Strukturpolitik zu betreiben, die die Lausitz nicht abhängt, sondern mit guten, langfristigen Maßnahmen nach vorne bringt. Dahingehend hoffen wir, dass die Bundespolitik die Vorschläge der Kommission aufgreift und umgehend in die benötigten Rechtsrahmen überleitet.
Auch bei den radikalen Kohlegegnern stößt der Bericht der Kommission auf wenig Zustimmung. Nike Mahlhaus, Pressesprecherin von Ende Gelände: Was die Kohlekommission vorlegt, ist kein Konsens. Damit wird das 1,5-Grad-Ziel unmöglich. Die Konzerne bekommen hier Geld für nichts, was mit dem Hambi und den Dörfern passiert, ist unklar. Noch 20 Jahre Kohlekraft sind 20 Jahre Kohlekraft zu viel. Dem stellen wir uns entgegen!
Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende, spricht hingegen von einer Sternstunde für unser politisches System: Der heute ausgehandelte Kohlekonsens zeigt eindrucksvoll, dass sich gesellschaftliche Großkonflikte in Deutschland immer noch gemeinschaftlich lösen lassen.
Der nun beschlossene Ausstiegspfad führe allerdings nicht dazu, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für 2020 schnell erreicht. Hier sind nun die Verkehrs- und die Gebäudekommission gefragt und die Bundesregierung, die die Vorschläge ihrer Kommissionen auch ernst nimmt und noch 2019 in Gesetze umsetzt, sagt Graichen.
Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, sagte am Rande der Regionalkonferenz des mitgliederstärksten Bauarbeitgeber und Bauwirtschaftsverbandes der Region auf der Handwerker-Messe in Cottbus: Die Einigung auf einen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis spätestens 2038 mit Prüfung des Ausstiegsdatums im Jahr 2032 ist für die Region natürlich erstmal ein Schock. Wichtig ist jetzt, dass ganz schnell eine konkrete Strategie und Perspektive für die Region vorgelegt und öffentlich wirksam wird, die zeigt, wo und wie wir alternative, attraktive und innovative Arbeitsplätze schaffen wollen, damit uns die Menschen nicht abwandern. Denn die bekommen wir nicht mehr zurück.