Die Kanzlerin ist gerührt. Allein in dieser Woche hat Angela Merkel zwar Tokio besucht. Sie war in Bratislava und am Freitagmittag bei der Eröffnung der neuen BND-Zentrale in Berlin. Doch als sie am Abend in Templin spricht, ist ihre Stimme zumindest zu Beginn ihrer Dankesrede alles andere als fest.

Die Uckermark-Stadt Templin hat Angela Merkel zur Ehrenbürgerin gemacht. Die Kanzlerin ist erst die dritte Person in der jahrhundertlangen Geschichte Templins, die diese Ehre erfährt. Und sie weiß es zu schätzen: "Templin ist die Stadt meiner Kindheit und Jugend", sagt sie. "Vieles, was ich heute sein kann, ist in Templin entstanden." Merkel wird auch persönlich. "Meine Mutter und meine Geschwister sind da", erzählt sie, ebenso ihre Freundinnen Cornelia, Brigitte und Ute. Merkel gibt zu: "Da bin ich auch auf eine ganz bestimmte Weise ein wenig aufgeregt."

Templin hat zwar für die Ehrung der Kanzlerin lange gebraucht - immerhin ist Merkel schon seit mehr als 13 Jahren Kanzlerin. Das Städtchen ist trotzdem die erste Kommune, die Angela Merkel zur Ehrenbürgerin macht. Sie kommt damit Merkels Geburtsstadt Hamburg und auch ihrem Wahlkreis in Vorpommern zuvor.

Angela Merkel ist das recht: Sie in der Uckermark-Stadt aufgewachsen. Noch heute hat sie nur wenige Kilometer weiter ihren Zweitwohnsitz. In Templin selbst kann man am Haus Fichtengrund, wo sie groß wurde, vorbeischlendern. Auch die Schule, in der Merkel gelernt hat, steht noch. "Kasi" soll sie damals von ihren Schulfreunden genannt worden sein, nach ihrem Mädchennamen Kasner.

Das traut sich heute niemand mehr. Selbst Laudator Bodo Ihrke (SPD), der mit Merkel zur Schule ging, wagt es erst am Ende seiner Rede, sie "liebe Angela" zu nennen. Vorher war sie stets die "sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin".

Und doch wird auf dem Empfang immer wieder berichtet, dass die Kanzlerin in der Uckermark ein wenig Normalität pflegt. Pfarrerin Beatrix Spreng aus dem benachbarten Joachimsthal erzählt, dass Merkel noch immer "einfach so" bei Edeka einkaufen geht. Die Leute schauen vielleicht, angesprochen wird Merkel eher selten "Die respektieren ihre Privatsphäre", sagt Spreng.

Die meisten zumindest. Denn auch in ihrer Heimat wird die Kanzlerin nicht von allen willkommen geheißen. In der Nacht zu Donnerstag wurde die Fassade des Multikulturellen Centrums, wo der Empfang stattfand, beschmiert. "Nicht unser Ehrenbürhger", stand an dem Gebäude. Jetzt ermittelt der Staatsschutz. Auch während der Veranstaltung fand in der Nähe eine Demonstration statt. "Merkel muss weg"-Brüller mit Deutschlandfahnen gibt es auch in Templin. Viele sind es aber nicht.

Dafür sind viele in der 16 000-Einwohner-Stadt schlicht zu stolz auf ihre Ehrenbürgerin. Schon in den vergangenen Tagen gab Merkels früherer Mathelehrer Hans-Ulrich Beeskow ein ums andere Interview. "So ein begabtes Mädchen“ sei ihm nie wieder begegnet, erinnerte er sich.

Merkels Mutter wohnt immer noch in Templin. "Die ist inzwischen 90 Jahre alt und gibt immer noch Englisch-Kurse an der Volkshochschule", erzählte Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (Linke).

Der stammt übrigens von der Linkspartei - und musste sich lange für Merkels Ehrenbürgerschaft stark machen. Die Idee selbst ist schon mehr als zwei Jahre alt. Tabbert findet, das hat sich gelohnt. Merkel habe "viele Krisen in Deutschland, Europa und der Welt im Interesse des Landes gemeistert", sagte er im Sommer dem "Tagesspiegel". "Das lag wohl auch ein wenig an ihrer, sagen wir mal, preußisch-norddeutschen Gelassenheit, die ein Merkmal ihrer uckermärkischen Heimatstadt ist."

Eine Heimat, in der sie auch ihr Laudator gern wieder empfängt. Wenn sie denn in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr Kanzlerin ist, "dann verabreden wir uns mal im Bürgergarten und sitzen auf der Parkbank", schlägt Ex-Landrat Ihrke vor. "Und tauschen uns über unsere Nachfolger aus."

In die Zukunft denkt allerdigs auch die Jugendband, die auf dem Empfang den Phil-Collins-Song "Another Day in Paradise" spielt. Zwischen 14 und 19 sind die vier, keiner von ihnen kann sich an eine Zeit vor Merkel erinnen. Zwar finden die Jugendlichen es gut, dass in Deutschland eine Frau die Regierung führt. Dass in absehbarer Zeit der Abschied der Kanzlerin bevorsteht, nehmen sie gelassen hin.

Merkel habe einen guten Job gemacht, sagt etwa Keyboarderin Selene Spreng. Aber: "Die Zukunft gehört nunmal den Jungen." Nur eines falle ihr schwer, scherzt die 17-Jährige: sich vorzustellen, dass ein Mann Bundeskanzlerin sein könne.