„Seit Jahresbeginn bis zum 12. August wurden dem Nabu deutschlandweit bereits mehr als 1300 Verdachtsfälle gemeldet, die über 2500 kranke oder tote Vögel betrafen. Beim bisher stärksten Auftreten der Usutu-Epidemie im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum lediglich 800 Meldungen“, verweist Nabu-Sprecherin Kathrin Klinkusch.

Erste Fälle im Jahr 2011

Seit dem erstmaligen Auftreten dieses Vogelsterbens im Jahr 2011 breite sich das von Stechmücken auf Vögel übertragene Usutu-Virus zunehmend in Deutschland aus. Waren in den ersten Jahren nur wärmebegünstigte Regionen entlang des Rheintals und am Untermain betroffen, konnte seit 2016 eine Ausbreitung über Nordrhein-Westfalen nach Norden und vor allem im Hitzejahr 2018 eine Ausbreitung in die nördlichen und östlichen Landesteile festgestellt werden.

„Kein Bundesland ist mehr Usutu-frei“

Im Sommer 2018 wurden erstmals Usutu-Infektionen für Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern nachgewiesen. Nabu-Vogelschutzexperte Lars Lachmann: „Damit ist kein Bundesland mehr Usutu-frei. Nur aus höher gelegenen Mittelgebirgsregionen werden bisher noch keine toten Vögel gemeldet.“

Deutliche Zunahme in Brandenburg

In Brandenburg seien seit Jahresbeginn bis 12. August 76 Meldungen über 141 tote Amseln eingegangen, sagt Manuela Brecht, Naturschutzreferentin beim Nabu Brandenburg.

„Es ist jetzt schon abzusehen, dass es in diesem Jahr deutlich mehr Fälle sein werden“, prognostiziert die Vogelexpertin. Denn im Vorjahr seien insgesamt 202 Meldungen über 359 tote Vögel eingegangen.

Es werden noch zu wenig Vögel eingeschickt

Territorial seien die Meldungen 2018 aus dem gesamten Land Brandenburg eingegangen. Bestätigt werden konnten aufgrund eingesandter Vögel Usutu-Fälle in der Prignitz, Uckermark, Märkisch-Oderland und auch rings um Cottbus. Es seien aber 2018 zu wenig Vögel für eine Untersuchung ans Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg (BNI) eingeschickt worden, um auch andere gemeldete Fälle virologisch nachweisen zu können.

Vor dem Versand Vögel einfrieren

Daher appelliert Manuela Brecht, gefundene Amseln einzuschicken. Obwohl nach aktuellem Wissenstand keine Infektionsgefahr von den Vögeln ausgeht, wird zum Hantieren mit toten Vögeln das Verwenden von Handschuhen oder einer umgestülpten Plastiktüte sowie eine anschließende Händereinigung empfohlen. Idealerweise sollten die Vögel eingefroren oder mit einem Tiefkühlakku versehen werden, gut gepolstert und wasserdicht verpackt versendet werden. In den Sommermonaten ist eine Isolation mit Styropor sinnvoll.

Nabu informiert auf spezieller Website

„Wer die Tiere nicht versenden möchte, was übrigens kostenfrei ist, kann sie auch beim zuständigen Kreisveterinäramt abgeben“, empfiehlt Manuela Brecht. Der Nabu habe für Meldung und Versand extra eine Website unter www.nabu.de/usutu-melden, wo es weitere wichtige Hinweise, Links und Adressen gibt.

Symptome: Apathie, Torkeln und zerzaustes Gefieder

Seit Beginn der Usutu-Ausbrüche gab es immer wieder Hinweise auf auffällige Verhaltensweisen (Apathie, fehlendes Fluchtverhalten, Schwanken und Torkeln) und Gefiederveränderungen (zerzaustes Aussehen). Nicht alle dieser Symptome betreffen Vögel mit Usutu-Infektionen. Der Nabu sammelt bereits seit 2011 verdächtige Totfundmeldungen.

Höhepunkt des Sterbens steht noch bevor

Den Höhepunkt des Vogelsterbens erwarten Vogelkundler und Virologen in den kommenden Wochen, denn die meisten Usutu-Fälle treten im August und September auf. Im Jahr 2018 entfielen 93 Prozent der insgesamt fast 13 500 Meldungen auf diese beiden Monate.

„Der trocken-heiße Sommer 2018 war offensichtlich günstig für die Ausbreitung des wärmebedürftigen Usutu-Virus, auch wenn die Zahl der Mücken als potenzielle Überträger aufgrund der Trockenheit allgemein eher gering war“, so Dr. Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. 2019 ist genauso heiß, dabei aber deutlich feuchter und mückenreicher als das Vorjahr. Lühken: „Daher könnte die diesjährige Usutu-Saison noch stärker ausfallen.“

Labor testet auch auf West-Nil-Virus

Alle im Labor eingesandten toten Vögel werden neben dem Usutu- auch auf das West-Nil-Virus getestet, das im vergangenen Jahr erstmals in Deutschland in Vögeln und Pferden nachgewiesen wurde. „Beide Viren können in seltenen Fällen auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“, so Lühken.

Die Übertragung von Usutu-Viren auf den Menschen erfolgt laut BNI eher zufällig (ebenfalls über Stechmücken) und kann zum Usutu-Fieber führen. Zu den Symptomen gehören Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschläge; in seltenen Fällen kann es zu einer Gehirnentzündung kommen.

Amsel-Bestände sind zurückgegangen

Die Vogelschützer des Nabu interessieren vor allem die Auswirkungen der neuen Vogelkrankheit auf die Bestände von Deutschlands häufigstem Vogel, der Amsel. Dazu vergleichen sie die Informationen über die Verbreitung des Virus mit den Ergebnissen der großen Nabu-Gartenvogelzählung, der „Stunde der Gartenvögel“.

Eine erste Auswertung hatte gezeigt, dass die Amselzahlen in von Usutu betroffenen Gebieten stärker zurückgegangen waren als im übrigen Deutschland.

Bisher ist jedoch noch völlig unklar, ob sich betroffene Bestände wieder vollständig erholen können, dauerhaft reduziert bleiben oder gar immer weiter abnehmen werden.

Für gute Lebensbedingungen sorgen

Lachmann: „Leider kann man Usutu-Infektionen weder verhindern noch behandeln. Der Nabu ruft daher alle Vogelfreunde dazu auf, zumindest dafür zu sorgen, dass Amseln und andere Gartenvögel in naturnahen Gärten gute Lebensbedingungen vorfinden, um die Verluste durch die neue Vogelkrankheit durch guten Bruterfolg wieder ausgleichen.“