Von Jan Lehmann

Die DTM-Tests vor dem Saisonstart der traditionsreichen Motorsportserie sind in diesen Tagen laut auf dem Lausitzring vernehmbar. Deutlich leiser hat indes in der vergangenen Woche auf der Rennstrecke ein Test stattgefunden, der wohl eine noch viel größere Bedeutung hat.

Volker Noeske, Chef des Technology Centers der Dekra am Lausitzring, berichtete gegenüber der RUNDSCHAU von einem echten Meilenstein in der Erforschung des autonomen Fahrens: „Hier hat der erste Interoperabilitäts-Test der 5G-Hersteller stattgefunden.“ Die Dekra errichtet auf dem Lausitzring Europas größtes unabhängiges Zentrum für automatisiertes und vernetztes Fahren und testet gemeinsam mit der Telekom den Einsatz des neuen Mobilfunkstandards 5G in diesem Bereich.

Noeske verdeutlicht: „Diese Tests waren ein Riesenschritt, weil zum ersten Mal alle Beteiligten an einem Ort zusammen waren. Die Firmenliste ist beeindruckend. Für uns als Dekra ist es ein großer Erfolg, dass das erste Event zu diesem Thema bei uns auf dem Lausitzring stattgefunden hat.“

Tatsächlich listet die federführende 5G Automobil Association (5GAA) eine Reihe von namhaften Konzernen auf, die in Klettwitz mit dabei waren: Samsung, Huawei, Vodafone, Ford, LG Electronics und etliche weitere Technologiefirmen gehören dazu. Dekra-Chef Noeske betont, dass zwar noch kein Auto ohne Fahrzeugführer über den Lausitzring gedüst sei. Doch weit dürfte es bis dahin nicht mehr sein. Vorerst wurde getestet, wie die nach dem Standard entwickelten Gerätschaften in der Lage sind, mit Wettbewerbern zu kommunizieren. Noeske sagt: „Es soll sichergestellt werden, dass die Kommunikation wunderbar klappt, wenn eine bunte Mischung auf der Straße ist.“

Das scheint tatsächlich bald schon möglich: In 96 Prozent der Testfälle habe es eine reibungslose Kommunikation gegeben, berichtet die 5GAA und schreibt in einer Pressemitteilung von einem „wichtigen Meilenstein“. 5GAA-Chef Maxime Flament aus Belgien erklärt: „Diese Veranstaltung hat sehr zufrieden-
stellende Ergebnisse gezeigt und die technologische Einsatzbereitschaft der Funkgeräte bewiesen.“ Das Fazit der Experten lautet demnach: Die Produkte der sogenannten C-V2X-Technologie seien heute „sowohl ausgereift als auch kommerziell für das kooperative, vernetzte und automatisierte Mobilitätsökosystem verfügbar“.

Dazu konkretisiert Dekra-Chef Volker Noeske, dass es zwei verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten gebe: Zum einen die auf dem Lausitzring getestete direkte Kommunikation von Fahrzeug zu Fahrzeug oder auch zu einem Verkehrszeichen, wie beispielsweise von einem Auto zu einer Ampel. Noeske verdeutlicht: „Dieser direkte Austausch würde auch in der Wüste funktionieren.“ Die Datenmengen, die dort verschickt werden, hätten demnach etwa die Größe einer SMS.

Zum anderen gebe es den Austausch größerer Datenmengen auf weitere Entfernungen. Beispielsweise für die Verkehrssteuerung bei Staus oder Unfällen. Dafür wird der Zugang zum 5G-Netz benötigt, um die Daten auf Servern abzulegen. Noeske sagt dazu: „Beides heißt 5G-Technologie und wird in der Öffentlichkeit vermischt.“

Damit die Dekra künftig auch das 5G-Netz testen kann, soll gemeinsam mit der Telekom die nötige Hardware installiert werden. Noeske hofft, dass dies noch 2019 abgeschlossen werden kann. Insgesamt herrscht auf dem Lausitzring ein reger Baubetrieb. Nicht nur die Wache und der Zaun am Eingang werden gebaut. Es liegen auch die Baugenehmigungen für eine neue Fahrversuch-Halle, in der das Labor für Abgasmessung ausgebaut werden soll, und für eine neue ISO-Ge-
räuschmessstrecke vor. Der Klettwitzer Dekra-Chef will allerdings nicht zu viel verraten und betont: „Viele Dinge passieren im Verborgenen, die wir noch nicht kommunizieren können.“

Fest steht aber: Die Dekra investierte zweistellige Millionen-Beträge in Klettwitz und denkt offenbar sogar noch weiter. Der zu 5G konkurrierende Standard G5, der von der EU nun auch wieder zugelassen wurde, soll künftig ebenfalls auf dem Lausitzring getestet werden können. Noeske betont: „Wir sind sehr froh, dass in Europa jetzt die Technologieoffenheit wiederhergestellt worden ist.“ Zudem sollen auch Testbereiche für Campus-Netzwerke oder Cloud-Computing errichtet werden.

Dass zwischendurch die lärmenden Motorsportler der DTM Staub auf dem Lausitzring aufwirbeln und beim Rennwochenende Ende August zudem Tausende Zuschauer auf das ansonsten abgeriegelte Dekra-Gelände ziehen, sieht Volker Noeske gelassen. Nach mehr als 17 Jahren als technischer Kommissar bei der DTM schlägt sein Herz weiter für den Motorsport. Er sagt: „Wir tun alles für ein volles Haus im August.“ Dass die Zuschauer dann womöglich auch auf der Teststrecke spionieren könnten, befürchtet er nicht. Noeske berichtet: „Das ist ja jetzt auch schon so. Wir mussten zum Leidwesen unserer Mitarbeiter auch für die DTM-Testtage alles wegräumen. Das ist für die internen Abläufe sicher nicht optimal.“ Dennoch legt er fest: „Wenn hier Öffentlichkeitsveranstaltungen stattfinden, dann kann man ganz normal filmen, fotografieren und bei uns reinschauen.“

Klettwitz als Boxenstopp vorm Fujiyama
DTM-Tests auf dem Lausitzring
Klettwitz als Boxenstopp vorm Fujiyama
Klettwitz