Man musste sich in den zurückliegenden Jahren Sorgen machen um die Leipziger Buchmesse. Ganze drei Messe-Jahrgänge waren der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Im März 2020 war die Buchmesse die erste richtige Großveranstaltung im deutschen Kulturbetrieb, die wegen des sich abzeichnenden Lockdowns nicht mehr durchgeführt worden ist. In den Jahren 2021 und 2022 entstand dann zunehmend der Eindruck, dass die Verantwortlichen um den Direktor Oliver Zille gedanklich nicht beweglich oder mutig genug waren, um, wie andere schwere Tanker im Festival- und Messezirkus, auf die Schnelle alternative und hybride Formate zu konzipieren, die sich notfalls auch mit reduzierter Besucherzahl und zusätzlichen Online-Angeboten durchführen ließen. Jedenfalls ging der Unmut darüber so weit, dass sich 2022 einige Kleinverleger zusammenschlossen, um zumindest eine „Buchmesse Pop-up“ an einem Ausweichort anzubieten.
Das hätte es durchaus gewesen sein können für die Leipziger Messe, die ja ohnehin stets im Schatten ihres größeren Bruders aus Frankfurt am Main steht. Dort werden im Herbst traditionell die großen Buchhandelsgeschäfte gemacht, dort trifft sich die Branche und verhandelt über Lizenzen, Übersetzungen und Digitalstrategien.
Jetzt aber kehrt das lesernahe Gegenstück zur großen Frankfurter Messe mit Volldampf zurück. Von 27. bis 30. April, mehr als einen Monat später als zum traditionellen Termin Mitte März, steigt die Messe wieder in den großen Hallen des Leipziger Messe-Neubaus vor den Toren der Stadt. „Buchstäblich überraschend“ will das Team der Leipziger Buchmesse dort auftreten, so lautet jedenfalls das plakatierte Motto; und nach dieser Vorgeschichte wird damit wohl kaum zu viel versprochen.
Rund 3.200 Aussteller aus 40 Herkunftsländern sollen in den kommenden Tagen dabei sein, gab die Buchmesse bekannt. Die Zahl der Einzelveranstaltungen – Lesungen, Podiumsdiskussionen, Signierstunden – ist hoch. Wie die Buchmesse verlauten lässt, wird das Programm in diesem Jahr allerdings nicht mehr in gedruckter Form verteilt. Die Website www.leipziger-buchmesse.de hilft beim Navigieren und Planen; dort steht auch eine eigene Messe-App zum Download bereit.
Der Leipziger Buchpreis wird auf der Messe verliehen
Am ersten Messetag (Donnerstag, 27.04.) wird der Messe-eigene Buchpreis vergeben. In der Kategorie Belletristik sind in diesem Jahr die aktuellen Romane von Ulrike Draesner, Joshua Groß, Dincer Gücyeter, Clemens J. Setz und Angela Steidele nominiert. Außerdem gibt es wieder Preise in den Kategorien Sachbuch und Übersetzung. Der Buchpreis ist auch während der Corona-Pausenjahre, als die eigentliche Buchmesse nicht stattfinden konnte, stets verliehen worden.
Aber auch abseits der Preisverleihung wird die Liste anreisenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller von Rang lang sein: Der Bestseller-Autor Sebastian Fitzek etwa will laut Veranstaltern seinen ersten Nicht-Thriller vorstellen, und Judith Hermann präsentiert ihr autobiografisch grundiertes Buch „Wir hätten uns alles gesagt“.
Österreich zu Gast in Leipzig
Nicht in jedem Jahr hatte die Leipziger Buchmesse ein Gastland in den Fokus gerückt, und der inhaltlich wie politisch besonders interessante Schwerpunkt „Common Ground“ mit Literatur aus den Balkanstaaten war in den vergangenen Jahren der Pandemie zum Opfer gefallen. In diesem Jahr aber präsentiert sich die Alpenrepublik Österreich auf der Messe. Der etwas bemüht klingende Claim des Gastes, in allzu deutlicher Anlehnung an das bayerische „Mia san mia“: „Meaoiswiamia“, zu Hochdeutsch in etwa „Mehr als wir“. Gleichermaßen volkstümlich und heimatverbunden, aber doch weltoffen will sich der südliche Nachbar in Leipzig präsentieren. Um Fragen der Solidarität und Gerechtigkeit, aber auch um die Brüchigkeit und Fragilität demokratischer Gesellschaften soll es dabei gehen, wie Katja Gasser, die künstlerische Leiterin des Gastlandprojekts, in ihren Statements vor Beginn der Buchmesse kundtat.
Dass die Österreicher Literatur können, machen nicht nur die jüngeren Nobelpreis-Verleihungen an Elfriede Jelinek (2004) und Peter Handke (2019) deutlich. Von Friedrich Achleitner über Thomas Bernhard bis Gerhard Roth reicht das Germanisten-Manna der zurückliegenden Jahrzehnte, und damit wäre von weiter zurückliegenden Großliteraten wie Stefan Zweig, Heimito von Doderer oder Ingeborg Bachmann noch gar nicht die Rede. Auf dem eigens eingerichteten Messestand des Gastlandes Österreich in Halle 4, Koje D201/E200 können Neugierige sich mit aktuellen Namen vertraut machen, die vielleicht eines Tages Aufnahme in diese Ahnengalerie finden mögen.
Gemeinsam mit dem österreichischen Fernsehen ORF hat das Gastlandprojekt der Buchmesse ferner die Filmreihe „Archive des Schreibens“ aus der Taufe gehoben. In ausführlichen Filmporträts werden aktuelle Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Teresa Präauer, Xaver Bayer, Valerie Fritsch und Raphaela Edelbauer vorgestellt. Die Filme sind auf dem Messegelände als auch im Literaturhaus Leipzig als Dauerinstallation zu sehen. Sie wurden und werden zudem im ORF gezeigt und sind online abrufbar.
Manga-Comic-Con auf der Leipziger Buchmesse
Es ist geradezu eine Parallelwelt, die sich seit vielen Jahren auf der Leipziger Buchmesse in Form der Manga-Comic-Con etabliert hat. In Folge des Booms von Graphic Novels und Manga-Comics haben sich immer mehr einschlägige Verlage auf der Messe präsentiert. Die angereiste Fangemeinde dort ist über die Jahre geradezu explodiert. Seither mischt sich unter die Gemeinschaft der Lesenden eine größer werdende Gruppe überwiegend jugendlicher Messebesucher, die in fantasievollen, oft selbst gebastelten Kostümen die Geschichten ihrer Comic-Helden nachspielen, vor Kameras posieren und sich mit neuem Lesestoff sowie anderen Devotionalien eindecken. Die sogenannten Cos-Player machen die Buchmesse auch für Außenstehende zu einem besonders schillernden, bunten und vielfältigen Erlebnis. Also, beim Eintritt nicht wundern: Sie sind in der allerdings futuristisch anmutenden zentralen Wandelhalle des Messegeländes keineswegs auf einem fremden Stern gelandet …
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In diesem Jahr sind der Manga-Comic-Con eineinhalb Messehallen gewidmet: die komplette Halle 1 sowie eine Hälfte der danebenliegenden Halle 3. Dies verdeutlicht nebenbei den insgesamt stark angewachsenen Stellenwert der Comic- und Manga-Sektion am insgesamt stagnierenden Buchmarkt.
Leipzig liest
Das Lesefest, bei dem beinahe die ganze Stadt mitmacht, ist das Alleinstellungsmerkmal der Leipziger Buchmesse schlechthin. Die dezentrale Veranstaltungsreihe, bei der von der Bibliothek über die Kneipe bis zum Innenstadt-Einzelhändler einfach beinahe jeder Akteur des Stadtlebens mitmischt, der oder die auf sich hält, vermittelt in unübertroffener Weise die Faszination für das geschriebene Wort. Es würde zu weit führen, hier einzelne Veranstaltungen herauszupicken – der Programmkatalog der Leipziger Buchmesse war, als er noch in gedruckter Form erschienen ist, alljährlich hunderte Seiten dick. Wer hier tief eintauchen und nebenbei auch noch etwas von der eigentlichen Messe auf dem Messegelände mitbekommen will, möge rechtzeitig und gut planen, denn vier Messetage vergehen bei dieser Angebotsfülle wie im Fluge. Und oft gehen Stunden dafür drauf, durch Gedränge und Verkehr von einem Veranstaltungsort zum nächsten zu gelangen.
Vollständiges Programm von „Leipzig liest“ hier.
Die Anreise zur Messe in Leipzig
Mit dem Auto: Die Messe Leipzig ist über die Autobahn A14 und die eigene Abfahrt „Leipzig Messegelände“ zu erreichen, außerdem über die A9 am Schkeuditzer Kreuz. Das Messegelände verfügt über großzügige Parkplatzflächen mit dynamischem Parkleitsystem. Bei großem Besucherandrang ist jedoch vor den Parkflächen mit langen Anfahrtsstaus zu rechnen, zudem kann der Weg vom geparkten Auto bis zum Eingang der Messehallen durchaus mit einem zehnminütigen Fußweg verbunden sein.
Mit der Bahn: Die Messe Leipzig hat eine eigene S-Bahn-Haltestation. Mit den S-Bahn-Linien S 2, S 5, S 5X oder S 6 kann dieser zum Beispiel aus Richtung Halle, Altenburg, Zwickau, Geithain, Dessau, Lutherstadt Wittenberg und Bitterfeld erreicht werden. Vom Leipziger Hauptbahnhof dauert die planmäßige Fahrt je nach Verbindung fünf bis acht Minuten.
Übernachtungen in Leipzig
Es wird eng in der Stadt. Die meisten Hotels in Leipzig und der näheren Umgebung waren schon Wochen vor Beginn der Ausstellung ausgebucht. Die Sehnsucht nach echten Begegnungen mit Literaten und Sachbuchautorinnen oder schlicht Gleichgesinnten, die sich ebenfalls gerne ins geschriebene Wort vertiefen, scheint nach drei dünnen Jahren riesengroß zu sein. Wer dennoch unbedingt für mehrere Tage zur Buchmesse fahren will, könnte noch Glück im nahegelegenen Halle/Saale oder in einer der umliegenden Kleinstädte wie Grimma, Borna oder Zeitz haben. Oder man begnügt sich mit einem erschwinglichen Bett in einem Mehrbett-Zimmer in der Jugendherberge.
Öffnungszeiten und Tickets
Das Messegelände ist von Donnerstag (27.04.) bis Sonnabend (29.04.) jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am Sonntag (30.04.) von 10 bis 17 Uhr.
Die Ticketpreise variieren je nach Besuchertag, individueller Berechtigung zur Ermäßigung und Zeitpunkt des Eintritts. Tagestickets für 16,50 Euro bis 27 Euro, Kinder ab 9,50 Euro. Ab 15 Uhr reduzierte Preise.
Internet: www.leipziger-buchmesse.de