Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine endete die europäische Friedensordnung, die seit 1945 geherrscht hatte und sorgsamst behütet worden war. Einher mit dem Schießen und Töten auf dem Schlachtfeld entstand ein globaler Wirtschaftskampf um Energie, Lebensmittel und Computerchips.
Der Umgang der Bundesregierung mit beiden Konflikten wird von den Menschen in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich gewertet. Erstens: Ostdeutsche sind deutlich zurückhaltender bezüglich Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Regierung ignoriert die unterschiedlichen Haltungen aber. Das ist gefährlich, denn sie läuft Gefahr, die Menschen damit einmal mehr in die Politikverdrossenheit zu treiben, schlimmstenfalls in die Arme der Putinversteher am radikalen rechten und linken politischen Rand.

Putins Bluthund droht Ostdeutschland

Natürlich können Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock im europäischen Verbund oder dem der Nato kaum mal offensiver nach dem Duktus der Westdeutschen und mal zurückhaltender nach dem der Ostdeutschen entscheiden. Aber mitnehmen sollten sie alle Deutschen. Denn die unterschiedliche Haltung zwischen Ost- und Westdeutschland spiegelt letztendlich – zweitens – auch den Grad der Angst. Die Menschen in Frankfurt (Oder), Cottbus oder Görlitz sind einfach näher am Krieg, als die in Freiburg, Saarbrücken oder Aachen. Putins Bluthund und Tschetschenen-Chef Ramsan Kadyrow hat unlängst sogar konkret gedroht, Ostdeutschland besetzen zu wollen.
Angst und Ungewissheit resultieren aber auch daraus, dass völlig unklar ist, welchen Plan Deutschland, Europa und die Nato in der Ukraine verfolgen. Geht es um eine Schlacht um Leben und Material, bis Putins Armee schwächelt? Soll Russland voll und ganz aus dem ukrainischen Staatsgebiet zurückgedrängt werden? Inklusive der 2014 besetzten Krim? Ist der vor Kriegsbeginn annektierte Donbass unter Bauchschmerzen um des Friedens willen und zur Rettung von Menschenleben verhandelbar? Besteht die Gefahr einer Ausbreitung des Krieges über Polen nach Deutschland, einer Involvierung der Nato und eines Einsatzes von Atomwaffen?

Kein Weg zum Frieden sichtbar

Diesen Sorgen muss die Bundesregierung begegnen, weil sie ein Despot verursacht, der offenkundig weder nach Analysen noch aus Vernunft entscheidet. Sonst hätte Putin die Ukraine gar nicht erst überfallen. Was also, wenn er eines Tages, vielleicht aus Fatalismus im Angesicht einer Niederlage oder aus anderem Wahn, den Krieg global eskaliert?
Darüber sollten die Regierungen in Deutschland und Europa sehr klar mit den Menschen sprechen, auch wenn es die richtige Taktik ist, den Gegner über Ziele im Detail im Unklaren zu lassen. Das hatte vor der Münchener Sicherheitskonferenz auch deren ehemaliger Leiter Wolfgang Ischinger empfohlen. Er riet, öffentlich nicht von Vornherein bestimmte Unterstützungsmaßnahmen, wie die Lieferung von Kampfjets, auszuschließen. Aber Ischinger beklagte auch, dass das große Ziel unklar sei. Ohne dieses liegt auch der Weg zum Frieden im Nebel.