War die Bundesnotbremse, die vom 23. April bis 30. Juni 2021 galt, rechtmäßig? Das Bundesverfassungsgericht hat seine Antwort auf diese Frage heute bei einer Pressekonferenz verkündet.
Ausgangssperren, Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen - diese Maßnahmen, die die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern hierzulande stark einschränkten, wurden von der Politik in der dritten Welle durchgesetzt, um die weitere Verbreitung des Coronavirus’ zu verhindern. Es half: Die Corona-Fallzahlen sanken drastisch, die Bundesnotbremse wurde zum 30. Juni 2021 zurückgenommen. Aber die Frage bleibt: Waren die Maßnahmen verhältnismäßig? Einige Menschen reichten gegen die Maßnahmen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein, heute wurde die Entscheidung in der Hauptsache dort vekündet.
  • Wie beurteilt das Bundesverfassungsgericht die Bundesnotbremse, die von Ende April bis Ende Juni 2021 galt?
  • Welche Regeln und Einschränkungen galten genau in der vergangenen Bundesnotbremse?
  • Was bedeutet die Entscheidung für die Ministerpräsidentenkonferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten heute?
  • Aktuelle Corona-Lage: Wer fordert jetzt eine neue Bundesnotbremse aufgrund der Rekordzahlen an Corona-Neuinfektionen und Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen?

Bundesverfassungsgericht zur Bundesnotbremse: Waren Corona-Maßnahmen verfassungsgemäß?

Heute, um 09:30 Uhr äußerte sich das Bundesverfassungsgericht zu Regelungen des Paragrafen 28b Infektionsschutzgesetzes. Durch diesen Paragrafen wurde es während der dritten Welle diesen Jahres möglich, Maßnahmen wie Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen zu erlassen.
Wie haben die Karlsruher Richter in der Hauptsache entschieden?
Eine erste Einschätzung nach einer Live-Berichterstattung: Die Maßnahmen waren rechtmäßig. In beiden Verfahren, also zur Bundesnotbremse (Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren) sowie den Schulschließungen wurde entschieden, dass die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz rechtmäßig waren.
  • Kontaktbeschränkungen: Rechtmäßig, da die Voraussetzung war, das Infektionsgeschehen zu senken.
  • Ausgangssperren: Rechtmäßig, da die Voraussetzung war, das Infektionsgeschehen zu senken.
  • Schulschließungen: Rechtmäßig, waren nur von kurzer Dauer.

Regeln während geltender Bundesnotbremse: Das beinhaltete die Corona-Notbremse

Unter der Bundesnotbremse ist ein bundesweit geltender Corona-Maßnahmenkatalog zu verstehen. Er galt vom 23. April bis 30. Juni 2021. Wann trat die Bundesnotbremse in Kraft? Überschritt die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt drei Tage in Folge den Wert von 100 galten die Maßnahmen der Bundesnotbremse. Diese wurden also vom Bund festgelegt und mussten vor Ort umgesetzt werden. Weniger strenge Regeln waren nicht möglich, nur striktere Regeln konnten noch von Städten und Kommunen erlassen werden. Diese Maßnahmen gehörten zur Bundesnotbremse vom April bis Juni 2021:
  • Kontaktbeschränkungen: Ein Haushalt darf sich nur mit einer weiteren Person treffen, Geimpfte und Genesene wurden nicht mitgezählt.
  • Nächtliche Ausgangssperre von 22 Uhr bis 5 Uhr. Ausnahmen: Arbeit, Notfälle; Spazieren und Joggen bis 24 Uhr erlaubt.
  • Schließungen von Geschäften, die nicht zum täglichen Bedarf wie Supermärkte, Apotheken etc. gezählt werden.
  • Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Kinos (außer Autokinos), Museen, Ausstellungen und Gedenkstätten werden geschlossen.
  • Gastronomie wird geschlossen.
  • Übernachtungsmöglichkeiten zu vermieten ist untersagt.
  • Wechselunterricht in Schulen und zweimal die Woche Schultests, Schulschließungen ab einer Inzidenz von 165.
  • Pflicht zum Homeoffice (gilt aktuell bereits).
  • Sport nicht in der Gruppe möglich, Fitnessstudios und Sportstätten geschlossen - Kontaktloser Individualsport nur allein, zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt erlaubt.
Das Nichteinhalten der Maßnahmen der Bundesnotbremse wurde mit Bußgeldern geahndet.

MPK heute: Bund und Länder wollen weiteres Vorgehen besprechen

Angesichts der neuen Omikron-Variante und der Wucht der vierten Corona-Welle wird der Ruf nach härteren Gegenmaßnahmen lauter. Heute um 13.00 Uhr wollen die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder telefonisch über die Krise beraten. Konkrete Vorgaben über ihren Handlungsspielraum erhofft sich die Politik von den ersten grundsätzlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Pandemie, die jetzt veröffentlicht wurden.

Neue Bundesnotbremse Corona: Stimmen aus Bayern, BW, Thüringen und Co.

Der Gesundheitsminister in Baden-Württemberg, Manfred Lucha (Grüne), sprach sich am Montag, den 29.11.2021 dafür aus, die Bundesnotbremse in der laufenden Woche zu verhängen. „Dann wäre für alle klar, was gilt“, sagte Lucha dem Deutschlandfunk. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rät dazu, „sofort einheitliche Maßnahmen analog der Bundesnotbremse vorzubereiten“. Aus der CSU kommen ähnliche Töne: CSU-Generalsekretär Markus Blume forderte eine „Vollbremsung in ganz Deutschland“ gegen die vierte Welle. Benötigt werde rasch eine weitere Ministerpräsidentenkonferenz, „um eine Bundesnotbremse zu verankern“, sagte Blume am Sonntagabend (28.11.) bei Bild TV. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht das genauso: „Eine Bundesnotbremse muss noch in dieser Woche beschlossen werden“, sagte Söder beim „Sonntags-Stammtisch“ im Bayerischen Fernsehen (BR).
Auch der amtierende Kanzleramtschef Helge Braun fordert die Wiedereinführung der Notbremse, um der Corona-Lage wieder Herr zu werden. „Wir sind in Deutschland in die Lage gekommen, die wir immer vermeiden wollten: Unser Gesundheitssystem ist regional überlastet“, sagte der CDU-Politiker heute den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.