Von Dietrich Schröder
Sie ist nur 135 Kilometer lang: Die Zugstrecke vom einstigen Stettiner Bahnhof in Berlin (dem heutigen Nordbahnhof) bis in die polnische Großstadt Szczecin. Und wenn seit Jahrzehnten über deren Modernisierung debattiert wird, geht es eigentlich nur um den 57 Kilometer langen Abschnitt zwischen Angermünde und der Hafenstad. Denn dieser ist noch nicht elektrifiziert. Und von Passow in der Uckermark bis zum Stettiner Ortsteil Gumience (Scheune) ist er sogar nur eingleisig, weil das einstige zweite Gleis nach 1945 demontiert wurde.
Der erste Spatenstich erst in zwei Jahren
Nach langen Verhandlungen hatten sich die Verkehrsministerien aus Berlin und Warschau 2012 auf die Elektrifizierung geeinigt. Damals hieß es noch, dass die Arbeiten 2020 abgeschlossen sein könnten. Dann kämpfte vor allem die Brandenburger Landesregierung auf den von Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) initiierten deutsch-polnischen Bahngipfeln darum, dass die Strecke auch komplett zweigleisig gebaut werden soll. Weil der Bund dies ablehnte, gingen die Länder Brandenburg und Berlin 2018 in Vorleistung und erklärten auf dem 3. Bahngipfel mit Polen, dass sie sich am Ausbau auf deutscher Seite mit 100 Millionen Euro beteiligen werden. Aktuell heißt es, dass der erste Spatenstich in zwei Jahren erfolgen und die Arbeiten 2026 vollendet sein sollen.
Um so größer war die Überraschung, als kürzlich die Nachricht aus Warschau kam, dass man in Polen für die letzten zehn Kilometer weiterhin nur eingleisig plant. Nach der RUNDSCHAU vorliegenden Informationen wird derzeit lediglich eine Studie über die Sinnhaftigkeit des zweigleisigen Ausbaus erarbeitet.
Zugleich gibt es in Stettin aber andere spannende Bahn-Pläne: Für die mehr als eine halbe Million Einwohner zählende Stadt und ihren Speckgürtel soll ein S-Bahn-artiges Stettiner Metropolbahn-Netz entstehen. Mit dem Bau soll in diesem Jahr begonnen werden, nachdem eine 85-prozentige Förderung durch die EU zugesagt wurde.
Alle Linien enden bisher auf polnischer Seite
Das Manko aus deutscher Sicht: Obwohl seit Jahren gemeinsam mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern über eine grenzüberschreitende Stettiner Metropolregion gesprochen wird, enden die bisher vorgesehenen Linien alle auf polnischer Seite: Im Industrieort Police, am Flughafen Goleniów, in Stargard sowie in der nur drei Kilometer vom uckermärkischen Mescherin entfernten Stadt Gryfino.
Unsere polnischen Partner sagten uns, dass erst im zweiten Schritt auch über Linien nach Löcknitz und Pasewalk beziehungsweise Tantow oder Angermünde nachgedacht werden soll, sagt der sehr engagierte Amtsdirektor von Gartz, Frank Gotzmann.
Schon in Kürze am 8. Mai soll in Breslau der nächste deutsch-polnische Bahngipfel stattfinden. Eine gute Gelegenheit, um dabei auch über die neuen Stettiner Vorhaben zu reden.