Von Dietrich Schröder

Weil er durch Brandenburg fährt, spart Edward Star­czynski täglich eine Stunde auf dem Weg von und zur Arbeit. Denn aus seinem Wohnort Gryfino – der südlich von Stettin liegt – kommt der Pole über die Bundesstraßen 113 und 2 in der Uckermark am schnellsten in den westlichen Teil der Großstadt. Dort wiederum hat der Internet-Riese Amazon ein gigantisches Logistikzentrum gebaut, in dem Starczynski tätig ist.

Einziges Problem: „Weil sich immer mehr Unternehmen im Westen Stettins ansiedeln, haben auch immer mehr Polen diese Abkürzung entdeckt. Und so wird es auf den Brandenburger Straßen auch langsam eng“, berichtet Starczynski.

Seine Erfahrungen sind nur ein von Beispiel für die enge Verflechtung zwischen der polnischen Großstadt und ihrem deutschen Umfeld. Zahlreiche Gemeinden im Nordosten der Uckermark sowie in Vorpommern profitieren von Stettiner Familien, die sich hier niedergelassen haben. „Besonders gut ist, dass es sich um junge Familien mit Kindern handelt“, sagt der Amtsdirektor von Gartz, Frank Gotzmann.

Der Vize-Bürgermeister von Stettin, Krzysztof Soska, wiederum erzählt, „dass wir zwar eine Großstadt sind, aber trotzdem keinen eigenen Zoo brauchen“. Denn diese Rolle erfülle seit Jahren der Tierpark im 60 Kilometer entfernten Ueckermünde. Bei Stettiner Schulklassen und Familien ist er sehr beliebt, weil man sich auf die polnischen Besucher eingestellt hat.

Von einem ähnlichen Synergieeffekt profitieren auch die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt. Nicht nur polnische Schauspieler stehen hier mit auf der Bühne. Stücke für Kinder werden gleich so inszeniert, dass sie von jungen deutschen und polnischen Zuschauern gleichermaßen verstanden werden.

Auf einer Tagung des deutsch-polnischen Wirtschaftskreises in der Großstadt wurden jetzt neue Pläne für die Zukunft ausgetauscht. „Wir sollten gemeinsam einen Europäischen Verbund für die territoriale Zusammenarbeit – kurz EVTZ – aufbauen.“ Dieses Ziel streben sowohl der Parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern, Patrick Dahlemann, als auch der Marschall der Woiwodschaft Westpommern, Olgierd Geblewicz, an.

Die Europäische Union lässt die Gründung solcher grenzüberschreitender EVTZ ausdrücklich zu. Einige davon gibt es bereits an der Westgrenze der Bundesrepublik. Der Vorteil bestünde darin, dass man gemeinsam Fördermittel bei der EU in größerem Umfang beantragen könnte. Etwa für den Bau der S-Bahn, die in Stettin entsteht. Bisher sind zwar nur Linien in die polnischen Orte Goleniow, Stragrad, Police und Gryfino geplant. „Doch im zweiten Schritt soll es auch Linien ins brandenburgische Angermünde und nach Pasewalk geben“, erläutert der Planer, Roman Walaszkowski.

Freilich gibt es noch erheblich Hürden zu überwinden: Während etwa Polens Zentralregierung in Warschau die enge Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Grenzregion generell kritisch betrachtet, gibt es auf deutscher Seite noch viel zu wenig Verständnis und Bewusstsein für die engen Verbindungen, die sich in der Region um Stettin längst entwickelt haben.